Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

Bild:
<< vorherige Seite

rische Frauentracht ungefähr eben solche Begriffe er-
zeugten, wie die Römischen über Germanische sein
mochten, denen Tacitus begegnet: "die Deutschen Frauen
tragen die Arme bis zur Schulter nackt, selbst der
nächste Theil der Brust ist blos: dessen ungeachter
ist das Eheband ihnen unverletzlich."

3.

Was nun jene Tracht betrifft: so sind nach
Manso's und Böttigers Behandlung der Sache 1 nur
noch folgende Bemerkungen nöthig. Die Alten nennen
das Haupt- oder eigentlich das einzige Kleid der Do-
rischen Jungfrau bald Himation 2, bald Chiton: das
letztre, wie aus Vergleichung der Bildwerke erhellt, mit
Recht, das erstre nur mißbräuchlich darum, weil es in
Vergleich mit dem linnenen Jonischen Chiton ein Hi-
mation schien. Dies Kleid, aus wollenem Zeuge, war
gänzlich ärmellos, und mußte über beiden Schultern
durch Nadel-Spangen (porpas, peronas) festgehalten
werden, die oft von bedeutender Größe waren 3, wäh-
rend die Jonischen Frauen die Arme in längere oder

khaie ton gunaikon e aute en, ten nun Dorida kaleomdn. He-
rod. 5, 88. vgl. Eust. zu Il. 5, 567. Aegin. p. 72.
1 Sparta 1, 2. S. 162. -- Raub der Cass. S. 60.
2 So nennt schon Herod. 5, 87. Himatien Dorischer Frauen als
entsprechend Jonischen Chitonen; und die verschiedenen Scholiasten
zu Eurip. Hek. 933. nennen die Dor. Jungfrauen bald monokhito-
nas, bald akhitonas (für das die Stelle des Anakreon, Frgm. S. 404.
Fisch.: ekdusa khitona doriazein, zu abgerissen ist um zu bewei-
sen). Diese citirt Horos bei Etym. M. 293, 44., und benutzt au-
ßer Aelios Dionysios (der wieder das khitonophorein als den Do-
riern eigen nennt) Eust. zu Il. 14, 975. vgl. noch Hesych dor[ - 1 Zeichen fehlt]a-
zein und den Sophista anon. bei Orelli Opp. mor. 2. p. 214. --
Eurip. Andr. 599. u. Hek. a. O. nennt das Dorische Gewand un-
genau peplos, vgl. Hedylos in der Palat. Anthol. 6, 292. Plut.
Kleom. 38.
3 Her. a. O. Schol. Eurip., wo epiporpis die
Nadel der Spange zu sein scheint.

riſche Frauentracht ungefaͤhr eben ſolche Begriffe er-
zeugten, wie die Roͤmiſchen uͤber Germaniſche ſein
mochten, denen Tacitus begegnet: “die Deutſchen Frauen
tragen die Arme bis zur Schulter nackt, ſelbſt der
naͤchſte Theil der Bruſt iſt blos: deſſen ungeachter
iſt das Eheband ihnen unverletzlich.”

3.

Was nun jene Tracht betrifft: ſo ſind nach
Manſo’s und Boͤttigers Behandlung der Sache 1 nur
noch folgende Bemerkungen noͤthig. Die Alten nennen
das Haupt- oder eigentlich das einzige Kleid der Do-
riſchen Jungfrau bald Himation 2, bald Chiton: das
letztre, wie aus Vergleichung der Bildwerke erhellt, mit
Recht, das erſtre nur mißbraͤuchlich darum, weil es in
Vergleich mit dem linnenen Joniſchen Chiton ein Hi-
mation ſchien. Dies Kleid, aus wollenem Zeuge, war
gaͤnzlich aͤrmellos, und mußte uͤber beiden Schultern
durch Nadel-Spangen (πόρπας, περόνας) feſtgehalten
werden, die oft von bedeutender Groͤße waren 3, waͤh-
rend die Joniſchen Frauen die Arme in laͤngere oder

