Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

gier der Sterblichen, das Geheimnißvolle zu er-
gründen, bezeichnet, so ist es diese schreckliche
Dichtung. -- Es ist der Raub, den die Mensch-
heit an sich selbst begeht, um die Grundursache ihres
Daseyns zu erforschen. -- Die Götter belebten des
Tantalus Sohn, den Pelops, wieder; und die
Dichtung rechtfertigt durch diese That des Tanta-
lus seine Strafe. Alle seine übrigen Vergehun-
gen waren Eingriffe in die Vorzüge der Götter. --
Er entwandte ihnen die Götterspeise, damit sie
von sterblichen Lippen sollte gekostet werden. --
Auch stahl er den Hund des Jupiter, der dessen
Heiligthum in Kreta bewachte, an welchem Raube
auch Pandarus Theil nahm, den die Götter
mit dem Tode straften, und dessen Töchter noch
seinen Frevel büßten. -- Es war das kühne Ge-
schlecht des Japet, das sich empörend, und seine
Grenzen überschreitend, den unversöhnlichen Haß
der Götter auf sich lud.

Ixion.

Fast ein gleiches Schicksal mit dem Tantalus
hatte Ixion, der in Thessalien herrschte; er
wurde auch an die Tafel der Götter aufgenom-
men, wo die Reitze der Juno ihn seiner Sterblich-
keit vergessen ließen. -- Er ruhte nicht eher, als
bis er glaubte, das Ziel seiner Wünsche erreicht zu

gier der Sterblichen, das Geheimnißvolle zu er-
gruͤnden, bezeichnet, ſo iſt es dieſe ſchreckliche
Dichtung. — Es iſt der Raub, den die Menſch-
heit an ſich ſelbſt begeht, um die Grundurſache ihres
Daſeyns zu erforſchen. — Die Goͤtter belebten des
Tantalus Sohn, den Pelops, wieder; und die
Dichtung rechtfertigt durch dieſe That des Tanta-
lus ſeine Strafe. Alle ſeine uͤbrigen Vergehun-
gen waren Eingriffe in die Vorzuͤge der Goͤtter. —
Er entwandte ihnen die Goͤtterſpeiſe, damit ſie
von ſterblichen Lippen ſollte gekoſtet werden. —
Auch ſtahl er den Hund des Jupiter, der deſſen
Heiligthum in Kreta bewachte, an welchem Raube
auch Pandarus Theil nahm, den die Goͤtter
mit dem Tode ſtraften, und deſſen Toͤchter noch
ſeinen Frevel buͤßten. — Es war das kuͤhne Ge-
ſchlecht des Japet, das ſich empoͤrend, und ſeine
Grenzen uͤberſchreitend, den unverſoͤhnlichen Haß
der Goͤtter auf ſich lud.

Ixion.

