Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

Bild:
<< vorherige Seite

Amyklä, bestand. Was sich daher um die Naupakti-
sche Ueberfahrt dreht, möchte ein andrer, vermuthlich
Akarnanischer 1, Zweig der Apolloreligion sein, der
sich aber hernach mit den Karneen amalgamirte, woraus
sich denn mehrere Aussagen der Alten erkiären würden.
Die alten Götterdienste und Feste sind oft in der That
so kombinirt und verschlungen, daß man zu ihrer Her-
leitung mehrfache Anfänge zusammennehmen muß.

9.

Eine höchst seltsame, aber um desto sicherer
alte Einkleidung hat die Mythe der Verbindung der
Dorier mit den Aetolern gegeben. Diese Einigung,
welche zum Uebergange von Naupaktos durchaus nö-
thig war, da die hier sich Einschiffenden nahe an Ka-
lydon vorbeigezogen sein mußten, liegt auch in andern
Sagen: wie es denn überhaupt Charakter der Sage
ist, dasselbe auf mancherlei Weise zu sagen. Dahin
gehört die Vermählung des Herakles mit der Deianei-
ra, der Tochter des Kalydonier Oeneus 2. Jetzt wird
den Dorien vom Orakel geboten, den Dreiäugigen als
Führer zu suchen. Sie erkennen ihn in dem Aetoler
Oxylos, der entweder selbst einäugig auf einem Pferde
sitzt, oder nur auf einem einäugigen Maulesel reitet.
So schwer es ist, sich bei dieser Auflösung des Orakels
zu beruhigen, weil ein so zufälliger Umstand ohne Be-
deutung für das Ganze ist: so scheint es doch unmög-
lich, die wahre Meinung des triophthalmos aufzufin-
den 3. Es war diese Bezeichnung des Aetolerstamms

1 Akarnanische Weissager waren noch später bei Thermopylä,
Herod. 8, 221. bei Peisistratos, und sonst.
2 Und des Pleuron
mit der Xanthippe des Doros, Apolld. 1, 7, 7., obgleich auch
Aetolos den Apollosohn Doros tödtet, 1, 7, 6.
3 Verehrten
etwa die Aetoler seit alten Zeiten den Zeus triophthalmos, den
Sthenelos der Aetoler von Ilion brachte nach Paus. 2, 24, 5.?

Amyklaͤ, beſtand. Was ſich daher um die Naupakti-
ſche Ueberfahrt dreht, moͤchte ein andrer, vermuthlich
Akarnaniſcher 1, Zweig der Apolloreligion ſein, der
ſich aber hernach mit den Karneen amalgamirte, woraus
ſich denn mehrere Ausſagen der Alten erkiaͤren wuͤrden.
Die alten Goͤtterdienſte und Feſte ſind oft in der That
ſo kombinirt und verſchlungen, daß man zu ihrer Her-
leitung mehrfache Anfaͤnge zuſammennehmen muß.

9.

Eine hoͤchſt ſeltſame, aber um deſto ſicherer
alte Einkleidung hat die Mythe der Verbindung der
Dorier mit den Aetolern gegeben. Dieſe Einigung,
welche zum Uebergange von Naupaktos durchaus noͤ-
thig war, da die hier ſich Einſchiffenden nahe an Ka-
lydon vorbeigezogen ſein mußten, liegt auch in andern
Sagen: wie es denn uͤberhaupt Charakter der Sage
iſt, daſſelbe auf mancherlei Weiſe zu ſagen. Dahin
gehoͤrt die Vermaͤhlung des Herakles mit der Deianei-
ra, der Tochter des Kalydonier Oeneus 2. Jetzt wird
den Dorien vom Orakel geboten, den Dreiaͤugigen als
Fuͤhrer zu ſuchen. Sie erkennen ihn in dem Aetoler
Oxylos, der entweder ſelbſt einaͤugig auf einem Pferde
ſitzt, oder nur auf einem einaͤugigen Mauleſel reitet.
So ſchwer es iſt, ſich bei dieſer Aufloͤſung des Orakels
zu beruhigen, weil ein ſo zufaͤlliger Umſtand ohne Be-
deutung fuͤr das Ganze iſt: ſo ſcheint es doch unmoͤg-
lich, die wahre Meinung des τριόφϑαλμος aufzufin-
den 3. Es war dieſe Bezeichnung des Aetolerſtamms