χαὶη τῶν γυναικῶν ἡ αὐτὴ ἦν, τὴν νῦν Δωϱὶδα καλἐομδν. He-
rod. 5, 88. vgl. Euſt. zu Il. 5, 567. Aegin. p. 72.
1 Sparta 1, 2. S. 162. — Raub der Caſſ. S. 60.
2 So nennt ſchon Herod. 5, 87. Himatien Doriſcher Frauen als
entſprechend Joniſchen Chitonen; und die verſchiedenen Scholiaſten
zu Eurip. Hek. 933. nennen die Dor. Jungfrauen bald μονοχἰτω-
νας, bald ἀχίτωνας (fuͤr das die Stelle des Anakreon, Frgm. S. 404.
Fiſch.: ἐκδῦσα χιτῶνα δωϱιάζειν, zu abgeriſſen iſt um zu bewei-
ſen). Dieſe citirt Horos bei Etym. M. 293, 44., und benutzt au-
ßer Aelios Dionyſios (der wieder das χιτωνοφοϱεῖν als den Do-
riern eigen nennt) Euſt. zu Il. 14, 975. vgl. noch Heſych δωϱ[ – 1 Zeichen fehlt]ά-
ζειν und den Sophista anon. bei Orelli Opp. mor. 2. p. 214. —
Eurip. Andr. 599. u. Hek. a. O. nennt das Doriſche Gewand un-
genau πέπλος, vgl. Hedylos in der Palat. Anthol. 6, 292. Plut.
Kleom. 38.
3 Her. a. O. Schol. Eurip., wo ἐπιποϱπὶς die
Nadel der Spange zu ſein ſcheint.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0269" n="263"/>
ri&#x017F;che Frauentracht ungefa&#x0364;hr eben &#x017F;olche Begriffe er-<lb/>
zeugten, wie die Ro&#x0364;mi&#x017F;chen u&#x0364;ber Germani&#x017F;che &#x017F;ein<lb/>
mochten, denen Tacitus begegnet: &#x201C;die Deut&#x017F;chen Frauen<lb/>
tragen die Arme bis zur Schulter nackt, &#x017F;elb&#x017F;t der<lb/>
na&#x0364;ch&#x017F;te Theil der Bru&#x017F;t i&#x017F;t blos: <hi rendition="#g">de&#x017F;&#x017F;en ungeachter</hi><lb/>
i&#x017F;t das Eheband ihnen unverletzlich.&#x201D;</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>3.</head><lb/>
            <p>Was nun jene Tracht betrifft: &#x017F;o &#x017F;ind nach<lb/>
Man&#x017F;o&#x2019;s und Bo&#x0364;ttigers Behandlung der Sache <note place="foot" n="1">Sparta 1, 2. S. 162. &#x2014; Raub der Ca&#x017F;&#x017F;. S. 60.</note> nur<lb/>
noch folgende Bemerkungen no&#x0364;thig. Die Alten nennen<lb/>
das Haupt- oder eigentlich das einzige Kleid der Do-<lb/>
ri&#x017F;chen Jungfrau bald Himation <note place="foot" n="2">So nennt &#x017F;chon Herod. 5, 87. Himatien Dori&#x017F;cher Frauen als<lb/>
ent&#x017F;prechend Joni&#x017F;chen Chitonen; und die ver&#x017F;chiedenen Scholia&#x017F;ten<lb/>
zu Eurip. Hek. 933. nennen die Dor. Jungfrauen bald &#x03BC;&#x03BF;&#x03BD;&#x03BF;&#x03C7;&#x1F30;&#x03C4;&#x03C9;-<lb/>
&#x03BD;&#x03B1;&#x03C2;, bald &#x1F00;&#x03C7;&#x03AF;&#x03C4;&#x03C9;&#x03BD;&#x03B1;&#x03C2; (fu&#x0364;r das die Stelle des Anakreon, Frgm. S. 404.<lb/>
Fi&#x017F;ch.: &#x1F10;&#x03BA;&#x03B4;&#x1FE6;&#x03C3;&#x03B1; &#x03C7;&#x03B9;&#x03C4;&#x1FF6;&#x03BD;&#x03B1; &#x03B4;&#x03C9;&#x03F1;&#x03B9;&#x03AC;&#x03B6;&#x03B5;&#x03B9;&#x03BD;, zu abgeri&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t um zu bewei-<lb/>
&#x017F;en). Die&#x017F;e citirt Horos bei Etym. M. 293, 44., und benutzt au-<lb/>
ßer Aelios Diony&#x017F;ios (der wieder das &#x03C7;&#x03B9;&#x03C4;&#x03C9;&#x03BD;&#x03BF;&#x03C6;&#x03BF;&#x03F1;&#x03B5;&#x1FD6;&#x03BD; als den Do-<lb/>
riern eigen nennt) Eu&#x017F;t. zu Il. 14, 975. vgl. noch He&#x017F;ych &#x03B4;&#x03C9;&#x03F1;<gap unit="chars" quantity="1"/>&#x03AC;-<lb/>
&#x03B6;&#x03B5;&#x03B9;&#x03BD; und den <hi rendition="#aq">Sophista anon.</hi> bei Orelli <hi rendition="#aq">Opp. mor. 2. p.</hi> 214. &#x2014;<lb/>
Eurip. Andr. 599. u. Hek. a. O. nennt das Dori&#x017F;che Gewand un-<lb/>
genau &#x03C0;&#x03AD;&#x03C0;&#x03BB;&#x03BF;&#x03C2;, vgl. Hedylos in der Palat. Anthol. 6, 292. Plut.<lb/>
Kleom. 38.</note>, bald Chiton: das<lb/>