Faſt ein gleiches Schickſal mit dem Tantalus
hatte Ixion, der in Theſſalien herrſchte; er
wurde auch an die Tafel der Goͤtter aufgenom-
men, wo die Reitze der Juno ihn ſeiner Sterblich-
keit vergeſſen ließen. — Er ruhte nicht eher, als
bis er glaubte, das Ziel ſeiner Wuͤnſche erreicht zu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0470" n="394"/>
gier der Sterblichen, das Geheimnißvolle zu er-<lb/>
gru&#x0364;nden, bezeichnet, &#x017F;o i&#x017F;t es die&#x017F;e &#x017F;chreckliche<lb/>
Dichtung. &#x2014; Es i&#x017F;t der Raub, den die Men&#x017F;ch-<lb/>
heit an &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t begeht, um die Grundur&#x017F;ache ihres<lb/>
Da&#x017F;eyns zu erfor&#x017F;chen. &#x2014; Die Go&#x0364;tter belebten des<lb/>
Tantalus Sohn, den <hi rendition="#fr">Pelops,</hi> wieder; und die<lb/>
Dichtung rechtfertigt durch die&#x017F;e That des Tanta-<lb/>
lus &#x017F;eine Strafe. Alle &#x017F;eine u&#x0364;brigen Vergehun-<lb/>
gen waren Eingriffe in die Vorzu&#x0364;ge der Go&#x0364;tter. &#x2014;<lb/>
Er entwandte ihnen die Go&#x0364;tter&#x017F;pei&#x017F;e, damit &#x017F;ie<lb/>
von &#x017F;terblichen Lippen &#x017F;ollte geko&#x017F;tet werden. &#x2014;<lb/>
Auch &#x017F;tahl er den Hund des Jupiter, der de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Heiligthum in Kreta bewachte, an welchem Raube<lb/>
auch <hi rendition="#fr">Pandarus</hi> Theil nahm, den die Go&#x0364;tter<lb/>
mit dem Tode &#x017F;traften, und de&#x017F;&#x017F;en To&#x0364;chter noch<lb/>
&#x017F;einen Frevel bu&#x0364;ßten. &#x2014; Es war das ku&#x0364;hne Ge-<lb/>
&#x017F;chlecht des <hi rendition="#fr">Japet,</hi> das &#x017F;ich empo&#x0364;rend, und &#x017F;eine<lb/>
Grenzen u&#x0364;ber&#x017F;chreitend, den unver&#x017F;o&#x0364;hnlichen Haß<lb/>
der Go&#x0364;tter auf &#x017F;ich lud.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Ixion</hi>.</hi> </head><lb/>
            <p>Fa&#x017F;t ein gleiches Schick&#x017F;al mit dem Tantalus<lb/>
hatte <hi rendition="#fr">Ixion,</hi> der in The&#x017F;&#x017F;alien herr&#x017F;chte; er<lb/>
wurde auch an die Tafel der Go&#x0364;tter aufgenom-<lb/>
men, wo die Reitze der Juno ihn &#x017F;einer Sterblich-<lb/>
keit verge&#x017F;&#x017F;en ließen. &#x2014; Er ruhte nicht eher, als<lb/>
bis er glaubte, das Ziel &#x017F;einer Wu&#x0364;n&#x017F;che erreicht zu<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[394/0470] gier der Sterblichen, das Geheimnißvolle zu er- gruͤnden, bezeichnet, ſo iſt es dieſe ſchreckliche Dichtung. — Es iſt der Raub, den die Menſch- heit an ſich ſelbſt begeht, um die Grundurſache ihres Daſeyns zu erforſchen. — Die Goͤtter belebten des Tantalus Sohn, den Pelops, wieder; und die Dichtung rechtfertigt durch dieſe That des Tanta- lus ſeine Strafe. Alle ſeine uͤbrigen Vergehun- gen waren Eingriffe in die Vorzuͤge der Goͤtter. — Er entwandte ihnen die Goͤtterſpeiſe, damit ſie von ſterblichen Lippen ſollte gekoſtet werden. — Auch ſtahl er den Hund des Jupiter, der deſſen Heiligthum in Kreta bewachte, an welchem Raube auch Pandarus Theil nahm, den die Goͤtter mit dem Tode ſtraften, und deſſen Toͤchter noch ſeinen Frevel buͤßten. — Es war das kuͤhne Ge- ſchlecht des Japet, das ſich empoͤrend, und ſeine Grenzen uͤberſchreitend, den unverſoͤhnlichen Haß der Goͤtter auf ſich lud. Ixion. Faſt ein gleiches Schickſal mit dem Tantalus hatte Ixion, der in Theſſalien herrſchte; er wurde auch an die Tafel der Goͤtter aufgenom- men, wo die Reitze der Juno ihn ſeiner Sterblich- keit vergeſſen ließen. — Er ruhte nicht eher, als bis er glaubte, das Ziel ſeiner Wuͤnſche erreicht zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/470
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/470>, abgerufen am 30.12.2024.