1 Akarnaniſche Weiſſager waren noch ſpaͤter bei Thermopylaͤ,
Herod. 8, 221. bei Peiſiſtratos, und ſonſt.
2 Und des Pleuron
mit der Xanthippe des Doros, Apolld. 1, 7, 7., obgleich auch
Aetolos den Apolloſohn Doros toͤdtet, 1, 7, 6.
3 Verehrten
etwa die Aetoler ſeit alten Zeiten den Ζεὺς τϱιόφϑαλμος, den
Sthenelos der Aetoler von Ilion brachte nach Pauſ. 2, 24, 5.?
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0091" n="61"/>
Amykla&#x0364;, be&#x017F;tand. Was &#x017F;ich daher um die Naupakti-<lb/>
&#x017F;che Ueberfahrt dreht, mo&#x0364;chte ein andrer, vermuthlich<lb/>
Akarnani&#x017F;cher <note place="foot" n="1">Akarnani&#x017F;che Wei&#x017F;&#x017F;ager waren noch &#x017F;pa&#x0364;ter bei Thermopyla&#x0364;,<lb/>
Herod. 8, 221. bei Pei&#x017F;i&#x017F;tratos, und &#x017F;on&#x017F;t.</note>, Zweig der Apolloreligion &#x017F;ein, der<lb/>
&#x017F;ich aber hernach mit den Karneen amalgamirte, woraus<lb/>
&#x017F;ich denn mehrere Aus&#x017F;agen der Alten erkia&#x0364;ren wu&#x0364;rden.<lb/>
Die alten Go&#x0364;tterdien&#x017F;te und Fe&#x017F;te &#x017F;ind oft in der That<lb/>
&#x017F;o kombinirt und ver&#x017F;chlungen, daß man zu ihrer Her-<lb/>
leitung mehrfache Anfa&#x0364;nge zu&#x017F;ammennehmen muß.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>9.</head><lb/>
            <p>Eine ho&#x0364;ch&#x017F;t &#x017F;elt&#x017F;ame, aber um de&#x017F;to &#x017F;icherer<lb/>
alte Einkleidung hat die Mythe der Verbindung der<lb/>
Dorier mit den Aetolern gegeben. Die&#x017F;e Einigung,<lb/>
welche zum Uebergange von Naupaktos durchaus no&#x0364;-<lb/>
thig war, da die hier &#x017F;ich Ein&#x017F;chiffenden nahe an Ka-<lb/>
lydon vorbeigezogen &#x017F;ein mußten, liegt auch in andern<lb/>
Sagen: wie es denn u&#x0364;berhaupt Charakter der Sage<lb/>
i&#x017F;t, da&#x017F;&#x017F;elbe auf mancherlei Wei&#x017F;e zu &#x017F;agen. Dahin<lb/>
geho&#x0364;rt die Verma&#x0364;hlung des Herakles mit der Deianei-<lb/>
ra, der Tochter des Kalydonier Oeneus <note place="foot" n="2">Und des Pleuron<lb/>
mit der Xanthippe des Doros, Apolld. 1, 7, 7., obgleich auch<lb/>
Aetolos den Apollo&#x017F;ohn Doros to&#x0364;dtet, 1, 7, 6.</note>. Jetzt wird<lb/>
den Dorien vom Orakel geboten, den Dreia&#x0364;ugigen als<lb/>
Fu&#x0364;hrer zu &#x017F;uchen. Sie erkennen ihn in dem Aetoler<lb/>
Oxylos, der entweder &#x017F;elb&#x017F;t eina&#x0364;ugig auf einem Pferde<lb/>
&#x017F;itzt, oder nur auf einem eina&#x0364;ugigen Maule&#x017F;el reitet.<lb/>
So &#x017F;chwer es i&#x017F;t, &#x017F;ich bei die&#x017F;er Auflo&#x0364;&#x017F;ung des Orakels<lb/>
