Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

Bild:
<< vorherige Seite

solchen zu gelangen, mehr nach innern Indicien und
Analogien verfahren müssen.

3.

Wir gehen zu diesem Zwecke von dem Richt-
amte
der Ephoren aus, in welcher Qualität uns auch
die Kyrenäischen bekannt geworden sind. Nun bestimmt
Aristoteles 1 dies Richteramt dahin, daß sie die dikas
ton sumbolaion richteten, die Gerusia dagegen alle
phonikas 2. Es war also die letztere ein hohes pein-
liches Gericht mit Gewalt über Leben und Tod; die
erstern ein Civilgericht, welches über Obligationen und
das Mein und Dein überhaupt Recht sprach. Der
Einfluß desselben auf die Spartiaten scheint nach den
gewöhnlichen Begriffen von Gütertheilung und Geld-
verkehr zu Sparta sehr gering, vielleicht geringer als
er war; aber auf jeden Fall standen auch Periöken
und Heloten, wenn sie in Sparta waren, unter dieser
Gerichtsbarkeit. -- Nun haben wir aber schon oben
auf den Grundsatz der Spartiatischen Verfassung hin-
gewiesen: daß die Jurisdiktion unter die verschiedenen
Magistrate so vertheilt war, daß die Zweige der Ver-
waltung und Gerichtsbarkeit zusammenfielen 3. Hier-
nach muß als ursprüngliches Amt der Ephoren, jenem
Richtamte zu Grunde liegend, Aufsicht über den Ver-

1 Polit. 3, 1, 7. nach welcher Stelle die Ephoren sich in
die verschiedenen Zweige dieser dikai theilen.
2 vgl. Plut.
Lak. Apophth. p. 196 H. Anaxandridas. erotontos de tinos auton,
dia ti tas peri tou thanatou dikas pleiosin emerais oi geron-
tes
krinousi. und p. 207. Eurykratidas -- puthomenou tinos, dia
ti peri ta ton sumbolaion dikaia ekastes emeras krinousin oi
ephoroi
. Hier aber scheint an dikas apo sumbolon gedacht zu sein,
wie die Antwort zeigt, aber das ist sicher ein Mißverstand.
3 Arist. 2, 8, 4. 3, 1, 7. sagt, wie mir dünkt, sehr deutlich:
daß, während in Karthago eine bestimmte Vereinigung von arkhai[ - 1 Zeichen fehlt]
alle Processe richtete, in Sparta auch nur arkhai, aber nach ihren
Departements in verschiedenen Sachen, richteten. vgl. Justin. 3, 3.
8 *

ſolchen zu gelangen, mehr nach innern Indicien und
Analogien verfahren muͤſſen.

3.

Wir gehen zu dieſem Zwecke von dem Richt-
amte
der Ephoren aus, in welcher Qualitaͤt uns auch
die Kyrenaͤiſchen bekannt geworden ſind. Nun beſtimmt
Ariſtoteles 1 dies Richteramt dahin, daß ſie die δίκας
τῶν συμβολαίων richteten, die Geruſia dagegen alle
φονικάς 2. Es war alſo die letztere ein hohes pein-
liches Gericht mit Gewalt uͤber Leben und Tod; die
erſtern ein Civilgericht, welches uͤber Obligationen und
das Mein und Dein uͤberhaupt Recht ſprach. Der
Einfluß deſſelben auf die Spartiaten ſcheint nach den
gewoͤhnlichen Begriffen von Guͤtertheilung und Geld-
verkehr zu Sparta ſehr gering, vielleicht geringer als
er war; aber auf jeden Fall ſtanden auch Perioͤken
und Heloten, wenn ſie in Sparta waren, unter dieſer
Gerichtsbarkeit. — Nun haben wir aber ſchon oben
auf den Grundſatz der Spartiatiſchen Verfaſſung hin-
gewieſen: daß die Jurisdiktion unter die verſchiedenen
Magiſtrate ſo vertheilt war, daß die Zweige der Ver-
waltung und Gerichtsbarkeit zuſammenfielen 3. Hier-
nach muß als urſpruͤngliches Amt der Ephoren, jenem
Richtamte zu Grunde liegend, Aufſicht uͤber den Ver-

