Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 3. Berlin, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite


seinem Temperament angemessen, meistens schnell abwechselnd auf einem Fuß hüpfend, seine Stellung ist ganz unbekümmert, er mag vor sich haben, wen er will, ganz Natur, und dabei der auffallendste Ausdruck seiner Unverstelltheit. Sein äußerliches Betragen entspricht seinen Gesichtszügen, seinem Gang und seiner Stellung völlig. Ganz ungenirt, und ohne sich an die Ceremoniengesetze der feinern Welt zu kehren, sagt er jedem, der ihn nicht durch finstere Minen von sich abschreckt, seine Herzensmeinung offen, wo aber dieses ist, da entfernt er sich gänzlich. Dabei ist es ihm auch nicht darum zu thun, unbeleidigende Ausdrücke zu wählen, sondern er bekümmert sich wenig darum, ob das, was er sagt, jemand beleidigen könnte oder nicht, doch meint er es nie bös dabei. Auf Ordnung hält er nicht so viel als sein Bruder, doch ist sie ihm auch nicht ganz fremd. Sein ganzes Wesen ist unverstellte Munterkeit und Heiterkeit. Wer ihn in den Aeußerungen derselben stören will, dem ist er nicht gut, und er läßt sich auch nicht leicht dabei einschränken. Meistens äußert er sie in solchen possirlichen Handlungen und Geberden, daß er oft einem wahren Harlekin ähnlich wird. -- Diese Heiterkeit aber ist mit einer unverstellten Herzensgüte verbunden, die ihm die Liebe aller, die ihn kennen, erwerben muß. Entfernt von aller Tücke oder Bosheit liebt er alle Menschen, aber er sagt es niemand, daß er ihn liebt, und es kommt ihm sogar sauer an,


seinem Temperament angemessen, meistens schnell abwechselnd auf einem Fuß huͤpfend, seine Stellung ist ganz unbekuͤmmert, er mag vor sich haben, wen er will, ganz Natur, und dabei der auffallendste Ausdruck seiner Unverstelltheit. Sein aͤußerliches Betragen entspricht seinen Gesichtszuͤgen, seinem Gang und seiner Stellung voͤllig. Ganz ungenirt, und ohne sich an die Ceremoniengesetze der feinern Welt zu kehren, sagt er jedem, der ihn nicht durch finstere Minen von sich abschreckt, seine Herzensmeinung offen, wo aber dieses ist, da entfernt er sich gaͤnzlich. Dabei ist es ihm auch nicht darum zu thun, unbeleidigende Ausdruͤcke zu waͤhlen, sondern er bekuͤmmert sich wenig darum, ob das, was er sagt, jemand beleidigen koͤnnte oder nicht, doch meint er es nie boͤs dabei. Auf Ordnung haͤlt er nicht so viel als sein Bruder, doch ist sie ihm auch nicht ganz fremd. Sein ganzes Wesen ist unverstellte Munterkeit und Heiterkeit. Wer ihn in den Aeußerungen derselben stoͤren will, dem ist er nicht gut, und er laͤßt sich auch nicht leicht dabei einschraͤnken. Meistens aͤußert er sie in solchen possirlichen Handlungen und Geberden, daß er oft einem wahren Harlekin aͤhnlich wird. — Diese Heiterkeit aber ist mit einer unverstellten Herzensguͤte verbunden, die ihm die Liebe aller, die ihn kennen, erwerben muß. Entfernt von aller Tuͤcke oder Bosheit liebt er alle Menschen, aber er sagt es niemand, daß er ihn liebt, und es kommt ihm sogar sauer an,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0100" n="100"/><lb/>