zu beruhigen, weil ein &#x017F;o zufa&#x0364;lliger Um&#x017F;tand ohne Be-<lb/>
deutung fu&#x0364;r das Ganze i&#x017F;t: &#x017F;o &#x017F;cheint es doch unmo&#x0364;g-<lb/>
lich, die wahre Meinung des &#x03C4;&#x03C1;&#x03B9;&#x03CC;&#x03C6;&#x03D1;&#x03B1;&#x03BB;&#x03BC;&#x03BF;&#x03C2; aufzufin-<lb/>
den <note place="foot" n="3">Verehrten<lb/>
etwa die Aetoler &#x017F;eit alten Zeiten den &#x0396;&#x03B5;&#x1F7A;&#x03C2; &#x03C4;&#x03F1;&#x03B9;&#x03CC;&#x03C6;&#x03D1;&#x03B1;&#x03BB;&#x03BC;&#x03BF;&#x03C2;, den<lb/>
Sthenelos der Aetoler von Ilion brachte nach Pau&#x017F;. 2, 24, 5.?</note>. Es war die&#x017F;e Bezeichnung des Aetoler&#x017F;tamms<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[61/0091] Amyklaͤ, beſtand. Was ſich daher um die Naupakti- ſche Ueberfahrt dreht, moͤchte ein andrer, vermuthlich Akarnaniſcher 1, Zweig der Apolloreligion ſein, der ſich aber hernach mit den Karneen amalgamirte, woraus ſich denn mehrere Ausſagen der Alten erkiaͤren wuͤrden. Die alten Goͤtterdienſte und Feſte ſind oft in der That ſo kombinirt und verſchlungen, daß man zu ihrer Her- leitung mehrfache Anfaͤnge zuſammennehmen muß. 9. Eine hoͤchſt ſeltſame, aber um deſto ſicherer alte Einkleidung hat die Mythe der Verbindung der Dorier mit den Aetolern gegeben. Dieſe Einigung, welche zum Uebergange von Naupaktos durchaus noͤ- thig war, da die hier ſich Einſchiffenden nahe an Ka- lydon vorbeigezogen ſein mußten, liegt auch in andern Sagen: wie es denn uͤberhaupt Charakter der Sage iſt, daſſelbe auf mancherlei Weiſe zu ſagen. Dahin gehoͤrt die Vermaͤhlung des Herakles mit der Deianei- ra, der Tochter des Kalydonier Oeneus 2. Jetzt wird den Dorien vom Orakel geboten, den Dreiaͤugigen als Fuͤhrer zu ſuchen. Sie erkennen ihn in dem Aetoler Oxylos, der entweder ſelbſt einaͤugig auf einem Pferde ſitzt, oder nur auf einem einaͤugigen Mauleſel reitet. So ſchwer es iſt, ſich bei dieſer Aufloͤſung des Orakels zu beruhigen, weil ein ſo zufaͤlliger Umſtand ohne Be- deutung fuͤr das Ganze iſt: ſo ſcheint es doch unmoͤg- lich, die wahre Meinung des τριόφϑαλμος aufzufin- den 3. Es war dieſe Bezeichnung des Aetolerſtamms 1 Akarnaniſche Weiſſager waren noch ſpaͤter bei Thermopylaͤ, Herod. 8, 221. bei Peiſiſtratos, und ſonſt. 2 Und des Pleuron mit der Xanthippe des Doros, Apolld. 1, 7, 7., obgleich auch Aetolos den Apolloſohn Doros toͤdtet, 1, 7, 6. 3 Verehrten etwa die Aetoler ſeit alten Zeiten den Ζεὺς τϱιόφϑαλμος, den Sthenelos der Aetoler von Ilion brachte nach Pauſ. 2, 24, 5.?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/91
Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/91>, abgerufen am 21.11.2024.