1 Polit. 3, 1, 7. nach welcher Stelle die Ephoren ſich in
die verſchiedenen Zweige dieſer δίκαι theilen.
2 vgl. Plut.
Lak. Apophth. p. 196 H. Anaxandridas. ἐϱωτῶντος δέ τινος αὐτὸν,
διὰ τί τὰς πεϱὶ τοῦ ϑανάτου δίκας πλείοσιν ἡμέϱαις οἱ γέϱον-
τες
κϱίνουσι. und p. 207. Eurykratidas — πυθομένου τινὁς, διὰ
τί πεϱὶ τὰ τῶν συμβολαίων δίκαια ἑκάστης ἡμέϱας κϱίνουσιν οἱ
ἔφοϱοι
. Hier aber ſcheint an δίκας ἀπὸ συμβόλων gedacht zu ſein,
wie die Antwort zeigt, aber das iſt ſicher ein Mißverſtand.
3 Ariſt. 2, 8, 4. 3, 1, 7. ſagt, wie mir duͤnkt, ſehr deutlich:
daß, waͤhrend in Karthago eine beſtimmte Vereinigung von ἀϱχαῖ[ – 1 Zeichen fehlt]
alle Proceſſe richtete, in Sparta auch nur ἀϱχαὶ, aber nach ihren
Departements in verſchiedenen Sachen, richteten. vgl. Juſtin. 3, 3.
8 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0121" n="115"/>
&#x017F;olchen zu gelangen, mehr nach innern Indicien und<lb/>
Analogien verfahren mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>3.</head><lb/>
            <p>Wir gehen zu die&#x017F;em Zwecke von dem <hi rendition="#g">Richt-<lb/>
amte</hi> der Ephoren aus, in welcher Qualita&#x0364;t uns auch<lb/>
die Kyrena&#x0364;i&#x017F;chen bekannt geworden &#x017F;ind. Nun be&#x017F;timmt<lb/>
Ari&#x017F;toteles <note place="foot" n="1">Polit. 3, 1, 7. nach welcher Stelle die Ephoren &#x017F;ich in<lb/>
die ver&#x017F;chiedenen Zweige die&#x017F;er &#x03B4;&#x03AF;&#x03BA;&#x03B1;&#x03B9; theilen.</note> dies Richteramt dahin, daß &#x017F;ie die &#x03B4;&#x03AF;&#x03BA;&#x03B1;&#x03C2;<lb/>
&#x03C4;&#x1FF6;&#x03BD; &#x03C3;&#x03C5;&#x03BC;&#x03B2;&#x03BF;&#x03BB;&#x03B1;&#x03AF;&#x03C9;&#x03BD; richteten, die Geru&#x017F;ia dagegen alle<lb/>
&#x03C6;&#x03BF;&#x03BD;&#x03B9;&#x03BA;&#x03AC;&#x03C2; <note place="foot" n="2">vgl. Plut.<lb/>
Lak. Apophth. <hi rendition="#aq">p.</hi> 196 H. Anaxandridas. &#x1F10;&#x03F1;&#x03C9;&#x03C4;&#x1FF6;&#x03BD;&#x03C4;&#x03BF;&#x03C2; &#x03B4;&#x03AD; &#x03C4;&#x03B9;&#x03BD;&#x03BF;&#x03C2; &#x03B1;&#x1F50;&#x03C4;&#x1F78;&#x03BD;,<lb/>
&#x03B4;&#x03B9;&#x1F70; &#x03C4;&#x03AF; &#x03C4;&#x1F70;&#x03C2; &#x03C0;&#x03B5;&#x03F1;&#x1F76; &#x03C4;&#x03BF;&#x1FE6; &#x03D1;&#x03B1;&#x03BD;&#x03AC;&#x03C4;&#x03BF;&#x03C5; &#x03B4;&#x03AF;&#x03BA;&#x03B1;&#x03C2; &#x03C0;&#x03BB;&#x03B5;&#x03AF;&#x03BF;&#x03C3;&#x03B9;&#x03BD; &#x1F21;&#x03BC;&#x03AD;&#x03F1;&#x03B1;&#x03B9;&#x03C2; <hi rendition="#g">&#x03BF;&#x1F31; &#x03B3;&#x03AD;&#x03F1;&#x03BF;&#x03BD;-<lb/>
