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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786.

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Bedürfnissen des Lebens wieder an, Mangel zu
leiden, weil er nicht die Kunst gelernt hatte, auf
Kredit zu leben. --

Seine Garderobe als Fürst im Edelknaben,
die er sich, so wie jeder die seinige, selbst anschaf¬
fen mußte, kostete ihm allein so viel, als wovon
er einen Monath lang alle seine Ausgaben hätte
bestreiten können -- und für dieß alles erreichte
er doch nicht einmal seinen Zweck, sich in einer
auffallenden tragischen Rolle zeigen zu können,
welches doch eigentlich von jeher sein Wunsch ge¬
wesen war. --

Von den drei Stücken, die an einem
Abend nacheinander aufgeführt wurden, war
Klavigo das erste, der Mann nach der Uhr das
zweite, und der Edelknabe blieb bis zuletzt. --

Während daß nun der Klavigo aufgeführt
wurde, suchte Reiser in der Anziehstube dicht bei
dem Theater, so viel wie möglich seine Sinne zu
betäuben, und sich die Ohren zu verstopfen --
jeder Laut, den er vom Theater hörte, war ihm
ein Stich durch die Seele -- denn hier war es,
wo nun eben das schönste Gebäude seiner Phan¬
tasie, woran Jahrelang gebaut worden war,

Beduͤrfniſſen des Lebens wieder an, Mangel zu
leiden, weil er nicht die Kunſt gelernt hatte, auf
Kredit zu leben. —

Seine Garderobe als Fuͤrſt im Edelknaben,
die er ſich, ſo wie jeder die ſeinige, ſelbſt anſchaf¬
fen mußte, koſtete ihm allein ſo viel, als wovon
er einen Monath lang alle ſeine Ausgaben haͤtte
beſtreiten koͤnnen — und fuͤr dieß alles erreichte
er doch nicht einmal ſeinen Zweck, ſich in einer
auffallenden tragiſchen Rolle zeigen zu koͤnnen,
welches doch eigentlich von jeher ſein Wunſch ge¬
weſen war. —

Von den drei Stuͤcken, die an einem
Abend nacheinander aufgefuͤhrt wurden, war
Klavigo das erſte, der Mann nach der Uhr das
zweite, und der Edelknabe blieb bis zuletzt. —

Waͤhrend daß nun der Klavigo aufgefuͤhrt
wurde, ſuchte Reiſer in der Anziehſtube dicht bei
dem Theater, ſo viel wie moͤglich ſeine Sinne zu
betaͤuben, und ſich die Ohren zu verſtopfen —
jeder Laut, den er vom Theater hoͤrte, war ihm
ein Stich durch die Seele — denn hier war es,
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[214/0224] Beduͤrfniſſen des Lebens wieder an, Mangel zu leiden, weil er nicht die Kunſt gelernt hatte, auf Kredit zu leben. — Seine Garderobe als Fuͤrſt im Edelknaben, die er ſich, ſo wie jeder die ſeinige, ſelbſt anſchaf¬ fen mußte, koſtete ihm allein ſo viel, als wovon er einen Monath lang alle ſeine Ausgaben haͤtte beſtreiten koͤnnen — und fuͤr dieß alles erreichte er doch nicht einmal ſeinen Zweck, ſich in einer auffallenden tragiſchen Rolle zeigen zu koͤnnen, welches doch eigentlich von jeher ſein Wunſch ge¬ weſen war. — Von den drei Stuͤcken, die an einem Abend nacheinander aufgefuͤhrt wurden, war Klavigo das erſte, der Mann nach der Uhr das zweite, und der Edelknabe blieb bis zuletzt. — Waͤhrend daß nun der Klavigo aufgefuͤhrt wurde, ſuchte Reiſer in der Anziehſtube dicht bei dem Theater, ſo viel wie moͤglich ſeine Sinne zu betaͤuben, und ſich die Ohren zu verſtopfen — jeder Laut, den er vom Theater hoͤrte, war ihm ein Stich durch die Seele — denn hier war es, wo nun eben das ſchoͤnſte Gebaͤude ſeiner Phan¬ taſie, woran Jahrelang gebaut worden war,

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/224>, abgerufen am 26.04.2024.