Wir fanden im Obigen als die einheimische und originale Poesie des Dorischen Volkstammes nicht das Epos, sondern die Lyrik, die nicht ein äußerlich Wahrgenommenes, sondern ein innerlich Em- pfundnes mittheilen will; doch mit der Beschrän- kung, daß dieses Empfundne seiner Natur nach nicht blos persönlich sei sondern allgemein werden könne, wie es der Charakter des Volkstammes fordert, der weit mehr in der Gesammtheit als individuell lebte. Eben so mußte ohne Zweifel in der prosaischen Mit- theilung die Erzählung zurückstehn gegen den Aus- druck des Gedankens; und es ist deutlich, daß die Historie bei den Doriern weder ihre Entstehung, noch erste Bildung finden konnte. Diese verdankte sie ein- zig den Joniern, die, vom Bedürfnisse ausführlicherer Mittheilung des Geschehenen aus, mit der Schriftstel- lerei in Prosa 1 zugleich die Geschichtschreibung in Gang brachten. Indeß blieb dieselbe in ihrem Fort- gange doch auch den Doriern nicht fremd, wie denn
1 Nur von diesem allgemeinen Satze aus erklärt sich, war- um auch die Koischen Aerzte ionisch schrieben.
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Wir fanden im Obigen als die einheimiſche und originale Poëſie des Doriſchen Volkſtammes nicht das Epos, ſondern die Lyrik, die nicht ein aͤußerlich Wahrgenommenes, ſondern ein innerlich Em- pfundnes mittheilen will; doch mit der Beſchraͤn- kung, daß dieſes Empfundne ſeiner Natur nach nicht blos perſoͤnlich ſei ſondern allgemein werden koͤnne, wie es der Charakter des Volkſtammes fordert, der weit mehr in der Geſammtheit als individuell lebte. Eben ſo mußte ohne Zweifel in der proſaiſchen Mit- theilung die Erzaͤhlung zuruͤckſtehn gegen den Aus- druck des Gedankens; und es iſt deutlich, daß die Hiſtorie bei den Doriern weder ihre Entſtehung, noch erſte Bildung finden konnte. Dieſe verdankte ſie ein- zig den Joniern, die, vom Beduͤrfniſſe ausfuͤhrlicherer Mittheilung des Geſchehenen aus, mit der Schriftſtel- lerei in Proſa 1 zugleich die Geſchichtſchreibung in Gang brachten. Indeß blieb dieſelbe in ihrem Fort- gange doch auch den Doriern nicht fremd, wie denn
1 Nur von dieſem allgemeinen Satze aus erklaͤrt ſich, war- um auch die Koiſchen Aerzte ioniſch ſchrieben.
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Wir fanden im Obigen als die einheimiſche und
originale Poëſie des Doriſchen Volkſtammes nicht das
Epos, ſondern die Lyrik, die nicht ein aͤußerlich
Wahrgenommenes, ſondern ein innerlich Em-
pfundnes mittheilen will; doch mit der Beſchraͤn-
kung, daß dieſes Empfundne ſeiner Natur nach nicht
blos perſoͤnlich ſei ſondern allgemein werden koͤnne,
wie es der Charakter des Volkſtammes fordert, der
weit mehr in der Geſammtheit als individuell lebte.
Eben ſo mußte ohne Zweifel in der proſaiſchen Mit-
theilung die Erzaͤhlung zuruͤckſtehn gegen den Aus-
druck des Gedankens; und es iſt deutlich, daß die
Hiſtorie bei den Doriern weder ihre Entſtehung, noch
erſte Bildung finden konnte. Dieſe verdankte ſie ein-
zig den Joniern, die, vom Beduͤrfniſſe ausfuͤhrlicherer
Mittheilung des Geſchehenen aus, mit der Schriftſtel-
lerei in Proſa 1 zugleich die Geſchichtſchreibung in
Gang brachten. Indeß blieb dieſelbe in ihrem Fort-
gange doch auch den Doriern nicht fremd, wie denn
1 Nur von dieſem allgemeinen Satze aus erklaͤrt ſich, war-
um auch die Koiſchen Aerzte ioniſch ſchrieben.
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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/389>, abgerufen am 22.12.2024.
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