zurückwarf, und wie ein reitzendes Blendwerk über der Wirklichkeit gaukelnd schwebte.
So schweifte die Oreade auf den Bergen umher, um mit ihren Schwestern, im Gefolge der Diana, die Spur des Wildes zu verfolgen; jeder zärtlichen Neigung ihr Herz verschließend, so wie die strenge Göttin, die sie begleitete.
Mit ihrem Wasserkruge saß, in der einsamen Mittagsstunde, die Najade am Quell, und ließ mit sanften Murmeln, des Baches klare Fluth hinströmen. -- Gefährlich aber waren die Liebko- sungen der Najaden; sie umarmten den schönen Hylas, des Herkules Liebling, als er Wasser schöpfte, und zogen ihn zu sich in den Brunnen herab. -- Vergebens rief Herkules seinen Nah- men, nie ward sein Liebling mehr gesehen.
Im heiligen Dunkel des Waldes wohnten die Dryaden; und die Hamadryade bewohnte ihren einzigen Baum, mit dem sie gebohren ward und starb. -- Wer einen solchen Baum erhielt, dem dankte die Nymphe ihr Leben. -- so ward selbst die leblose Natur ein Gegenstand des theil- nehmenden Wohlwollens der Sterblichen.
Satyrn.
In das Dunkel des Waldes versetzt die Dich- tung auch die Satyrn mit Hörnern und Ziegen-
zuruͤckwarf, und wie ein reitzendes Blendwerk uͤber der Wirklichkeit gaukelnd ſchwebte.
So ſchweifte die Oreade auf den Bergen umher, um mit ihren Schweſtern, im Gefolge der Diana, die Spur des Wildes zu verfolgen; jeder zaͤrtlichen Neigung ihr Herz verſchließend, ſo wie die ſtrenge Goͤttin, die ſie begleitete.
Mit ihrem Waſſerkruge ſaß, in der einſamen Mittagsſtunde, die Najade am Quell, und ließ mit ſanften Murmeln, des Baches klare Fluth hinſtroͤmen. — Gefaͤhrlich aber waren die Liebko- ſungen der Najaden; ſie umarmten den ſchoͤnen Hylas, des Herkules Liebling, als er Waſſer ſchoͤpfte, und zogen ihn zu ſich in den Brunnen herab. — Vergebens rief Herkules ſeinen Nah- men, nie ward ſein Liebling mehr geſehen.
Im heiligen Dunkel des Waldes wohnten die Dryaden; und die Hamadryade bewohnte ihren einzigen Baum, mit dem ſie gebohren ward und ſtarb. — Wer einen ſolchen Baum erhielt, dem dankte die Nymphe ihr Leben. — ſo ward ſelbſt die lebloſe Natur ein Gegenſtand des theil- nehmenden Wohlwollens der Sterblichen.
Satyrn.
In das Dunkel des Waldes verſetzt die Dich- tung auch die Satyrn mit Hoͤrnern und Ziegen-
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zuruͤckwarf, und wie ein reitzendes Blendwerk
uͤber der Wirklichkeit gaukelnd ſchwebte.
So ſchweifte die Oreade auf den Bergen
umher, um mit ihren Schweſtern, im Gefolge
der Diana, die Spur des Wildes zu verfolgen;
jeder zaͤrtlichen Neigung ihr Herz verſchließend,
ſo wie die ſtrenge Goͤttin, die ſie begleitete.
Mit ihrem Waſſerkruge ſaß, in der einſamen
Mittagsſtunde, die Najade am Quell, und ließ
mit ſanften Murmeln, des Baches klare Fluth
hinſtroͤmen. — Gefaͤhrlich aber waren die Liebko-
ſungen der Najaden; ſie umarmten den ſchoͤnen
Hylas, des Herkules Liebling, als er Waſſer
ſchoͤpfte, und zogen ihn zu ſich in den Brunnen
herab. — Vergebens rief Herkules ſeinen Nah-
men, nie ward ſein Liebling mehr geſehen.
Im heiligen Dunkel des Waldes wohnten die
Dryaden; und die Hamadryade bewohnte ihren
einzigen Baum, mit dem ſie gebohren ward
und ſtarb. — Wer einen ſolchen Baum erhielt,
dem dankte die Nymphe ihr Leben. — ſo ward
ſelbſt die lebloſe Natur ein Gegenſtand des theil-
nehmenden Wohlwollens der Sterblichen.
Satyrn.
In das Dunkel des Waldes verſetzt die Dich-
tung auch die Satyrn mit Hoͤrnern und Ziegen-
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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/377>, abgerufen am 30.12.2024.
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