&#x03C4;&#x03B5;&#x03C2;</hi> &#x03BA;&#x03F1;&#x03AF;&#x03BD;&#x03BF;&#x03C5;&#x03C3;&#x03B9;. und <hi rendition="#aq">p.</hi> 207. Eurykratidas &#x2014; &#x03C0;&#x03C5;&#x03B8;&#x03BF;&#x03BC;&#x03AD;&#x03BD;&#x03BF;&#x03C5; &#x03C4;&#x03B9;&#x03BD;&#x1F41;&#x03C2;, &#x03B4;&#x03B9;&#x1F70;<lb/>
&#x03C4;&#x03AF; &#x03C0;&#x03B5;&#x03F1;&#x1F76; &#x03C4;&#x1F70; &#x03C4;&#x1FF6;&#x03BD; &#x03C3;&#x03C5;&#x03BC;&#x03B2;&#x03BF;&#x03BB;&#x03B1;&#x03AF;&#x03C9;&#x03BD; &#x03B4;&#x03AF;&#x03BA;&#x03B1;&#x03B9;&#x03B1; &#x1F11;&#x03BA;&#x03AC;&#x03C3;&#x03C4;&#x03B7;&#x03C2; &#x1F21;&#x03BC;&#x03AD;&#x03F1;&#x03B1;&#x03C2; &#x03BA;&#x03F1;&#x03AF;&#x03BD;&#x03BF;&#x03C5;&#x03C3;&#x03B9;&#x03BD; <hi rendition="#g">&#x03BF;&#x1F31;<lb/>
&#x1F14;&#x03C6;&#x03BF;&#x03F1;&#x03BF;&#x03B9;</hi>. Hier aber &#x017F;cheint an &#x03B4;&#x03AF;&#x03BA;&#x03B1;&#x03C2; &#x1F00;&#x03C0;&#x1F78; &#x03C3;&#x03C5;&#x03BC;&#x03B2;&#x03CC;&#x03BB;&#x03C9;&#x03BD; gedacht zu &#x017F;ein,<lb/>
wie die Antwort zeigt, aber das i&#x017F;t &#x017F;icher ein Mißver&#x017F;tand.</note>. Es war al&#x017F;o die letztere ein hohes pein-<lb/>
liches Gericht mit Gewalt u&#x0364;ber Leben und Tod; die<lb/>
er&#x017F;tern ein Civilgericht, welches u&#x0364;ber Obligationen und<lb/>
das Mein und Dein u&#x0364;berhaupt Recht &#x017F;prach. Der<lb/>
Einfluß de&#x017F;&#x017F;elben auf die Spartiaten &#x017F;cheint nach den<lb/>
gewo&#x0364;hnlichen Begriffen von Gu&#x0364;tertheilung und Geld-<lb/>
verkehr zu Sparta &#x017F;ehr gering, vielleicht geringer als<lb/>
er war; aber auf jeden Fall &#x017F;tanden auch Perio&#x0364;ken<lb/>
und Heloten, wenn &#x017F;ie in Sparta waren, unter die&#x017F;er<lb/>
Gerichtsbarkeit. &#x2014; Nun haben wir aber &#x017F;chon oben<lb/>
auf den Grund&#x017F;atz der Spartiati&#x017F;chen Verfa&#x017F;&#x017F;ung hin-<lb/>
gewie&#x017F;en: daß die Jurisdiktion unter die ver&#x017F;chiedenen<lb/>
Magi&#x017F;trate &#x017F;o vertheilt war, daß die Zweige der Ver-<lb/>
waltung und Gerichtsbarkeit zu&#x017F;ammenfielen <note place="foot" n="3">Ari&#x017F;t. 2, 8, 4. 3, 1, 7. &#x017F;agt, wie mir du&#x0364;nkt, &#x017F;ehr deutlich:<lb/>
daß, wa&#x0364;hrend in Karthago eine be&#x017F;timmte Vereinigung von &#x1F00;&#x03F1;&#x03C7;&#x03B1;&#x1FD6;<gap unit="chars" quantity="1"/><lb/>
alle Proce&#x017F;&#x017F;e richtete, in Sparta auch nur &#x1F00;&#x03F1;&#x03C7;&#x03B1;&#x1F76;, aber nach ihren<lb/>
