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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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haupt nicht unmittelbar auf die Welt einwirkend ge-
dacht. Sondern für das Menschenleben ist Apollon,
der oft mit Nachdruck Zeus Sohn genannt wird 1,
sein Stellvertreter, Gesandter und Prophet 2. Wäh-
rend jener als im Aether wohnend nur unbestimmt und
in weiter Ferne erschien; mußte Apollon in bestimmter
Darstellung mit klarer Persönlichkeit als göttlicher He-
ros auftreten, um dem Bösen und Ungeheuren zu weh-
ren, Sühnungen einzusetzen, und die Ordnungen des
Geschicks zu verkünden. Wir wollen diese Gedanken
einzeln im Delischen und Delphischen Mythus nach-
weisen.

2.

Freilich wurde die Sage von der Geburt Apol-
lons auf Delos zwar von den Joniern und Athenern,
aber weder von den Delphern noch den Böotern noch
auch den Peloponnesiern anerkannt. Denn wie wären
diese dann so gleichgültig gegen das Heiligthum gewe-
sen, als sie sich wirklich zeigen. Indeß hatten die
Delier doch nur die ursprünglich Kretischen Sagen bei
sich lokalisirt und ausgebildet, die wieder aus Grund-
gedanken des Cultus hervorgegangen waren.

Mit der Zeit wurde Apollon geboren, sagt Pin-
dar 4, auf die vielen Hindernisse und Verzöge-
rungen der Geburt deutend. Ein feindliches Wesen
stellte sich ihr entgegen: dasselbe, welches aus den Tie-
fen des Tartaros heraus den Typhaon erzeugt und der
3)

1 Ekatos Dios uios Alkman bei Hephäst. S. 66. Gaisf.
2 Aesch. Eum. 19. vgl. Iereiai bei Macr. S. 5, 22. Schol.
Soph. Oed. K. 791. Sophokl. El. 660.
4 bei Klem. Al. Str. 1.
p. 383. Potter.
3) Ueber die Aus-
nahme der Messenier s. oben S. 136, 2. Von der Geburtsstätte zu Te-
gyra S. 234. Auch zu Amphigeneia in Triphylien sollte Ap. ge-
beren sein, Steph. B. Tempel der Leto daselbst. Str. 8, 349.
Antimach. 78. S. 111. Schell.

haupt nicht unmittelbar auf die Welt einwirkend ge-
dacht. Sondern fuͤr das Menſchenleben iſt Apollon,
der oft mit Nachdruck Zeus Sohn genannt wird 1,
ſein Stellvertreter, Geſandter und Prophet 2. Waͤh-
rend jener als im Aether wohnend nur unbeſtimmt und
in weiter Ferne erſchien; mußte Apollon in beſtimmter
Darſtellung mit klarer Perſoͤnlichkeit als goͤttlicher He-
ros auftreten, um dem Boͤſen und Ungeheuren zu weh-
ren, Suͤhnungen einzuſetzen, und die Ordnungen des
Geſchicks zu verkuͤnden. Wir wollen dieſe Gedanken
einzeln im Deliſchen und Delphiſchen Mythus nach-
weiſen.

2.

Freilich wurde die Sage von der Geburt Apol-
lons auf Delos zwar von den Joniern und Athenern,
aber weder von den Delphern noch den Boͤotern noch
auch den Peloponneſiern anerkannt. Denn wie waͤren
dieſe dann ſo gleichguͤltig gegen das Heiligthum gewe-
ſen, als ſie ſich wirklich zeigen. Indeß hatten die
Delier doch nur die urſpruͤnglich Kretiſchen Sagen bei
ſich lokaliſirt und ausgebildet, die wieder aus Grund-
gedanken des Cultus hervorgegangen waren.

Mit der Zeit wurde Apollon geboren, ſagt Pin-
dar 4, auf die vielen Hinderniſſe und Verzoͤge-
rungen der Geburt deutend. Ein feindliches Weſen
ſtellte ſich ihr entgegen: daſſelbe, welches aus den Tie-
fen des Tartaros heraus den Typhaon erzeugt und der
3)

1 Ἕκατος Διὸς υἱός Alkman bei Hephaͤſt. S. 66. Gaisf.
2 Aeſch. Eum. 19. vgl. Ἱἐϱειαι bei Macr. S. 5, 22. Schol.
Soph. Oed. K. 791. Sophokl. El. 660.
4 bei Klem. Al. Str. 1.
p. 383. Potter.
3) Ueber die Aus-
nahme der Meſſenier ſ. oben S. 136, 2. Von der Geburtsſtaͤtte zu Te-
gyra S. 234. Auch zu Amphigeneia in Triphylien ſollte Ap. ge-
beren ſein, Steph. B. Tempel der Leto daſelbſt. Str. 8, 349.
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[309/0339] haupt nicht unmittelbar auf die Welt einwirkend ge- dacht. Sondern fuͤr das Menſchenleben iſt Apollon, der oft mit Nachdruck Zeus Sohn genannt wird 1, ſein Stellvertreter, Geſandter und Prophet 2. Waͤh- rend jener als im Aether wohnend nur unbeſtimmt und in weiter Ferne erſchien; mußte Apollon in beſtimmter Darſtellung mit klarer Perſoͤnlichkeit als goͤttlicher He- ros auftreten, um dem Boͤſen und Ungeheuren zu weh- ren, Suͤhnungen einzuſetzen, und die Ordnungen des Geſchicks zu verkuͤnden. Wir wollen dieſe Gedanken einzeln im Deliſchen und Delphiſchen Mythus nach- weiſen. 2. Freilich wurde die Sage von der Geburt Apol- lons auf Delos zwar von den Joniern und Athenern, aber weder von den Delphern noch den Boͤotern noch auch den Peloponneſiern anerkannt. Denn wie waͤren dieſe dann ſo gleichguͤltig gegen das Heiligthum gewe- ſen, als ſie ſich wirklich zeigen. Indeß hatten die Delier doch nur die urſpruͤnglich Kretiſchen Sagen bei ſich lokaliſirt und ausgebildet, die wieder aus Grund- gedanken des Cultus hervorgegangen waren. Mit der Zeit wurde Apollon geboren, ſagt Pin- dar 4, auf die vielen Hinderniſſe und Verzoͤge- rungen der Geburt deutend. Ein feindliches Weſen ſtellte ſich ihr entgegen: daſſelbe, welches aus den Tie- fen des Tartaros heraus den Typhaon erzeugt und der 3) 1 Ἕκατος Διὸς υἱός Alkman bei Hephaͤſt. S. 66. Gaisf. 2 Aeſch. Eum. 19. vgl. Ἱἐϱειαι bei Macr. S. 5, 22. Schol. Soph. Oed. K. 791. Sophokl. El. 660. 4 bei Klem. Al. Str. 1. p. 383. Potter. 3) Ueber die Aus- nahme der Meſſenier ſ. oben S. 136, 2. Von der Geburtsſtaͤtte zu Te- gyra S. 234. Auch zu Amphigeneia in Triphylien ſollte Ap. ge- beren ſein, Steph. B. Tempel der Leto daſelbſt. Str. 8, 349. Antimach. 78. S. 111. Schell.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/339>, abgerufen am 21.11.2024.