schaft 1. -- Aristokratie gegen Demokratie2. Dieser Gegensatz äußerte sich indeß in der ersten Hälfte des Krieges nur so, daß Athen umschuf, Sparta her- stellte, denn eigentlich blieb es auch hier wieder auf eine erhaltende Thätigkeit beschränkt, da ein Adel sich zwar ausrotten aber nicht eben augenblicklich bilden läßt.
14.
Wir bleiben bei diesen, freilich mehr äußer- lich als innerlich gefaßten, Bezeichnungen des Gegen- satzes stehen, da sie das Resultat abzuleiten genügen, auf das wir hinaus wollen. Es ist nämlich sehr klar, daß bei den Verhältnissen, der Richtung, dem Geiste der Zeit in diesem Gegensatze das zweite Moment über- all das erste äußerlich überwinden mußte. Der schwer- fällige, ungeschickte, langsame Körper der Spartani- schen Symmachie mußte unter den Schlägen der ge- wandten, vordringenden, raschen Kriegsgymnastik des Gegners das Doppelte leiden. Die, nach Thukydides, damals herrschenden Maximen 3, wonach Verwegen- heit Muth in der Sache der Freunde, vorsichtiges Zau- dern eine verstellte Feigheit, Mäßigung Vorwand der Unmännlichkeit hieß, und Alles zu überlegen dem Nichts- thun gleich galt u. s. w. -- mußten die gute Wirkung der Handlungen der ersten Parthei lähmen und schwä- chen. Jenes "Aufrichtige und Edelgeartete" der Dori- schen Natur, jene schöne Einfalt der altgriechischen Zeit mußte in diesem Kriegsdrange verschwinden. Wir sehen daher Sparta und die Peloponnesier wie umge- wandelt aus dem Kampfe hervorgehen, und schon zur
1 Thuk. hat auf eine sehr sinnreiche Weise, aber mit bit- terer Kälte, die Grundsätze der Athenischen Politik in dem Dialog mit den Meliern dargestellt.
2 Nach Th. 3, 82. sind plethoust isonomia politike und aristokratia sophron onomata euprepe wie sie es auch damals wirklich waren, nicht aber to katta pa- tria politeuesthai
3 a. O.
ſchaft 1. — Ariſtokratie gegen Demokratie2. Dieſer Gegenſatz aͤußerte ſich indeß in der erſten Haͤlfte des Krieges nur ſo, daß Athen umſchuf, Sparta her- ſtellte, denn eigentlich blieb es auch hier wieder auf eine erhaltende Thaͤtigkeit beſchraͤnkt, da ein Adel ſich zwar ausrotten aber nicht eben augenblicklich bilden laͤßt.
14.
Wir bleiben bei dieſen, freilich mehr aͤußer- lich als innerlich gefaßten, Bezeichnungen des Gegen- ſatzes ſtehen, da ſie das Reſultat abzuleiten genuͤgen, auf das wir hinaus wollen. Es iſt naͤmlich ſehr klar, daß bei den Verhaͤltniſſen, der Richtung, dem Geiſte der Zeit in dieſem Gegenſatze das zweite Moment uͤber- all das erſte aͤußerlich uͤberwinden mußte. Der ſchwer- faͤllige, ungeſchickte, langſame Koͤrper der Spartani- ſchen Symmachie mußte unter den Schlaͤgen der ge- wandten, vordringenden, raſchen Kriegsgymnaſtik des Gegners das Doppelte leiden. Die, nach Thukydides, damals herrſchenden Maximen 3, wonach Verwegen- heit Muth in der Sache der Freunde, vorſichtiges Zau- dern eine verſtellte Feigheit, Maͤßigung Vorwand der Unmaͤnnlichkeit hieß, und Alles zu uͤberlegen dem Nichts- thun gleich galt u. ſ. w. — mußten die gute Wirkung der Handlungen der erſten Parthei laͤhmen und ſchwaͤ- chen. Jenes “Aufrichtige und Edelgeartete” der Dori- ſchen Natur, jene ſchoͤne Einfalt der altgriechiſchen Zeit mußte in dieſem Kriegsdrange verſchwinden. Wir ſehen daher Sparta und die Peloponneſier wie umge- wandelt aus dem Kampfe hervorgehen, und ſchon zur
1 Thuk. hat auf eine ſehr ſinnreiche Weiſe, aber mit bit- terer Kaͤlte, die Grundſaͤtze der Atheniſchen Politik in dem Dialog mit den Meliern dargeſtellt.
2 Nach Th. 3, 82. ſind πλήϑουϛ ἰσονομία πολιτικὴ und ἀϱιστοκϱατἰα σὠφϱων ὀνόματα εὐπϱεπῆ wie ſie es auch damals wirklich waren, nicht aber τὸ καττὰ πά- τϱια πολιτεύεσϑαι
3 a. O.
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ſchaft 1. — Ariſtokratie gegen Demokratie 2.
Dieſer Gegenſatz aͤußerte ſich indeß in der erſten Haͤlfte
des Krieges nur ſo, daß Athen umſchuf, Sparta her-
ſtellte, denn eigentlich blieb es auch hier wieder auf
eine erhaltende Thaͤtigkeit beſchraͤnkt, da ein Adel ſich
zwar ausrotten aber nicht eben augenblicklich bilden laͤßt.
14.
Wir bleiben bei dieſen, freilich mehr aͤußer-
lich als innerlich gefaßten, Bezeichnungen des Gegen-
ſatzes ſtehen, da ſie das Reſultat abzuleiten genuͤgen,
auf das wir hinaus wollen. Es iſt naͤmlich ſehr klar,
daß bei den Verhaͤltniſſen, der Richtung, dem Geiſte
der Zeit in dieſem Gegenſatze das zweite Moment uͤber-
all das erſte aͤußerlich uͤberwinden mußte. Der ſchwer-
faͤllige, ungeſchickte, langſame Koͤrper der Spartani-
ſchen Symmachie mußte unter den Schlaͤgen der ge-
wandten, vordringenden, raſchen Kriegsgymnaſtik des
Gegners das Doppelte leiden. Die, nach Thukydides,
damals herrſchenden Maximen 3, wonach Verwegen-
heit Muth in der Sache der Freunde, vorſichtiges Zau-
dern eine verſtellte Feigheit, Maͤßigung Vorwand der
Unmaͤnnlichkeit hieß, und Alles zu uͤberlegen dem Nichts-
thun gleich galt u. ſ. w. — mußten die gute Wirkung
der Handlungen der erſten Parthei laͤhmen und ſchwaͤ-
chen. Jenes “Aufrichtige und Edelgeartete” der Dori-
ſchen Natur, jene ſchoͤne Einfalt der altgriechiſchen
Zeit mußte in dieſem Kriegsdrange verſchwinden. Wir
ſehen daher Sparta und die Peloponneſier wie umge-
wandelt aus dem Kampfe hervorgehen, und ſchon zur
1 Thuk. hat auf eine ſehr ſinnreiche Weiſe, aber mit bit-
terer Kaͤlte, die Grundſaͤtze der Atheniſchen Politik in dem Dialog
mit den Meliern dargeſtellt.
2 Nach Th. 3, 82. ſind πλήϑουϛ
ἰσονομία πολιτικὴ und ἀϱιστοκϱατἰα σὠφϱων ὀνόματα εὐπϱεπῆ
wie ſie es auch damals wirklich waren, nicht aber τὸ καττὰ πά-
τϱια πολιτεύεσϑαι
3 a. O.
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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/227>, abgerufen am 22.02.2025.
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