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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 2. Berlin, 1786.

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Herzchen einigermaassen abgehärtet haben mag, sondern der Umstand, daß sie Wöchnerin, folglich eine Kranke ist, deren Nervensystem angegriffen und in einer Zerrüttung ist. Einer solchen oft ganz kurz daurenden körperlichen Disposition, und besonders der körperlichen Theile, die uns Jdeen durch äußere sinnliche Vorstellungen zuführen, schreibe ich das zu, was wir Phantasmen nennen, da unserm Auge das Schreckbild als wirklich da stehend scheinen kann, was unsere Jmagination einst bestürmt hat, und bin daher der Meinung, daß wir, noch unbekannt mit dem Knoten des Bandes, welches Körper und Geist so dicht verknüpft, dem Geiste zuschreiben, was wir dem Körper beimessen sollten. --

Noch eine weit wichtigere Ereigniß der Art will ich bei dieser Gelegenheit Jhnen doch auch erzählen. Diese ist weit wichtiger wegen des berühmten Mannes, der sie mir, als von dem ihm wiederum so glaubhaften unverwerflichen Zeugen, dem es wiederfuhr, erzählt hat. Herr Professor M** in G**, dem ich die eine Hälfte meiner geistigen Cultur verdanke, wenn ich wegen der andern Hälfte ein großer Schuldner des vortreflichen Herze bleibe, Herr M**, den Deutschland unter seine größten Denker zählt, erzählte mir einst bei den lehrreichen Besuchen, wozu er mich so geneigt einlud, wie ich durch seine so genau durchdachten und ausgearbeiteten Vorlesungen über die Seelenlehre auf den Gegenstand von der Einbil-


Herzchen einigermaassen abgehaͤrtet haben mag, sondern der Umstand, daß sie Woͤchnerin, folglich eine Kranke ist, deren Nervensystem angegriffen und in einer Zerruͤttung ist. Einer solchen oft ganz kurz daurenden koͤrperlichen Disposition, und besonders der koͤrperlichen Theile, die uns Jdeen durch aͤußere sinnliche Vorstellungen zufuͤhren, schreibe ich das zu, was wir Phantasmen nennen, da unserm Auge das Schreckbild als wirklich da stehend scheinen kann, was unsere Jmagination einst bestuͤrmt hat, und bin daher der Meinung, daß wir, noch unbekannt mit dem Knoten des Bandes, welches Koͤrper und Geist so dicht verknuͤpft, dem Geiste zuschreiben, was wir dem Koͤrper beimessen sollten. —

Noch eine weit wichtigere Ereigniß der Art will ich bei dieser Gelegenheit Jhnen doch auch erzaͤhlen. Diese ist weit wichtiger wegen des beruͤhmten Mannes, der sie mir, als von dem ihm wiederum so glaubhaften unverwerflichen Zeugen, dem es wiederfuhr, erzaͤhlt hat. Herr Professor M** in G**, dem ich die eine Haͤlfte meiner geistigen Cultur verdanke, wenn ich wegen der andern Haͤlfte ein großer Schuldner des vortreflichen Herze bleibe, Herr M**, den Deutschland unter seine groͤßten Denker zaͤhlt, erzaͤhlte mir einst bei den lehrreichen Besuchen, wozu er mich so geneigt einlud, wie ich durch seine so genau durchdachten und ausgearbeiteten Vorlesungen uͤber die Seelenlehre auf den Gegenstand von der Einbil-

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[40/0040] Herzchen einigermaassen abgehaͤrtet haben mag, sondern der Umstand, daß sie Woͤchnerin, folglich eine Kranke ist, deren Nervensystem angegriffen und in einer Zerruͤttung ist. Einer solchen oft ganz kurz daurenden koͤrperlichen Disposition, und besonders der koͤrperlichen Theile, die uns Jdeen durch aͤußere sinnliche Vorstellungen zufuͤhren, schreibe ich das zu, was wir Phantasmen nennen, da unserm Auge das Schreckbild als wirklich da stehend scheinen kann, was unsere Jmagination einst bestuͤrmt hat, und bin daher der Meinung, daß wir, noch unbekannt mit dem Knoten des Bandes, welches Koͤrper und Geist so dicht verknuͤpft, dem Geiste zuschreiben, was wir dem Koͤrper beimessen sollten. — Noch eine weit wichtigere Ereigniß der Art will ich bei dieser Gelegenheit Jhnen doch auch erzaͤhlen. Diese ist weit wichtiger wegen des beruͤhmten Mannes, der sie mir, als von dem ihm wiederum so glaubhaften unverwerflichen Zeugen, dem es wiederfuhr, erzaͤhlt hat. Herr Professor M** in G**, dem ich die eine Haͤlfte meiner geistigen Cultur verdanke, wenn ich wegen der andern Haͤlfte ein großer Schuldner des vortreflichen Herze bleibe, Herr M**, den Deutschland unter seine groͤßten Denker zaͤhlt, erzaͤhlte mir einst bei den lehrreichen Besuchen, wozu er mich so geneigt einlud, wie ich durch seine so genau durchdachten und ausgearbeiteten Vorlesungen uͤber die Seelenlehre auf den Gegenstand von der Einbil-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 2. Berlin, 1786, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0402_1786/40>, abgerufen am 26.04.2024.