Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

Bild:
<< vorherige Seite

und Heiterkeit geben konnte, und dabei entbehrte die
Lebensbetrachtung auch nicht des scharfen und eindrin-
genden Verstandes, der die Sikuler charakterisirt 1.

5.

Bei alle dem war Epicharmos Komödie nur
eine einzelne vorübergehende Erscheinung, da uns eben
keine Nachfolger des großen Dichters genannt werden,
als Deinolochos 2, sein Sohn oder lieber sein Schü-
ler. Dagegen trat etwa ein halbes Jahrhundert nach
Epicharm 3 der Schöpfer einer andern, aber in man-
chen Stücken verwandten Gattung auf, Sophron
der Mimograph. Indeß hat diese Gattung auf der
andern Seite so viel nicht blos von der damaligen
Poesie Siciliens, sondern von der gesammten Helleni-
schen Litteratur Abweichendes, daß ihre Entstehung
nach allem darüber gesagten noch immer sehr räthsel-
haft ist. Sophrons Mimen hatten durchaus nichts
orchestisches und musikalisches, womit zusammenhängt
daß sie gar nicht in Versen, sondern, ob zwar in gewissen
rhythmischen Abschnitten4, doch immer in Prosa
geschrieben waren. Die letztre Erscheinung scheint ganz
einzeln und ohne Zusammenhang zu stehn, wie es auch
wirklich innerhalb der Litteratur, die uns überkommen,

1 Cicero nennt ihn Tusc. 1, 8. und ad Att. 1, 19. acutus
und vafer als Siculus.
2 Bentl. Phalar. p. 413.
3 Wie aus Photios s. v. Reginous zu schließen, wo Sophrons Sohn
Xenarch (auch ein Mimograph vgl. Hermann ad Arist. Poet. 1,
7. p.
94.) als Zeitgenosse von Dionys (dem ältern) erwähnt wird.
Suid. und Eudocia p. 389. setzen Sophron in Xerxes -- und Eu-
ripides Zeit; mehrere Neuere sind der ersten Angabe gefolgt.
4 Die sich mit einem gewissen Parallelismus entsprochen zu haben
scheinen, wie theils aus einigen Fragmenten; theils aus Vergl. des
Schol. in Gregor. Naz. in Montf. Bibl. Coislin. p. 120. mit
dem Gedicht, wozu es gehört, in Jac. Tollius Itin. Ital. p. 96
sq.
erhellt. vgl. Hermann a. O. p. 93.

und Heiterkeit geben konnte, und dabei entbehrte die
Lebensbetrachtung auch nicht des ſcharfen und eindrin-
genden Verſtandes, der die Sikuler charakteriſirt 1.

5.

Bei alle dem war Epicharmos Komoͤdie nur
eine einzelne voruͤbergehende Erſcheinung, da uns eben
keine Nachfolger des großen Dichters genannt werden,
als Deinolochos 2, ſein Sohn oder lieber ſein Schuͤ-
ler. Dagegen trat etwa ein halbes Jahrhundert nach
Epicharm 3 der Schoͤpfer einer andern, aber in man-
chen Stuͤcken verwandten Gattung auf, Sophron
der Mimograph. Indeß hat dieſe Gattung auf der
andern Seite ſo viel nicht blos von der damaligen
Poëſie Siciliens, ſondern von der geſammten Helleni-
ſchen Litteratur Abweichendes, daß ihre Entſtehung
nach allem daruͤber geſagten noch immer ſehr raͤthſel-
haft iſt. Sophrons Mimen hatten durchaus nichts
orcheſtiſches und muſikaliſches, womit zuſammenhaͤngt
daß ſie gar nicht in Verſen, ſondern, ob zwar in gewiſſen
rhythmiſchen Abſchnitten4, doch immer in Proſa
geſchrieben waren. Die letztre Erſcheinung ſcheint ganz
einzeln und ohne Zuſammenhang zu ſtehn, wie es auch
wirklich innerhalb der Litteratur, die uns uͤberkommen,

