Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
Erstes Capitel.
Von dem Gehorsam überhaupt.

Gehorsam ist, wenn ich meinen Verstand und
Willen dem Verstand und Willen eines andern
unterwerfe.

Wer also wenig oder keinen Verstand hat,
ist des andern Knecht, und der den meisten
Verstand hat, ist, wenn er will und kann,
Herr des andern.


Es gibt einen Conflict und Kampf des Ver-
stands mit Verstand; da entscheidet der Wille
des einen oder des andern, dessen, der Raison
annimmt oder verweigert.

Es gibt einen Conflict des Verstands mit Un-
verstand; da entscheidet entweder der Wider-
stand oder der Gehorsam dessen, der sich zum
Dienst des Wollens oder der Leidenschaften des
andern hergiebt.


Welche Hoheit und zugleich Tiefe, dass ein
Mensch den andern als Herrn über sich erkennt,
dass er ihn freywillig wählt, ihm nicht nur mit
allen Kräften und Fähigkeiten bis zur Erniedri-

Erstes Capitel.
Von dem Gehorsam überhaupt.

Gehorsam ist, wenn ich meinen Verstand und
Willen dem Verstand und Willen eines andern
unterwerfe.

Wer also wenig oder keinen Verstand hat,
ist des andern Knecht, und der den meisten
Verstand hat, ist, wenn er will und kann,
Herr des andern.


Es gibt einen Conflict und Kampf des Ver-
stands mit Verstand; da entscheidet der Wille
des einen oder des andern, dessen, der Raison
annimmt oder verweigert.

Es gibt einen Conflict des Verstands mit Un-
verstand; da entscheidet entweder der Wider-
stand oder der Gehorsam dessen, der sich zum
Dienst des Wollens oder der Leidenschaften des
andern hergiebt.


Welche Hoheit und zugleich Tiefe, daſs ein
Mensch den andern als Herrn über sich erkennt,
daſs er ihn freywillig wählt, ihm nicht nur mit
allen Kräften und Fähigkeiten bis zur Erniedri-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0042" n="36"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">Erstes Capitel</hi></hi>.<lb/><hi rendition="#g">Von dem Gehorsam überhaupt</hi>.</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p><hi rendition="#in">G</hi>ehorsam ist, wenn ich meinen Verstand und<lb/>
Willen dem Verstand und Willen eines andern<lb/>
unterwerfe.</p><lb/>
          <p>Wer also wenig oder keinen Verstand hat,<lb/>
ist des andern Knecht, und der den meisten<lb/>
Verstand hat, ist, <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">wenn er will und kann</hi>,</hi><lb/>
Herr des andern.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Es gibt einen Conflict und Kampf des Ver-<lb/>
stands mit Verstand; da entscheidet der Wille<lb/>
des einen oder des andern, dessen, der Raison<lb/>
annimmt oder verweigert.</p><lb/>
          <p>Es gibt einen Conflict des Verstands mit Un-<lb/>
verstand; da entscheidet entweder der Wider-<lb/>
stand oder der Gehorsam dessen, der sich zum<lb/>
Dienst des Wollens oder der Leidenschaften des<lb/>
andern hergiebt.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Welche Hoheit und zugleich Tiefe, da&#x017F;s ein<lb/>
Mensch den andern als Herrn über sich erkennt,<lb/>
da&#x017F;s er ihn freywillig wählt, ihm nicht nur mit<lb/>
allen Kräften und Fähigkeiten bis zur Erniedri-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[36/0042] Erstes Capitel. Von dem Gehorsam überhaupt. Gehorsam ist, wenn ich meinen Verstand und Willen dem Verstand und Willen eines andern unterwerfe. Wer also wenig oder keinen Verstand hat, ist des andern Knecht, und der den meisten Verstand hat, ist, wenn er will und kann, Herr des andern. Es gibt einen Conflict und Kampf des Ver- stands mit Verstand; da entscheidet der Wille des einen oder des andern, dessen, der Raison annimmt oder verweigert. Es gibt einen Conflict des Verstands mit Un- verstand; da entscheidet entweder der Wider- stand oder der Gehorsam dessen, der sich zum Dienst des Wollens oder der Leidenschaften des andern hergiebt. Welche Hoheit und zugleich Tiefe, daſs ein Mensch den andern als Herrn über sich erkennt, daſs er ihn freywillig wählt, ihm nicht nur mit allen Kräften und Fähigkeiten bis zur Erniedri-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/42
Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/42>, abgerufen am 21.12.2024.