dem alten Brauch entgegen, ohne Gesang mit Flöten, Kitharn, Trompeten ausführte. Damals war die Dar- stellung desselben ein Meisterstück von Virtuosen und ein Kunstwerk für sich: ehemals wohl nur ein noth- wendiger Theil des Ganzen, so daß der Delphische Knabe, welchem die Rolle des Apollon bei dem Kampfe mit Python übertragen war, auch den einheimischen Chor beim Päan und Triumphtanze anführte. -- Von diesen Festdarstellungen haben wir ziemlich ausführliche Nachrichten, aber leider zu späte, als daß sie uns die ältere und ächtere Weise derselben überliefern könn- ten. Zu Plutarchs 1 Zeit wurde bei jeder achtjähri- gen cyclischen Feier 2 auf einem Hofe (alos) nicht ein höhlenartiges Schlangenlager, sondern eine Nachbildung eines fürstlichen Hauses errichtet (kalias). Durch ei- nen heimlichen Weg (Doloneia) führten darauf Frauen eines Delphischen Geschlechts 3 einen Knaben, dem weder Vater noch Mutter gestorben, mit angezündeten Fackeln hinein, und flohen dann, den Tisch umwerfend und das Haus ansteckend, durch die Thüre davon.
8.
Obgleich nun die Erlegung des Python als Triumph der höhern und göttlichen Kraft erscheint: so wird doch der erlegende Gott als befleckt von dem Blute des Ungethüms gedacht, und muß eine Reihe von Trübsalen und Leiden durchwandern. Die Cultussage ließ ihn gleich nach der That den heiligen Weg nach
1Qu. Gr. 12. p. 383. de def. or. 14. 21. p. 323. 333. H.
2 Orchomenos S. 220., wozu ich aber bemerke, daß die treis ennaeterides kata to exes nicht 24 Jahre bedeuten sollen, son- dern drei alle acht Jahr unmittelbar hintereinander gefeierte Feste, wie die Stellen selbst beweisen.
3 Schreibe bei Plut. de def. 14. ephodos EI AI OLEILI (und eben so bei Hesych aioda) ton amphithale koron -- agousi; so daß dann die Frauen denselben Namen hatten wie die Orchomenischen, Bd. 1. S. 166.
dem alten Brauch entgegen, ohne Geſang mit Floͤten, Kitharn, Trompeten ausfuͤhrte. Damals war die Dar- ſtellung deſſelben ein Meiſterſtuͤck von Virtuoſen und ein Kunſtwerk fuͤr ſich: ehemals wohl nur ein noth- wendiger Theil des Ganzen, ſo daß der Delphiſche Knabe, welchem die Rolle des Apollon bei dem Kampfe mit Python uͤbertragen war, auch den einheimiſchen Chor beim Paͤan und Triumphtanze anfuͤhrte. — Von dieſen Feſtdarſtellungen haben wir ziemlich ausfuͤhrliche Nachrichten, aber leider zu ſpaͤte, als daß ſie uns die aͤltere und aͤchtere Weiſe derſelben uͤberliefern koͤnn- ten. Zu Plutarchs 1 Zeit wurde bei jeder achtjaͤhri- gen cycliſchen Feier 2 auf einem Hofe (ἅλως) nicht ein hoͤhlenartiges Schlangenlager, ſondern eine Nachbildung eines fuͤrſtlichen Hauſes errichtet (καλιάς). Durch ei- nen heimlichen Weg (Δολωνεία) fuͤhrten darauf Frauen eines Delphiſchen Geſchlechts 3 einen Knaben, dem weder Vater noch Mutter geſtorben, mit angezuͤndeten Fackeln hinein, und flohen dann, den Tiſch umwerfend und das Haus anſteckend, durch die Thuͤre davon.
8.
Obgleich nun die Erlegung des Python als Triumph der hoͤhern und goͤttlichen Kraft erſcheint: ſo wird doch der erlegende Gott als befleckt von dem Blute des Ungethuͤms gedacht, und muß eine Reihe von Truͤbſalen und Leiden durchwandern. Die Cultusſage ließ ihn gleich nach der That den heiligen Weg nach
1Qu. Gr. 12. p. 383. de def. or. 14. 21. p. 323. 333. H.
2 Orchomenos S. 220., wozu ich aber bemerke, daß die τϱεῖς ἐνναετηϱὶδες κατὰ τὸ ἑξῆς nicht 24 Jahre bedeuten ſollen, ſon- dern drei alle acht Jahr unmittelbar hintereinander gefeierte Feſte, wie die Stellen ſelbſt beweiſen.
3 Schreibe bei Plut. de def. 14. ἔφοδος ΗΙ ΑΙ ΟΛΕΙΛΙ (und eben ſo bei Heſych αἰόδα) τὸν ἀμφιϑαλῆ κόϱον — ἄγουσι; ſo daß dann die Frauen denſelben Namen hatten wie die Orchomeniſchen, Bd. 1. S. 166.
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dem alten Brauch entgegen, ohne Geſang mit Floͤten,
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ein Kunſtwerk fuͤr ſich: ehemals wohl nur ein noth-
wendiger Theil des Ganzen, ſo daß der Delphiſche
Knabe, welchem die Rolle des Apollon bei dem Kampfe
mit Python uͤbertragen war, auch den einheimiſchen
Chor beim Paͤan und Triumphtanze anfuͤhrte. — Von
dieſen Feſtdarſtellungen haben wir ziemlich ausfuͤhrliche
Nachrichten, aber leider zu ſpaͤte, als daß ſie uns
die aͤltere und aͤchtere Weiſe derſelben uͤberliefern koͤnn-
ten. Zu Plutarchs 1 Zeit wurde bei jeder achtjaͤhri-
gen cycliſchen Feier 2 auf einem Hofe (ἅλως) nicht ein
hoͤhlenartiges Schlangenlager, ſondern eine Nachbildung
eines fuͤrſtlichen Hauſes errichtet (καλιάς). Durch ei-
nen heimlichen Weg (Δολωνεία) fuͤhrten darauf Frauen
eines Delphiſchen Geſchlechts 3 einen Knaben, dem weder
Vater noch Mutter geſtorben, mit angezuͤndeten Fackeln
hinein, und flohen dann, den Tiſch umwerfend und
das Haus anſteckend, durch die Thuͤre davon.
8.
Obgleich nun die Erlegung des Python als
Triumph der hoͤhern und goͤttlichen Kraft erſcheint: ſo
wird doch der erlegende Gott als befleckt von dem Blute
des Ungethuͤms gedacht, und muß eine Reihe von
Truͤbſalen und Leiden durchwandern. Die Cultusſage
ließ ihn gleich nach der That den heiligen Weg nach
1 Qu. Gr. 12. p. 383. de def. or. 14. 21. p. 323. 333. H.
2 Orchomenos S. 220., wozu ich aber bemerke, daß die τϱεῖς
ἐνναετηϱὶδες κατὰ τὸ ἑξῆς nicht 24 Jahre bedeuten ſollen, ſon-
dern drei alle acht Jahr unmittelbar hintereinander gefeierte Feſte,
wie die Stellen ſelbſt beweiſen.
3 Schreibe bei Plut. de def.
14. ἔφοδος ΗΙ ΑΙ ΟΛΕΙΛΙ (und eben ſo bei Heſych αἰόδα) τὸν
ἀμφιϑαλῆ κόϱον — ἄγουσι; ſo daß dann die Frauen denſelben
Namen hatten wie die Orchomeniſchen, Bd. 1. S. 166.
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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/349>, abgerufen am 22.02.2025.
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