1 Cicero nennt ihn Tusc. 1, 8. und ad Att. 1, 19. acutus
und vafer als Siculus.
2 Bentl. Phalar. p. 413.
3 Wie aus Photios s. v. Ῥηγίνους zu ſchließen, wo Sophrons Sohn
Xenarch (auch ein Mimograph vgl. Hermann ad Arist. Poët. 1,
7. p.
94.) als Zeitgenoſſe von Dionys (dem aͤltern) erwaͤhnt wird.
Suid. und Eudocia p. 389. ſetzen Sophron in Xerxes — und Eu-
ripides Zeit; mehrere Neuere ſind der erſten Angabe gefolgt.
4 Die ſich mit einem gewiſſen Parallelismus entſprochen zu haben
ſcheinen, wie theils aus einigen Fragmenten; theils aus Vergl. des
Schol. in Gregor. Naz. in Montf. Bibl. Coislin. p. 120. mit
dem Gedicht, wozu es gehoͤrt, in Jac. Tollius Itin. Ital. p. 96
sq.
erhellt. vgl. Hermann a. O. p. 93.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0366" n="360"/>
und Heiterkeit geben konnte, und dabei entbehrte die<lb/>
Lebensbetrachtung auch nicht des &#x017F;charfen und eindrin-<lb/>
genden Ver&#x017F;tandes, der die Sikuler charakteri&#x017F;irt <note place="foot" n="1">Cicero nennt ihn <hi rendition="#aq">Tusc.</hi> 1, 8. und <hi rendition="#aq">ad Att. 1, 19. acutus</hi><lb/>
und <hi rendition="#aq">vafer</hi> als Siculus.</note>.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>5.</head><lb/>
            <p>Bei alle dem war Epicharmos Komo&#x0364;die nur<lb/>
eine einzelne voru&#x0364;bergehende Er&#x017F;cheinung, da uns eben<lb/>
keine Nachfolger des großen Dichters genannt werden,<lb/>
als Deinolochos <note place="foot" n="2">Bentl. <hi rendition="#aq">Phalar. p.</hi> 413.</note>, &#x017F;ein Sohn oder lieber &#x017F;ein Schu&#x0364;-<lb/>
ler. Dagegen trat etwa ein halbes Jahrhundert nach<lb/>
Epicharm <note place="foot" n="3">Wie aus Photios <hi rendition="#aq">s. v.</hi> &#x1FEC;&#x03B7;&#x03B3;&#x03AF;&#x03BD;&#x03BF;&#x03C5;&#x03C2; zu &#x017F;chließen, wo Sophrons Sohn<lb/>
Xenarch (auch ein Mimograph vgl. Hermann <hi rendition="#aq">ad Arist. Poët. 1,<lb/>
7. p.</hi> 94.) als Zeitgeno&#x017F;&#x017F;e von Dionys (dem a&#x0364;ltern) erwa&#x0364;hnt wird.<lb/>
Suid. und Eudocia <hi rendition="#aq">p.</hi> 389. &#x017F;etzen Sophron in Xerxes &#x2014; und Eu-<lb/>
ripides Zeit; mehrere Neuere &#x017F;ind der er&#x017F;ten Angabe gefolgt.</note> der Scho&#x0364;pfer einer andern, aber in man-<lb/>
chen Stu&#x0364;cken verwandten Gattung auf, <hi rendition="#g">Sophron</hi><lb/>
der Mimograph. Indeß hat die&#x017F;e Gattung auf der<lb/>
andern Seite &#x017F;o viel nicht blos von der damaligen<lb/>
Poë&#x017F;ie Siciliens, &#x017F;ondern von der ge&#x017F;ammten Helleni-<lb/>
&#x017F;chen Litteratur Abweichendes, daß ihre Ent&#x017F;tehung<lb/>
nach allem daru&#x0364;ber ge&#x017F;agten noch immer &#x017F;ehr ra&#x0364;th&#x017F;el-<lb/>
haft i&#x017F;t. Sophrons Mimen hatten durchaus nichts<lb/>
orche&#x017F;ti&#x017F;ches und mu&#x017F;ikali&#x017F;ches, womit zu&#x017F;ammenha&#x0364;ngt<lb/>