seinem Temperament angemessen,                         meistens schnell abwechselnd auf einem Fuß hu&#x0364;pfend, seine Stellung ist ganz                         unbeku&#x0364;mmert, er mag vor sich haben, wen er will, ganz Natur, und dabei der                         auffallendste Ausdruck seiner Unverstelltheit. Sein a&#x0364;ußerliches Betragen                         entspricht seinen Gesichtszu&#x0364;gen, seinem Gang und seiner Stellung vo&#x0364;llig.                         Ganz ungenirt, und ohne sich an die Ceremoniengesetze der feinern Welt zu                         kehren, sagt er jedem, der ihn nicht durch finstere Minen von sich                         abschreckt, seine Herzensmeinung offen, wo aber dieses ist, da entfernt er                         sich ga&#x0364;nzlich. Dabei ist es ihm auch nicht darum zu thun, unbeleidigende                         Ausdru&#x0364;cke zu wa&#x0364;hlen, sondern er beku&#x0364;mmert sich wenig darum, ob das, was er                         sagt, jemand beleidigen ko&#x0364;nnte oder nicht, doch meint er es nie bo&#x0364;s dabei.                         Auf Ordnung ha&#x0364;lt er nicht so viel als sein Bruder, doch ist sie ihm auch                         nicht ganz fremd. Sein ganzes Wesen ist unverstellte Munterkeit und                         Heiterkeit. Wer ihn in den Aeußerungen derselben sto&#x0364;ren will, dem ist er                         nicht gut, und er la&#x0364;ßt sich auch nicht leicht dabei einschra&#x0364;nken. Meistens                         a&#x0364;ußert er sie in solchen possirlichen Handlungen und Geberden, daß er oft                         einem wahren Harlekin a&#x0364;hnlich wird. &#x2014; Diese Heiterkeit aber ist mit einer                         unverstellten Herzensgu&#x0364;te verbunden, die ihm die Liebe aller, die ihn                         kennen, erwerben muß. Entfernt von aller Tu&#x0364;cke oder Bosheit liebt er alle                         Menschen, aber er sagt es niemand, daß er ihn liebt, und es kommt ihm sogar                         sauer an,<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[100/0100] seinem Temperament angemessen, meistens schnell abwechselnd auf einem Fuß huͤpfend, seine Stellung ist ganz unbekuͤmmert, er mag vor sich haben, wen er will, ganz Natur, und dabei der auffallendste Ausdruck seiner Unverstelltheit. Sein aͤußerliches Betragen entspricht seinen Gesichtszuͤgen, seinem Gang und seiner Stellung voͤllig. Ganz ungenirt, und ohne sich an die Ceremoniengesetze der feinern Welt zu kehren, sagt er jedem, der ihn nicht durch finstere Minen von sich abschreckt, seine Herzensmeinung offen, wo aber dieses ist, da entfernt er sich gaͤnzlich. Dabei ist es ihm auch nicht darum zu thun, unbeleidigende Ausdruͤcke zu waͤhlen, sondern er bekuͤmmert sich wenig darum, ob das, was er sagt, jemand beleidigen koͤnnte oder nicht, doch meint er es nie boͤs dabei. Auf Ordnung haͤlt er nicht so viel als sein Bruder, doch ist sie ihm auch nicht ganz fremd. Sein ganzes Wesen ist unverstellte Munterkeit und Heiterkeit. Wer ihn in den Aeußerungen derselben stoͤren will, dem ist er nicht gut, und er laͤßt sich auch nicht leicht dabei einschraͤnken. Meistens aͤußert er sie in solchen possirlichen Handlungen und Geberden, daß er oft einem wahren Harlekin aͤhnlich wird. — Diese Heiterkeit aber ist mit einer unverstellten Herzensguͤte verbunden, die ihm die Liebe aller, die ihn kennen, erwerben muß. Entfernt von aller Tuͤcke oder Bosheit liebt er alle Menschen, aber er sagt es niemand, daß er ihn liebt, und es kommt ihm sogar sauer an,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0703_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0703_1789/100
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 3. Berlin, 1789, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0703_1789/100>, abgerufen am 27.04.2024.