Departements in ver&#x017F;chiedenen Sachen, richteten. vgl. Ju&#x017F;tin. 3, 3.</note>. Hier-<lb/>
nach muß als ur&#x017F;pru&#x0364;ngliches Amt der Ephoren, jenem<lb/>
Richtamte zu Grunde liegend, Auf&#x017F;icht u&#x0364;ber den Ver-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">8 *</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[115/0121] ſolchen zu gelangen, mehr nach innern Indicien und Analogien verfahren muͤſſen. 3. Wir gehen zu dieſem Zwecke von dem Richt- amte der Ephoren aus, in welcher Qualitaͤt uns auch die Kyrenaͤiſchen bekannt geworden ſind. Nun beſtimmt Ariſtoteles 1 dies Richteramt dahin, daß ſie die δίκας τῶν συμβολαίων richteten, die Geruſia dagegen alle φονικάς 2. Es war alſo die letztere ein hohes pein- liches Gericht mit Gewalt uͤber Leben und Tod; die erſtern ein Civilgericht, welches uͤber Obligationen und das Mein und Dein uͤberhaupt Recht ſprach. Der Einfluß deſſelben auf die Spartiaten ſcheint nach den gewoͤhnlichen Begriffen von Guͤtertheilung und Geld- verkehr zu Sparta ſehr gering, vielleicht geringer als er war; aber auf jeden Fall ſtanden auch Perioͤken und Heloten, wenn ſie in Sparta waren, unter dieſer Gerichtsbarkeit. — Nun haben wir aber ſchon oben auf den Grundſatz der Spartiatiſchen Verfaſſung hin- gewieſen: daß die Jurisdiktion unter die verſchiedenen Magiſtrate ſo vertheilt war, daß die Zweige der Ver- waltung und Gerichtsbarkeit zuſammenfielen 3. Hier- nach muß als urſpruͤngliches Amt der Ephoren, jenem Richtamte zu Grunde liegend, Aufſicht uͤber den Ver- 1 Polit. 3, 1, 7. nach welcher Stelle die Ephoren ſich in die verſchiedenen Zweige dieſer δίκαι theilen. 2 vgl. Plut. Lak. Apophth. p. 196 H. Anaxandridas. ἐϱωτῶντος δέ τινος αὐτὸν, διὰ τί τὰς πεϱὶ τοῦ ϑανάτου δίκας πλείοσιν ἡμέϱαις οἱ γέϱον- τες κϱίνουσι. und p. 207. Eurykratidas — πυθομένου τινὁς, διὰ τί πεϱὶ τὰ τῶν συμβολαίων δίκαια ἑκάστης ἡμέϱας κϱίνουσιν οἱ ἔφοϱοι. Hier aber ſcheint an δίκας ἀπὸ συμβόλων gedacht zu ſein, wie die Antwort zeigt, aber das iſt ſicher ein Mißverſtand. 3 Ariſt. 2, 8, 4. 3, 1, 7. ſagt, wie mir duͤnkt, ſehr deutlich: daß, waͤhrend in Karthago eine beſtimmte Vereinigung von ἀϱχαῖ_ alle Proceſſe richtete, in Sparta auch nur ἀϱχαὶ, aber nach ihren Departements in verſchiedenen Sachen, richteten. vgl. Juſtin. 3, 3. 8 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/121
Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/121>, abgerufen am 21.11.2024.