daß &#x017F;ie gar nicht in Ver&#x017F;en, &#x017F;ondern, ob zwar in gewi&#x017F;&#x017F;en<lb/><hi rendition="#g">rhythmi&#x017F;chen Ab&#x017F;chnitten</hi><note place="foot" n="4">Die &#x017F;ich mit einem gewi&#x017F;&#x017F;en Parallelismus ent&#x017F;prochen zu haben<lb/>
&#x017F;cheinen, wie theils aus einigen Fragmenten; theils aus Vergl. des<lb/><hi rendition="#aq">Schol. in Gregor. Naz.</hi> in <hi rendition="#aq">Montf. Bibl. Coislin. p.</hi> 120. mit<lb/>
dem Gedicht, wozu es geho&#x0364;rt, in Jac. Tollius <hi rendition="#aq">Itin. Ital. p. 96<lb/>
sq.</hi> erhellt. vgl. Hermann a. O. <hi rendition="#aq">p.</hi> 93.</note>, doch immer in Pro&#x017F;a<lb/>
ge&#x017F;chrieben waren. Die letztre Er&#x017F;cheinung &#x017F;cheint ganz<lb/>
einzeln und ohne Zu&#x017F;ammenhang zu &#x017F;tehn, wie es auch<lb/>
wirklich innerhalb der Litteratur, die uns u&#x0364;berkommen,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[360/0366] und Heiterkeit geben konnte, und dabei entbehrte die Lebensbetrachtung auch nicht des ſcharfen und eindrin- genden Verſtandes, der die Sikuler charakteriſirt 1. 5. Bei alle dem war Epicharmos Komoͤdie nur eine einzelne voruͤbergehende Erſcheinung, da uns eben keine Nachfolger des großen Dichters genannt werden, als Deinolochos 2, ſein Sohn oder lieber ſein Schuͤ- ler. Dagegen trat etwa ein halbes Jahrhundert nach Epicharm 3 der Schoͤpfer einer andern, aber in man- chen Stuͤcken verwandten Gattung auf, Sophron der Mimograph. Indeß hat dieſe Gattung auf der andern Seite ſo viel nicht blos von der damaligen Poëſie Siciliens, ſondern von der geſammten Helleni- ſchen Litteratur Abweichendes, daß ihre Entſtehung nach allem daruͤber geſagten noch immer ſehr raͤthſel- haft iſt. Sophrons Mimen hatten durchaus nichts orcheſtiſches und muſikaliſches, womit zuſammenhaͤngt daß ſie gar nicht in Verſen, ſondern, ob zwar in gewiſſen rhythmiſchen Abſchnitten 4, doch immer in Proſa geſchrieben waren. Die letztre Erſcheinung ſcheint ganz einzeln und ohne Zuſammenhang zu ſtehn, wie es auch wirklich innerhalb der Litteratur, die uns uͤberkommen, 1 Cicero nennt ihn Tusc. 1, 8. und ad Att. 1, 19. acutus und vafer als Siculus. 2 Bentl. Phalar. p. 413. 3 Wie aus Photios s. v. Ῥηγίνους zu ſchließen, wo Sophrons Sohn Xenarch (auch ein Mimograph vgl. Hermann ad Arist. Poët. 1, 7. p. 94.) als Zeitgenoſſe von Dionys (dem aͤltern) erwaͤhnt wird. Suid. und Eudocia p. 389. ſetzen Sophron in Xerxes — und Eu- ripides Zeit; mehrere Neuere ſind der erſten Angabe gefolgt. 4 Die ſich mit einem gewiſſen Parallelismus entſprochen zu haben ſcheinen, wie theils aus einigen Fragmenten; theils aus Vergl. des Schol. in Gregor. Naz. in Montf. Bibl. Coislin. p. 120. mit dem Gedicht, wozu es gehoͤrt, in Jac. Tollius Itin. Ital. p. 96 sq. erhellt. vgl. Hermann a. O. p. 93.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/366
Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/366>, abgerufen am 21.11.2024.