Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite
Furien.

Tisiphone, die Rächerin des Mordes; Me-
gära,
die drohende; Alekto, die nimmer ruhen-
de; -- strenge und unerbittliche Göttinnen, das
Unrecht und den Frevel zu strafen, mit Schlan-
genhaaren auf dem Haupte, und Dolchen und Fa-
ckeln in den Händen. -- Sie quälten den Ver-
brecher mit schrecklichen Erscheinungen; -- sie ver-
folgten Orest, den Muttermörder, und ließen
ihm keine Rast. -- Die Ehrfurcht gegen sie ging
so weit, daß man sich kaum getraute, ihre Nah-
men zu nennen; -- doch suchte man durch Gebet
und Opfer sie zu versöhnen.

Die Strafen der Verurtheilten
im Tartarus.

Die Verdammten im Tartarus sind nicht so-
wohl zum eigentlichen Leiden, als vielmehr zu
einer zwecklosen Thätigkeit, in so fern dieselbe
ein Bild des mühevollen Lebens ist, verurtheilt. --
Ihre Strafe scheint zu seyn, daß selbst noch in
die Behausung der Todten ihr rastloses Leben sie
verfolgt, und ihre grenzenlosen Bestrebungen nach
einem zu hohen Ziele, wodurch sie den Göttern
sich verhaßt machten, die es nicht dulden können,
wenn Sterbliche, auf irgend eine Weise, ihnen
zu sehr sich nähern wollen.

Furien.

Tiſiphone, die Raͤcherin des Mordes; Me-
gaͤra,
die drohende; Alekto, die nimmer ruhen-
de; — ſtrenge und unerbittliche Goͤttinnen, das
Unrecht und den Frevel zu ſtrafen, mit Schlan-
genhaaren auf dem Haupte, und Dolchen und Fa-
ckeln in den Haͤnden. — Sie quaͤlten den Ver-
brecher mit ſchrecklichen Erſcheinungen; — ſie ver-
folgten Oreſt, den Muttermoͤrder, und ließen
ihm keine Raſt. — Die Ehrfurcht gegen ſie ging
ſo weit, daß man ſich kaum getraute, ihre Nah-
men zu nennen; — doch ſuchte man durch Gebet
und Opfer ſie zu verſoͤhnen.

Die Strafen der Verurtheilten
im Tartarus.

Die Verdammten im Tartarus ſind nicht ſo-
wohl zum eigentlichen Leiden, als vielmehr zu
einer zweckloſen Thaͤtigkeit, in ſo fern dieſelbe
ein Bild des muͤhevollen Lebens iſt, verurtheilt. —
Ihre Strafe ſcheint zu ſeyn, daß ſelbſt noch in
die Behauſung der Todten ihr raſtloſes Leben ſie
verfolgt, und ihre grenzenloſen Beſtrebungen nach
einem zu hohen Ziele, wodurch ſie den Goͤttern
ſich verhaßt machten, die es nicht dulden koͤnnen,
wenn Sterbliche, auf irgend eine Weiſe, ihnen
zu ſehr ſich naͤhern wollen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0468" n="392"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Furien</hi>.</hi> </head><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Ti&#x017F;iphone,</hi> die Ra&#x0364;cherin des Mordes; <hi rendition="#fr">Me-<lb/>
ga&#x0364;ra,</hi> die drohende; <hi rendition="#fr">Alekto,</hi> die nimmer ruhen-<lb/>
de; &#x2014; &#x017F;trenge und unerbittliche Go&#x0364;ttinnen, das<lb/>
Unrecht und den Frevel zu &#x017F;trafen, mit Schlan-<lb/>
genhaaren auf dem Haupte, und Dolchen und Fa-<lb/>
ckeln in den Ha&#x0364;nden. &#x2014; Sie qua&#x0364;lten den Ver-<lb/>
brecher mit &#x017F;chrecklichen Er&#x017F;cheinungen; &#x2014; &#x017F;ie ver-<lb/>
folgten <hi rendition="#fr">Ore&#x017F;t,</hi> den Muttermo&#x0364;rder, und ließen<lb/>
ihm keine Ra&#x017F;t. &#x2014; Die Ehrfurcht gegen &#x017F;ie ging<lb/>
&#x017F;o weit, daß man &#x017F;ich kaum getraute, ihre Nah-<lb/>
men zu nennen; &#x2014; doch &#x017F;uchte man durch Gebet<lb/>
und Opfer &#x017F;ie zu ver&#x017F;o&#x0364;hnen.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Die Strafen der Verurtheilten<lb/>
im Tartarus.</hi> </head><lb/>
          <p>Die Verdammten im Tartarus &#x017F;ind nicht &#x017F;o-<lb/>
wohl zum eigentlichen Leiden, als vielmehr zu<lb/>
einer <hi rendition="#fr">zwecklo&#x017F;en Tha&#x0364;tigkeit,</hi> in &#x017F;o fern die&#x017F;elbe<lb/>
ein Bild des mu&#x0364;hevollen Lebens i&#x017F;t, verurtheilt. &#x2014;<lb/>
Ihre Strafe &#x017F;cheint zu &#x017F;eyn, daß &#x017F;elb&#x017F;t noch in<lb/>
die Behau&#x017F;ung der Todten ihr <hi rendition="#fr">ra&#x017F;tlo&#x017F;es Leben</hi> &#x017F;ie<lb/>
verfolgt, und ihre grenzenlo&#x017F;en Be&#x017F;trebungen nach<lb/>
einem zu hohen Ziele, wodurch &#x017F;ie den Go&#x0364;ttern<lb/>
&#x017F;ich verhaßt machten, die es nicht dulden ko&#x0364;nnen,<lb/>
wenn Sterbliche, auf irgend eine Wei&#x017F;e, ihnen<lb/>
zu &#x017F;ehr &#x017F;ich na&#x0364;hern wollen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[392/0468] Furien. Tiſiphone, die Raͤcherin des Mordes; Me- gaͤra, die drohende; Alekto, die nimmer ruhen- de; — ſtrenge und unerbittliche Goͤttinnen, das Unrecht und den Frevel zu ſtrafen, mit Schlan- genhaaren auf dem Haupte, und Dolchen und Fa- ckeln in den Haͤnden. — Sie quaͤlten den Ver- brecher mit ſchrecklichen Erſcheinungen; — ſie ver- folgten Oreſt, den Muttermoͤrder, und ließen ihm keine Raſt. — Die Ehrfurcht gegen ſie ging ſo weit, daß man ſich kaum getraute, ihre Nah- men zu nennen; — doch ſuchte man durch Gebet und Opfer ſie zu verſoͤhnen. Die Strafen der Verurtheilten im Tartarus. Die Verdammten im Tartarus ſind nicht ſo- wohl zum eigentlichen Leiden, als vielmehr zu einer zweckloſen Thaͤtigkeit, in ſo fern dieſelbe ein Bild des muͤhevollen Lebens iſt, verurtheilt. — Ihre Strafe ſcheint zu ſeyn, daß ſelbſt noch in die Behauſung der Todten ihr raſtloſes Leben ſie verfolgt, und ihre grenzenloſen Beſtrebungen nach einem zu hohen Ziele, wodurch ſie den Goͤttern ſich verhaßt machten, die es nicht dulden koͤnnen, wenn Sterbliche, auf irgend eine Weiſe, ihnen zu ſehr ſich naͤhern wollen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/468
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/468>, abgerufen am 21.12.2024.