Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826.wenn meine Phantasiebilder bei geschlossenen Augen lange 97. Der Zustand des täglichen Schlafwachens hat daher "In dieser Zwischenzeit zwischen Schlaf und Wachen be- wenn meine Phantaſiebilder bei geſchloſſenen Augen lange 97. Der Zuſtand des taͤglichen Schlafwachens hat daher »In dieſer Zwiſchenzeit zwiſchen Schlaf und Wachen be- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0071" n="55"/> wenn meine Phantaſiebilder bei geſchloſſenen Augen lange<lb/> vor dem Einſchlafen da ſind.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head>97.</head><lb/> <p>Der Zuſtand des taͤglichen Schlafwachens hat daher<lb/> auch nicht weniger Wunderbares, Seliges, Myſtiſches, als<lb/> was man von dem magnetiſchen Schlafwachen erzaͤhlt.<lb/> Man erinnere ſich in der folgenden ſehr treffenden Darſtel-<lb/> lung des taͤglichen Schlafwachens ſeiner eigenen dunkeln<lb/> Erfahrungen.</p><lb/> <p>»In dieſer Zwiſchenzeit zwiſchen Schlaf und Wachen be-<lb/> merken wir gemeiniglich jene bizarren, bald laͤcherlichen<lb/> und unanſtaͤndigen, bald auch fuͤrchterlichen Bilder, welche<lb/> unſere Seele durchkreuzen, und deren Urſprung noch ein<lb/> Raͤthſel in der Pſychologie zu ſeyn ſcheint. Bisweilen er-<lb/> innern wir uns alsdann auf einmal, ohne eine Ideenaſſo-<lb/> ciation in uns wahrzunehmen, aus der man ſich das Erinnern<lb/> erklaͤren koͤnnte, Dinge, die wir laͤngſt vergeſſen hatten;<lb/> es fallen uns Scenen aus unſerer Jugend ein, die wir<lb/> mit einer erſtaunlichen Puͤnctlichkeit gleichſam vor unſern<lb/> Augen voruͤbergehen ſehen; oder wir erblicken einen hell<lb/> leuchtenden, Gegenſtand, eine abſcheuliche, menſchliche Ge-<lb/> ſtalt, eine Leiche, einen Abgrund, ein reizendes Frauen-<lb/> zimmer, einen laͤcherlichen Contraſt zwiſchen zwei Gegen-<lb/> ſtaͤnden; oder wir hoͤren einen deutlichen Glockenſchall,<lb/> ein Wort wird uns ins Ohr gerufen u. ſ. w. Beſonders<lb/> merkwuͤrdig ſind in dieſem Mittelzuſtande der menſchlichen<lb/> Seele manche Empfindungen unſeres Herzens und Gewiſ-<lb/> ſens. Mit einer innern lebhaften Wehmuth erinnern wir<lb/> uns dann oft eines Fehlers unſerer Jugend, welcher, waͤh-<lb/> rend daß wir wachten, keine ſolche unangenehme Empfin-<lb/> dung in uns zu erregen pflegte; wir erroͤthen in der ſtil-<lb/> len Einſamkeit der Nacht bei gewiſſen Gedanken vor uns<lb/> ſelber, wenn wir gleich den ganzen Tag von dieſem Ge-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [55/0071]
wenn meine Phantaſiebilder bei geſchloſſenen Augen lange
vor dem Einſchlafen da ſind.
97.
Der Zuſtand des taͤglichen Schlafwachens hat daher
auch nicht weniger Wunderbares, Seliges, Myſtiſches, als
was man von dem magnetiſchen Schlafwachen erzaͤhlt.
Man erinnere ſich in der folgenden ſehr treffenden Darſtel-
lung des taͤglichen Schlafwachens ſeiner eigenen dunkeln
Erfahrungen.
»In dieſer Zwiſchenzeit zwiſchen Schlaf und Wachen be-
merken wir gemeiniglich jene bizarren, bald laͤcherlichen
und unanſtaͤndigen, bald auch fuͤrchterlichen Bilder, welche
unſere Seele durchkreuzen, und deren Urſprung noch ein
Raͤthſel in der Pſychologie zu ſeyn ſcheint. Bisweilen er-
innern wir uns alsdann auf einmal, ohne eine Ideenaſſo-
ciation in uns wahrzunehmen, aus der man ſich das Erinnern
erklaͤren koͤnnte, Dinge, die wir laͤngſt vergeſſen hatten;
es fallen uns Scenen aus unſerer Jugend ein, die wir
mit einer erſtaunlichen Puͤnctlichkeit gleichſam vor unſern
Augen voruͤbergehen ſehen; oder wir erblicken einen hell
leuchtenden, Gegenſtand, eine abſcheuliche, menſchliche Ge-
ſtalt, eine Leiche, einen Abgrund, ein reizendes Frauen-
zimmer, einen laͤcherlichen Contraſt zwiſchen zwei Gegen-
ſtaͤnden; oder wir hoͤren einen deutlichen Glockenſchall,
ein Wort wird uns ins Ohr gerufen u. ſ. w. Beſonders
merkwuͤrdig ſind in dieſem Mittelzuſtande der menſchlichen
Seele manche Empfindungen unſeres Herzens und Gewiſ-
ſens. Mit einer innern lebhaften Wehmuth erinnern wir
uns dann oft eines Fehlers unſerer Jugend, welcher, waͤh-
rend daß wir wachten, keine ſolche unangenehme Empfin-
dung in uns zu erregen pflegte; wir erroͤthen in der ſtil-
len Einſamkeit der Nacht bei gewiſſen Gedanken vor uns
ſelber, wenn wir gleich den ganzen Tag von dieſem Ge-
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