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Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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einmal einen Tempel. Ihnen, Herr Doctor, darf ich's wohl sagen, Sie werden's ja doch über lang oder kurz einmal zu sehn bekommen, wenn Sie erst mit dem Marquis auf Reisen gehen. Sonst soll ich eigentlich, so zu sagen, nicht davon sprechen. Sehn Sie, da hat er das ganze Cabinetchen, Thüren und Fenster, von oben bis unten mit einer Art von Tapete behangen, mit so einem altmodischen Zeuge, große bunte Kerls darauf, der König David mit der Harfe und der Bundeslade und die schöne Susanne, und Gott weiß, was noch mehr für Geschichten. Dann hat er Ihnen eine Maskeradengarderobe rings herum aufgehängt, bunte gestickte Röcke und Westen von allen Farben, abgetragene Lumpen, es zöge sie bei uns kein Statist auf den Leib, zerrissene Degenscheiden, rostige Klingen, spanische Röhre, zerzaus'te Perücken, ich sage Ihnen, eine wahre Trödelbude. Aber die Hauptsache ist ein kleines Häuschen von Pappe, so wie's die Buchbinder auf dem Weihnachtsmarkt feil haben, mit Fensterchen und Thürchen, und aus dem größten Loche guckt eine Frauensperson heraus, ein Gemälde, ganz fein und niedlich. Die ganze Bescherung steht auf einem Tischchen, das heißt er den Altar, und vor dem Tischchen liegt ein großes Kissen, das ist mit Erde gestopft, ich glaube von seinen Gütern in Frankreich. Den Tag über schläft immer der alte Bologneser darauf, aber wenn des Abends die großen Lichter auf dem Altar angesteckt werden, so geht das Thier herunter, ohne

einmal einen Tempel. Ihnen, Herr Doctor, darf ich's wohl sagen, Sie werden's ja doch über lang oder kurz einmal zu sehn bekommen, wenn Sie erst mit dem Marquis auf Reisen gehen. Sonst soll ich eigentlich, so zu sagen, nicht davon sprechen. Sehn Sie, da hat er das ganze Cabinetchen, Thüren und Fenster, von oben bis unten mit einer Art von Tapete behangen, mit so einem altmodischen Zeuge, große bunte Kerls darauf, der König David mit der Harfe und der Bundeslade und die schöne Susanne, und Gott weiß, was noch mehr für Geschichten. Dann hat er Ihnen eine Maskeradengarderobe rings herum aufgehängt, bunte gestickte Röcke und Westen von allen Farben, abgetragene Lumpen, es zöge sie bei uns kein Statist auf den Leib, zerrissene Degenscheiden, rostige Klingen, spanische Röhre, zerzaus'te Perücken, ich sage Ihnen, eine wahre Trödelbude. Aber die Hauptsache ist ein kleines Häuschen von Pappe, so wie's die Buchbinder auf dem Weihnachtsmarkt feil haben, mit Fensterchen und Thürchen, und aus dem größten Loche guckt eine Frauensperson heraus, ein Gemälde, ganz fein und niedlich. Die ganze Bescherung steht auf einem Tischchen, das heißt er den Altar, und vor dem Tischchen liegt ein großes Kissen, das ist mit Erde gestopft, ich glaube von seinen Gütern in Frankreich. Den Tag über schläft immer der alte Bologneser darauf, aber wenn des Abends die großen Lichter auf dem Altar angesteckt werden, so geht das Thier herunter, ohne

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[0029] einmal einen Tempel. Ihnen, Herr Doctor, darf ich's wohl sagen, Sie werden's ja doch über lang oder kurz einmal zu sehn bekommen, wenn Sie erst mit dem Marquis auf Reisen gehen. Sonst soll ich eigentlich, so zu sagen, nicht davon sprechen. Sehn Sie, da hat er das ganze Cabinetchen, Thüren und Fenster, von oben bis unten mit einer Art von Tapete behangen, mit so einem altmodischen Zeuge, große bunte Kerls darauf, der König David mit der Harfe und der Bundeslade und die schöne Susanne, und Gott weiß, was noch mehr für Geschichten. Dann hat er Ihnen eine Maskeradengarderobe rings herum aufgehängt, bunte gestickte Röcke und Westen von allen Farben, abgetragene Lumpen, es zöge sie bei uns kein Statist auf den Leib, zerrissene Degenscheiden, rostige Klingen, spanische Röhre, zerzaus'te Perücken, ich sage Ihnen, eine wahre Trödelbude. Aber die Hauptsache ist ein kleines Häuschen von Pappe, so wie's die Buchbinder auf dem Weihnachtsmarkt feil haben, mit Fensterchen und Thürchen, und aus dem größten Loche guckt eine Frauensperson heraus, ein Gemälde, ganz fein und niedlich. Die ganze Bescherung steht auf einem Tischchen, das heißt er den Altar, und vor dem Tischchen liegt ein großes Kissen, das ist mit Erde gestopft, ich glaube von seinen Gütern in Frankreich. Den Tag über schläft immer der alte Bologneser darauf, aber wenn des Abends die großen Lichter auf dem Altar angesteckt werden, so geht das Thier herunter, ohne

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T15:21:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_debora_1910/29>, abgerufen am 26.04.2024.