letztre, wie aus Vergleichung der Bildwerke erhellt, mit<lb/>
Recht, das er&#x017F;tre nur mißbra&#x0364;uchlich darum, weil es in<lb/>
Vergleich mit dem linnenen Joni&#x017F;chen Chiton ein Hi-<lb/>
mation &#x017F;chien. Dies Kleid, aus wollenem Zeuge, war<lb/>
ga&#x0364;nzlich a&#x0364;rmellos, und mußte u&#x0364;ber beiden Schultern<lb/>
durch Nadel-Spangen (&#x03C0;&#x03CC;&#x03C1;&#x03C0;&#x03B1;&#x03C2;, &#x03C0;&#x03B5;&#x03C1;&#x03CC;&#x03BD;&#x03B1;&#x03C2;) fe&#x017F;tgehalten<lb/>
werden, die oft von bedeutender Gro&#x0364;ße waren <note place="foot" n="3">Her. a. O. Schol. Eurip., wo &#x1F10;&#x03C0;&#x03B9;&#x03C0;&#x03BF;&#x03F1;&#x03C0;&#x1F76;&#x03C2; die<lb/>
Nadel der Spange zu &#x017F;ein &#x017F;cheint.</note>, wa&#x0364;h-<lb/>
rend die Joni&#x017F;chen Frauen die Arme in la&#x0364;ngere oder<lb/><note xml:id="seg2pn_29_2" prev="#seg2pn_29_1" place="foot" n="8">&#x03C7;&#x03B1;&#x1F76;&#x03B7; &#x03C4;&#x1FF6;&#x03BD; &#x03B3;&#x03C5;&#x03BD;&#x03B1;&#x03B9;&#x03BA;&#x1FF6;&#x03BD; &#x1F21; &#x03B1;&#x1F50;&#x03C4;&#x1F74; &#x1F26;&#x03BD;, &#x03C4;&#x1F74;&#x03BD; &#x03BD;&#x1FE6;&#x03BD; &#x0394;&#x03C9;&#x03F1;&#x1F76;&#x03B4;&#x03B1; &#x03BA;&#x03B1;&#x03BB;&#x1F10;&#x03BF;&#x03BC;&#x03B4;&#x03BD;. He-<lb/>
rod. 5, 88. vgl. Eu&#x017F;t. zu Il. 5, 567. <hi rendition="#aq">Aegin. p.</hi> 72.</note><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[263/0269] riſche Frauentracht ungefaͤhr eben ſolche Begriffe er- zeugten, wie die Roͤmiſchen uͤber Germaniſche ſein mochten, denen Tacitus begegnet: “die Deutſchen Frauen tragen die Arme bis zur Schulter nackt, ſelbſt der naͤchſte Theil der Bruſt iſt blos: deſſen ungeachter iſt das Eheband ihnen unverletzlich.” 3. Was nun jene Tracht betrifft: ſo ſind nach Manſo’s und Boͤttigers Behandlung der Sache 1 nur noch folgende Bemerkungen noͤthig. Die Alten nennen das Haupt- oder eigentlich das einzige Kleid der Do- riſchen Jungfrau bald Himation 2, bald Chiton: das letztre, wie aus Vergleichung der Bildwerke erhellt, mit Recht, das erſtre nur mißbraͤuchlich darum, weil es in Vergleich mit dem linnenen Joniſchen Chiton ein Hi- mation ſchien. Dies Kleid, aus wollenem Zeuge, war gaͤnzlich aͤrmellos, und mußte uͤber beiden Schultern durch Nadel-Spangen (πόρπας, περόνας) feſtgehalten werden, die oft von bedeutender Groͤße waren 3, waͤh- rend die Joniſchen Frauen die Arme in laͤngere oder 8 1 Sparta 1, 2. S. 162. — Raub der Caſſ. S. 60. 2 So nennt ſchon Herod. 5, 87. Himatien Doriſcher Frauen als entſprechend Joniſchen Chitonen; und die verſchiedenen Scholiaſten zu Eurip. Hek. 933. nennen die Dor. Jungfrauen bald μονοχἰτω- νας, bald ἀχίτωνας (fuͤr das die Stelle des Anakreon, Frgm. S. 404. Fiſch.: ἐκδῦσα χιτῶνα δωϱιάζειν, zu abgeriſſen iſt um zu bewei- ſen). Dieſe citirt Horos bei Etym. M. 293, 44., und benutzt au- ßer Aelios Dionyſios (der wieder das χιτωνοφοϱεῖν als den Do- riern eigen nennt) Euſt. zu Il. 14, 975. vgl. noch Heſych δωϱ_ά- ζειν und den Sophista anon. bei Orelli Opp. mor. 2. p. 214. — Eurip. Andr. 599. u. Hek. a. O. nennt das Doriſche Gewand un- genau πέπλος, vgl. Hedylos in der Palat. Anthol. 6, 292. Plut. Kleom. 38. 3 Her. a. O. Schol. Eurip., wo ἐπιποϱπὶς die Nadel der Spange zu ſein ſcheint. 8 χαὶη τῶν γυναικῶν ἡ αὐτὴ ἦν, τὴν νῦν Δωϱὶδα καλἐομδν. He- rod. 5, 88. vgl. Euſt. zu Il. 5, 567. Aegin. p. 72.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/269
Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/269>, abgerufen am 03.12.2024.