Ruhme rechnen, daß es, so lange der Bund bestand, nie, auch bei günstigen Anlässen nicht, einen Pelopon- nesischen Staat dieser Autonomie beraubt hat. -- Auch Streitigkeiten der Städte kamen nicht vor die Bun- desversammlung, weil dies sehr leicht bei Sparta's Ansehn die Freiheit gefährdet hätte, sondern eher vor das Delphische Orakel oder gemeinschaftlich erwählte Schiedsrichter 1. Als Elis von Lepreon einen alten Tribut forderte, machten beide Sparta nur durch Zu- wendung (epitrope) zum entscheidenden Schiedsrichter. Als solcher löste es Lepreon als autonomes Bundes- glied von dem Zins, und Elis that Unrecht, daß es vom Vertrage abspringen wollte, weil es das Urtel nicht erwartet hatte 2. Für Streitigkeiten der Bürger von verschiedenen Städten fand völlig gleicher Rechts- verkehr statt (commercium iuris dandi repetendique) 3. Die Rechtsverfassung der Städte selbst hing vom Her- kommen in denselben ab; sie waren auch darin völlig frei (autodikoi) 4. -- Dies sind die Grundzüge der Peloponnesischen Bundesverfassung, der einzigen in den Zeiten der Blüthe Griechenlands, die mit Recht- lichkeit und Freiheit eine freilich nicht ungehemmte Thatkraft vereinigte.
5.
Als Haupt dieser Verbindung war Sparta nicht durch Vertrag, noch weniger durch Anmaßung, sondern durch stillschweigende Anerkennung, auch der Hege- mon der gesammten Nation geworden, und trat als solcher seit Ol. 50. in allen äußern Verhältnissen auf.
1 Th. 1, 28. vgl. 5, 79.
2 5, 31.
3 5, 79. katta patria dikas didonai tas isas kai omoias. Die Redens- art katta p. bezieht sich keineswegs auf alte Verträge der Dorier. Die patrooi spondai Paus. 3, 5, 8. gehen wohl auf die S. 100. angeführte Sage.
4 Th. a. O. tois de etais katta patria dikazesthai.
Ruhme rechnen, daß es, ſo lange der Bund beſtand, nie, auch bei guͤnſtigen Anlaͤſſen nicht, einen Pelopon- neſiſchen Staat dieſer Autonomie beraubt hat. — Auch Streitigkeiten der Staͤdte kamen nicht vor die Bun- desverſammlung, weil dies ſehr leicht bei Sparta’s Anſehn die Freiheit gefaͤhrdet haͤtte, ſondern eher vor das Delphiſche Orakel oder gemeinſchaftlich erwaͤhlte Schiedsrichter 1. Als Elis von Lepreon einen alten Tribut forderte, machten beide Sparta nur durch Zu- wendung (ἐπιτϱοπὴ) zum entſcheidenden Schiedsrichter. Als ſolcher loͤste es Lepreon als autonomes Bundes- glied von dem Zins, und Elis that Unrecht, daß es vom Vertrage abſpringen wollte, weil es das Urtel nicht erwartet hatte 2. Fuͤr Streitigkeiten der Buͤrger von verſchiedenen Staͤdten fand voͤllig gleicher Rechts- verkehr ſtatt (commercium iuris dandi repetendique) 3. Die Rechtsverfaſſung der Staͤdte ſelbſt hing vom Her- kommen in denſelben ab; ſie waren auch darin voͤllig frei (αὐτόδικοι) 4. — Dies ſind die Grundzuͤge der Peloponneſiſchen Bundesverfaſſung, der einzigen in den Zeiten der Bluͤthe Griechenlands, die mit Recht- lichkeit und Freiheit eine freilich nicht ungehemmte Thatkraft vereinigte.
5.
Als Haupt dieſer Verbindung war Sparta nicht durch Vertrag, noch weniger durch Anmaßung, ſondern durch ſtillſchweigende Anerkennung, auch der Hege- mon der geſammten Nation geworden, und trat als ſolcher ſeit Ol. 50. in allen aͤußern Verhaͤltniſſen auf.
1 Th. 1, 28. vgl. 5, 79.
2 5, 31.
3 5, 79. καττὰ πἀτϱια δίκας διδόναι τὰς ἴσας καὶ ὁμοίας. Die Redens- art καττὰ π. bezieht ſich keineswegs auf alte Vertraͤge der Dorier. Die πατϱῷοι σπονδαὶ Pauſ. 3, 5, 8. gehen wohl auf die S. 100. angefuͤhrte Sage.
4 Th. a. O. τοῖς δὲ ἔταις καττὰ πἀτϱια δικἀζεσϑαι.
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[183/0213]
Ruhme rechnen, daß es, ſo lange der Bund beſtand,
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neſiſchen Staat dieſer Autonomie beraubt hat. — Auch
Streitigkeiten der Staͤdte kamen nicht vor die Bun-
desverſammlung, weil dies ſehr leicht bei Sparta’s
Anſehn die Freiheit gefaͤhrdet haͤtte, ſondern eher vor
das Delphiſche Orakel oder gemeinſchaftlich erwaͤhlte
Schiedsrichter 1. Als Elis von Lepreon einen alten
Tribut forderte, machten beide Sparta nur durch Zu-
wendung (ἐπιτϱοπὴ) zum entſcheidenden Schiedsrichter.
Als ſolcher loͤste es Lepreon als autonomes Bundes-
glied von dem Zins, und Elis that Unrecht, daß es
vom Vertrage abſpringen wollte, weil es das Urtel
nicht erwartet hatte 2. Fuͤr Streitigkeiten der Buͤrger
von verſchiedenen Staͤdten fand voͤllig gleicher Rechts-
verkehr ſtatt (commercium iuris dandi repetendique) 3.
Die Rechtsverfaſſung der Staͤdte ſelbſt hing vom Her-
kommen in denſelben ab; ſie waren auch darin voͤllig
frei (αὐτόδικοι) 4. — Dies ſind die Grundzuͤge der
Peloponneſiſchen Bundesverfaſſung, der einzigen in
den Zeiten der Bluͤthe Griechenlands, die mit Recht-
lichkeit und Freiheit eine freilich nicht ungehemmte
Thatkraft vereinigte.
5.
Als Haupt dieſer Verbindung war Sparta nicht
durch Vertrag, noch weniger durch Anmaßung, ſondern
durch ſtillſchweigende Anerkennung, auch der Hege-
mon der geſammten Nation geworden, und trat als
ſolcher ſeit Ol. 50. in allen aͤußern Verhaͤltniſſen auf.
1 Th. 1, 28. vgl. 5, 79.
2 5, 31.
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καττὰ πἀτϱια δίκας διδόναι τὰς ἴσας καὶ ὁμοίας. Die Redens-
art καττὰ π. bezieht ſich keineswegs auf alte Vertraͤge der Dorier.
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angefuͤhrte Sage.
4 Th. a. O. τοῖς δὲ ἔταις καττὰ πἀτϱια
δικἀζεσϑαι.
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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/213>, abgerufen am 22.02.2025.
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