Hieran knüpft sich eine verwandte Frage: warum und inwieweit auch die Musik zu den Ehren- ämtern (timais) des Apollon gehöre. Aus den Dich- tern muß man nicht zu viel schließen. Bei den Aeltern bildet er auf der Kithar (Phorminx) spielend oft den Mittelpunkt eines singenden und tanzenden Musen- Chors 1, an deren Stelle im Hymnus auf den Pythi- schen Gott zehn Götterfrauen gesetzt sind, unter denen Ares und Hermes wie die Kretischen kubisteteres um- herspringen, während Phöbos in schöngewebtem Ge- wande zugleich spielt und mit schnellem Schwunge der Füße tanzt: denn auch als Tänzer wird der Gott ge- dacht, wie bei Pindar:
Tanzgott, König der Mahlesfreude, bogenbewehrter Phöbos 2.
Aber aus dieser dichterischen Zusammenstellung darf man keinesweges auf Einheit oder Verbindung der Musen und des Apollon im Cultus schließen, welche durchaus nicht nachweisbar ist: vielmehr hat der Dienst der erstern eine ganz andere Geschichte 3 und andere Lokale als der letztere. Auch ist der Gott bei den äl- teren gar nicht, wie es die Musen sind, Vorstand der Dichter, und wird nie angerufen, um dichterische Be- geisterung zu verleihn: nur die Kitharisten sind unter seiner Obhut. Die Kithar war sein Attribut auf vie- len alten Standbildern 4, wie auch auf Delphischen Münzen, sie ist sein altes Eigenthum; die dumpfer tö- nende Lyra mit dem gewölbten Schallboden hat er erst
1 Il. 1, 602. Hesiod Schild 200. vgl. Heinrich. So auch auf dem Kasten des Kypselos mit den Versen bei Paus. 5, 18, 1. und bei Pind. N. 5, 24.
2 Fragm. Böckh 115. -- Man sieht den Knaben Ap. selbst um den Dreifuß tanzend auf einer Münze von Kos (Mionnet 3. S. 401.)
3 Bd. 1. S. 381.
4 S. z. B. Athen. 14. S. 636 e. -- Daher Kitharos Fisch des Ap. Apolld. Fr. S. 395. H.
10.
Hieran knuͤpft ſich eine verwandte Frage: warum und inwieweit auch die Muſik zu den Ehren- aͤmtern (τιμαῖς) des Apollon gehoͤre. Aus den Dich- tern muß man nicht zu viel ſchließen. Bei den Aeltern bildet er auf der Kithar (Phorminx) ſpielend oft den Mittelpunkt eines ſingenden und tanzenden Muſen- Chors 1, an deren Stelle im Hymnus auf den Pythi- ſchen Gott zehn Goͤtterfrauen geſetzt ſind, unter denen Ares und Hermes wie die Kretiſchen κυβιστητῆρες um- herſpringen, waͤhrend Phoͤbos in ſchoͤngewebtem Ge- wande zugleich ſpielt und mit ſchnellem Schwunge der Fuͤße tanzt: denn auch als Taͤnzer wird der Gott ge- dacht, wie bei Pindar:
Tanzgott, Koͤnig der Mahlesfreude, bogenbewehrter Phoͤbos 2.
Aber aus dieſer dichteriſchen Zuſammenſtellung darf man keinesweges auf Einheit oder Verbindung der Muſen und des Apollon im Cultus ſchließen, welche durchaus nicht nachweisbar iſt: vielmehr hat der Dienſt der erſtern eine ganz andere Geſchichte 3 und andere Lokale als der letztere. Auch iſt der Gott bei den aͤl- teren gar nicht, wie es die Muſen ſind, Vorſtand der Dichter, und wird nie angerufen, um dichteriſche Be- geiſterung zu verleihn: nur die Kithariſten ſind unter ſeiner Obhut. Die Kithar war ſein Attribut auf vie- len alten Standbildern 4, wie auch auf Delphiſchen Muͤnzen, ſie iſt ſein altes Eigenthum; die dumpfer toͤ- nende Lyra mit dem gewoͤlbten Schallboden hat er erſt
1 Il. 1, 602. Heſiod Schild 200. vgl. Heinrich. So auch auf dem Kaſten des Kypſelos mit den Verſen bei Pauſ. 5, 18, 1. und bei Pind. N. 5, 24.
2 Fragm. Boͤckh 115. — Man ſieht den Knaben Ap. ſelbſt um den Dreifuß tanzend auf einer Muͤnze von Kos (Mionnet 3. S. 401.)
3 Bd. 1. S. 381.
4 S. z. B. Athen. 14. S. 636 e. — Daher Κίθαϱος Fiſch des Ap. Apolld. Fr. S. 395. H.
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10.
Hieran knuͤpft ſich eine verwandte Frage:
warum und inwieweit auch die Muſik zu den Ehren-
aͤmtern (τιμαῖς) des Apollon gehoͤre. Aus den Dich-
tern muß man nicht zu viel ſchließen. Bei den Aeltern
bildet er auf der Kithar (Phorminx) ſpielend oft den
Mittelpunkt eines ſingenden und tanzenden Muſen-
Chors 1, an deren Stelle im Hymnus auf den Pythi-
ſchen Gott zehn Goͤtterfrauen geſetzt ſind, unter denen
Ares und Hermes wie die Kretiſchen κυβιστητῆρες um-
herſpringen, waͤhrend Phoͤbos in ſchoͤngewebtem Ge-
wande zugleich ſpielt und mit ſchnellem Schwunge der
Fuͤße tanzt: denn auch als Taͤnzer wird der Gott ge-
dacht, wie bei Pindar:
Tanzgott, Koͤnig der Mahlesfreude, bogenbewehrter Phoͤbos 2.
Aber aus dieſer dichteriſchen Zuſammenſtellung darf
man keinesweges auf Einheit oder Verbindung der
Muſen und des Apollon im Cultus ſchließen, welche
durchaus nicht nachweisbar iſt: vielmehr hat der Dienſt
der erſtern eine ganz andere Geſchichte 3 und andere
Lokale als der letztere. Auch iſt der Gott bei den aͤl-
teren gar nicht, wie es die Muſen ſind, Vorſtand der
Dichter, und wird nie angerufen, um dichteriſche Be-
geiſterung zu verleihn: nur die Kithariſten ſind unter
ſeiner Obhut. Die Kithar war ſein Attribut auf vie-
len alten Standbildern 4, wie auch auf Delphiſchen
Muͤnzen, ſie iſt ſein altes Eigenthum; die dumpfer toͤ-
nende Lyra mit dem gewoͤlbten Schallboden hat er erſt
1 Il. 1, 602. Heſiod Schild 200. vgl. Heinrich. So auch
auf dem Kaſten des Kypſelos mit den Verſen bei Pauſ. 5, 18, 1.
und bei Pind. N. 5, 24.
2 Fragm. Boͤckh 115. — Man
ſieht den Knaben Ap. ſelbſt um den Dreifuß tanzend auf einer
Muͤnze von Kos (Mionnet 3. S. 401.)
3 Bd. 1. S. 381.
4 S. z. B. Athen. 14. S. 636 e. — Daher Κίθαϱος Fiſch
des Ap. Apolld. Fr. S. 395. H.
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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/372>, abgerufen am 22.02.2025.
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