zu diesem Werke die rohen Einwohner zu ermun- tern wußte, hüllt die Dichtung in die schöne Fabel ein, daß er durch die Töne seiner Leyer die Stei- ne selbst bewegt habe, sich zusammenzufügen, und zu Mauern und Thürmen sich zu bilden.
Nach dem Tode des Amphion und Zethus riefen die Thebaner den verjagten Lajus, des Lab- dakus Sohn zurück, und gaben ihm die Herrschaft wieder, worauf er mit der Jokaste, der Schwester des Kreon, eines Thebanischen Fürsten, sich ver- mählte.
Oedipus.
Dem Lajus war geweißagt worden, daß sein Sohn ihn erschlagen würde. -- Als ihm daher Jokaste den Oedipus gebahr, so ließ er ihn in einer wüsten Gegend aussetzen. Der vertraute Bediente, der dieß Geschäft verrichtete, band das Kind mit den Füßen an einen Baum.
In diesem Zustande fand es Phorbas, der Aufseher der Heerden des Königs Polybius, der Korinth beherrschte. Dieser nahm das Kind, als es ihm Phorbas brachte, selbst an Kindes statt an, und man gab ihm von seinen geschwollnen Füßen, den Nahmen Oedipus.
Die Pflegeältern des Oedipus verhehlten sorg- fältig vor ihm die Ungewißheit seiner Abkunft, so daß er von Kindheit an, sie für seine wahren El-
zu dieſem Werke die rohen Einwohner zu ermun- tern wußte, huͤllt die Dichtung in die ſchoͤne Fabel ein, daß er durch die Toͤne ſeiner Leyer die Stei- ne ſelbſt bewegt habe, ſich zuſammenzufuͤgen, und zu Mauern und Thuͤrmen ſich zu bilden.
Nach dem Tode des Amphion und Zethus riefen die Thebaner den verjagten Lajus, des Lab- dakus Sohn zuruͤck, und gaben ihm die Herrſchaft wieder, worauf er mit der Jokaſte, der Schweſter des Kreon, eines Thebaniſchen Fuͤrſten, ſich ver- maͤhlte.
Oedipus.
Dem Lajus war geweißagt worden, daß ſein Sohn ihn erſchlagen wuͤrde. — Als ihm daher Jokaſte den Oedipus gebahr, ſo ließ er ihn in einer wuͤſten Gegend ausſetzen. Der vertraute Bediente, der dieß Geſchaͤft verrichtete, band das Kind mit den Fuͤßen an einen Baum.
In dieſem Zuſtande fand es Phorbas, der Aufſeher der Heerden des Koͤnigs Polybius, der Korinth beherrſchte. Dieſer nahm das Kind, als es ihm Phorbas brachte, ſelbſt an Kindes ſtatt an, und man gab ihm von ſeinen geſchwollnen Fuͤßen, den Nahmen Oedipus.
Die Pflegeaͤltern des Oedipus verhehlten ſorg- faͤltig vor ihm die Ungewißheit ſeiner Abkunft, ſo daß er von Kindheit an, ſie fuͤr ſeine wahren El-
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zu dieſem Werke die rohen Einwohner zu ermun-
tern wußte, huͤllt die Dichtung in die ſchoͤne Fabel
ein, daß er durch die Toͤne ſeiner Leyer die Stei-
ne ſelbſt bewegt habe, ſich zuſammenzufuͤgen, und
zu Mauern und Thuͤrmen ſich zu bilden.
Nach dem Tode des Amphion und Zethus
riefen die Thebaner den verjagten Lajus, des Lab-
dakus Sohn zuruͤck, und gaben ihm die Herrſchaft
wieder, worauf er mit der Jokaſte, der Schweſter
des Kreon, eines Thebaniſchen Fuͤrſten, ſich ver-
maͤhlte.
Oedipus.
Dem Lajus war geweißagt worden, daß ſein
Sohn ihn erſchlagen wuͤrde. — Als ihm daher
Jokaſte den Oedipus gebahr, ſo ließ er ihn in
einer wuͤſten Gegend ausſetzen. Der vertraute
Bediente, der dieß Geſchaͤft verrichtete, band das
Kind mit den Fuͤßen an einen Baum.
In dieſem Zuſtande fand es Phorbas, der
Aufſeher der Heerden des Koͤnigs Polybius, der
Korinth beherrſchte. Dieſer nahm das Kind,
als es ihm Phorbas brachte, ſelbſt an Kindes ſtatt
an, und man gab ihm von ſeinen geſchwollnen
Fuͤßen, den Nahmen Oedipus.
Die Pflegeaͤltern des Oedipus verhehlten ſorg-
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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/421>, abgerufen am 20.11.2024.
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