Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite

z. B. rührender und erhabener, als wenn der
Präfektus anhub zu singen:

Hylo schöne Sonne
Deiner Strahlen Wonne
In den tiefen Flor --

Das Hylo allein schon versetzte ihn in höhere
Regionen, und gab seiner Einbildungskraft alle¬
mal einen außerordentlichen Schwung, weil er
es für irgend einen orientalischen Ausdruck hielt,
den er nicht verstand, und eben deswegen einen
so erhabnen Sinn, als er nur wollte hineinle¬
gen konnte: bis er einmal den geschriebenen
Text unter den Noten sahe, und fand daß es
hieß

Hüll' o schöne Sonne, u. s. w.
Diese Worte sang der Präfektus nach seiner
thüringischen Mundart immer: Hylo schöne
Sonne
-- Und nun war auf einmal das gan¬
ze Zauberwerk verschwunden, welches Reisern,
so manchen frohen Augenblick gemacht hatte. --
Eben so war es ihm immer sehr rührend, wenn
gesungen wurde: Du verdeckest sie in den
Hütten
, oder lieg ich nur in deiner Hut, o
so schlaf ich sanft und gut
--

H 5

z. B. ruͤhrender und erhabener, als wenn der
Praͤfektus anhub zu ſingen:

Hylo ſchoͤne Sonne
Deiner Strahlen Wonne
In den tiefen Flor —

Das Hylo allein ſchon verſetzte ihn in hoͤhere
Regionen, und gab ſeiner Einbildungskraft alle¬
mal einen außerordentlichen Schwung, weil er
es fuͤr irgend einen orientaliſchen Ausdruck hielt,
den er nicht verſtand, und eben deswegen einen
ſo erhabnen Sinn, als er nur wollte hineinle¬
gen konnte: bis er einmal den geſchriebenen
Text unter den Noten ſahe, und fand daß es
hieß

Huͤll' o ſchoͤne Sonne, u. ſ. w.
Dieſe Worte ſang der Praͤfektus nach ſeiner
thuͤringiſchen Mundart immer: Hylo ſchoͤne
Sonne
— Und nun war auf einmal das gan¬
ze Zauberwerk verſchwunden, welches Reiſern,
ſo manchen frohen Augenblick gemacht hatte. —
Eben ſo war es ihm immer ſehr ruͤhrend, wenn
geſungen wurde: Du verdeckeſt ſie in den
Huͤtten
, oder lieg ich nur in deiner Hut, o
ſo ſchlaf ich ſanft und gut

H 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0131" n="121"/>
z. B. ru&#x0364;hrender und erhabener, als wenn der<lb/>
Pra&#x0364;fektus anhub zu &#x017F;ingen:</p><lb/>
      <lg type="poem">
        <l>Hylo &#x017F;cho&#x0364;ne Sonne</l><lb/>
        <l>Deiner Strahlen Wonne</l><lb/>
        <l>In den tiefen Flor &#x2014;</l><lb/>
      </lg>
      <p>Das <hi rendition="#fr">Hylo</hi> allein &#x017F;chon ver&#x017F;etzte ihn in ho&#x0364;here<lb/>
Regionen, und gab &#x017F;einer Einbildungskraft alle¬<lb/>
mal einen außerordentlichen Schwung, weil er<lb/>
es fu&#x0364;r irgend einen orientali&#x017F;chen Ausdruck hielt,<lb/>
den er nicht ver&#x017F;tand, und eben deswegen einen<lb/>
&#x017F;o erhabnen Sinn, als er nur wollte hineinle¬<lb/>
gen konnte: bis er einmal den ge&#x017F;chriebenen<lb/>
Text unter den Noten &#x017F;ahe, und fand daß es<lb/>
hieß</p><lb/>
      <p><hi rendition="#c">Hu&#x0364;ll' o &#x017F;cho&#x0364;ne Sonne, u. &#x017F;. w.</hi><lb/>
Die&#x017F;e Worte &#x017F;ang der Pra&#x0364;fektus nach &#x017F;einer<lb/>
thu&#x0364;ringi&#x017F;chen Mundart immer: <hi rendition="#fr">Hylo &#x017F;cho&#x0364;ne<lb/>
Sonne</hi> &#x2014; Und nun war auf einmal das gan¬<lb/>
ze Zauberwerk ver&#x017F;chwunden, welches Rei&#x017F;ern,<lb/>
&#x017F;o manchen frohen Augenblick gemacht hatte. &#x2014;<lb/>
Eben &#x017F;o war es ihm immer &#x017F;ehr ru&#x0364;hrend, wenn<lb/>
ge&#x017F;ungen wurde: <hi rendition="#fr">Du verdecke&#x017F;t &#x017F;ie in den<lb/>
Hu&#x0364;tten</hi>, <hi rendition="#fr">oder lieg ich nur in deiner Hut, o<lb/>
&#x017F;o &#x017F;chlaf ich &#x017F;anft und gut</hi> &#x2014;</p><lb/>
      <fw place="bottom" type="sig">H 5<lb/></fw>
    </body>
  </text>
</TEI>
[121/0131] z. B. ruͤhrender und erhabener, als wenn der Praͤfektus anhub zu ſingen: Hylo ſchoͤne Sonne Deiner Strahlen Wonne In den tiefen Flor — Das Hylo allein ſchon verſetzte ihn in hoͤhere Regionen, und gab ſeiner Einbildungskraft alle¬ mal einen außerordentlichen Schwung, weil er es fuͤr irgend einen orientaliſchen Ausdruck hielt, den er nicht verſtand, und eben deswegen einen ſo erhabnen Sinn, als er nur wollte hineinle¬ gen konnte: bis er einmal den geſchriebenen Text unter den Noten ſahe, und fand daß es hieß Huͤll' o ſchoͤne Sonne, u. ſ. w. Dieſe Worte ſang der Praͤfektus nach ſeiner thuͤringiſchen Mundart immer: Hylo ſchoͤne Sonne — Und nun war auf einmal das gan¬ ze Zauberwerk verſchwunden, welches Reiſern, ſo manchen frohen Augenblick gemacht hatte. — Eben ſo war es ihm immer ſehr ruͤhrend, wenn geſungen wurde: Du verdeckeſt ſie in den Huͤtten, oder lieg ich nur in deiner Hut, o ſo ſchlaf ich ſanft und gut — H 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786/131
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786/131>, abgerufen am 26.04.2024.