Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 1. Berlin, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite
V.

Dasjenige, was die augenscheinliche Zerstörung
des Körpers mit Gleichmuth ansehen, und bis auf
den letzten Augenblick bemerken kann, muß noth-
wendig etwas anders, als der Körper selber, muß
ein höheres, sich dem Staube entschwingendes We-
sen seyn. Jn dieser beruhigenden Rücksicht denke
ich immer gern an die letzten Stunden meines
unvergeßlichen Freundes, des seeligen Herrn
Professors
Johann Georg Zierlein.

Mit Wehmuth schreib' ich seinen Nahmen
nieder. -- Denn vor zwei Monathen dachte ich es
noch nicht, daß ich jetzt von seinem Tode reden
würde. Wenn aber die letzten Stunden solcher
Personen, welche sich in ihrem ganzen Leben durch
redlichen Wahrheits- und Tugendeifer vorzüglich
ausgezeichnet haben, merkwürdig sind, so sind es
gewiß die seinigen.

Jch werde davon erzählen, was ich aus dem
Munde seines Bruders des Herrn Kandidat Zier-
lein
, jetzigen Lehrers am hiesigen großen Frie-
drichs-Hospital, der bis an den letzten Augenblick
bei ihm war, mit Gewißheit weiß, wenn ich vor-
her noch das Nöthige von seinen Lebensumständen
vorangeschickt habe.


Er
V.

Dasjenige, was die augenscheinliche Zerstoͤrung
des Koͤrpers mit Gleichmuth ansehen, und bis auf
den letzten Augenblick bemerken kann, muß noth-
wendig etwas anders, als der Koͤrper selber, muß
ein hoͤheres, sich dem Staube entschwingendes We-
sen seyn. Jn dieser beruhigenden Ruͤcksicht denke
ich immer gern an die letzten Stunden meines
unvergeßlichen Freundes, des seeligen Herrn
Professors
Johann Georg Zierlein.

Mit Wehmuth schreib‘ ich seinen Nahmen
nieder. — Denn vor zwei Monathen dachte ich es
noch nicht, daß ich jetzt von seinem Tode reden
wuͤrde. Wenn aber die letzten Stunden solcher
Personen, welche sich in ihrem ganzen Leben durch
redlichen Wahrheits- und Tugendeifer vorzuͤglich
ausgezeichnet haben, merkwuͤrdig sind, so sind es
gewiß die seinigen.

Jch werde davon erzaͤhlen, was ich aus dem
Munde seines Bruders des Herrn Kandidat Zier-
lein
, jetzigen Lehrers am hiesigen großen Frie-
drichs-Hospital, der bis an den letzten Augenblick
bei ihm war, mit Gewißheit weiß, wenn ich vor-
her noch das Noͤthige von seinen Lebensumstaͤnden
vorangeschickt habe.


Er
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0060" n="56"/>
        <div n="2">
          <head rendition="#c"> <hi rendition="#b">V.</hi> </head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">D</hi>asjenige, was die augenscheinliche
                   Zersto&#x0364;rung<lb/>
des Ko&#x0364;rpers mit Gleichmuth ansehen, und bis
                   auf<lb/>
den letzten Augenblick <hi rendition="#b">bemerken</hi> kann, muß
                   noth-<lb/>
wendig etwas anders, als der Ko&#x0364;rper selber, muß<lb/>
ein
                   ho&#x0364;heres, sich dem Staube entschwingendes We-<lb/>
sen seyn. Jn dieser
                   beruhigenden Ru&#x0364;cksicht denke<lb/>
ich immer gern an die letzten Stunden
                   meines<lb/>
unvergeßlichen Freundes, des <hi rendition="#b">seeligen
                         Herrn<lb/>
Professors<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Johann Georg
                            Zierlein.</hi></hi></hi></p><lb/>
          <p>Mit Wehmuth schreib&#x2018; ich seinen Nahmen<lb/>
nieder. &#x2014; Denn vor zwei Monathen dachte
                   ich es<lb/>
noch nicht, daß ich jetzt von seinem Tode reden<lb/>
wu&#x0364;rde. Wenn
                   aber die letzten Stunden solcher<lb/>
Personen, welche sich in ihrem ganzen Leben
                   durch<lb/>
redlichen Wahrheits- und Tugendeifer
                   vorzu&#x0364;glich<lb/>
ausgezeichnet haben, merkwu&#x0364;rdig sind, so sind
                   es<lb/>
gewiß die seinigen.</p><lb/>
          <p>Jch werde davon erza&#x0364;hlen, was ich aus dem<lb/>
Munde seines Bruders des
                   Herrn Kandidat <hi rendition="#b">Zier-<lb/>
lein</hi>, jetzigen Lehrers am
                   hiesigen großen Frie-<lb/>
drichs-Hospital, der bis an den letzten
                   Augenblick<lb/>
bei ihm war, mit Gewißheit weiß, wenn ich vor-<lb/>
her noch das
                   No&#x0364;thige von seinen Lebensumsta&#x0364;nden<lb/>
vorangeschickt habe.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Er</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[56/0060] V. Dasjenige, was die augenscheinliche Zerstoͤrung des Koͤrpers mit Gleichmuth ansehen, und bis auf den letzten Augenblick bemerken kann, muß noth- wendig etwas anders, als der Koͤrper selber, muß ein hoͤheres, sich dem Staube entschwingendes We- sen seyn. Jn dieser beruhigenden Ruͤcksicht denke ich immer gern an die letzten Stunden meines unvergeßlichen Freundes, des seeligen Herrn Professors Johann Georg Zierlein. Mit Wehmuth schreib‘ ich seinen Nahmen nieder. — Denn vor zwei Monathen dachte ich es noch nicht, daß ich jetzt von seinem Tode reden wuͤrde. Wenn aber die letzten Stunden solcher Personen, welche sich in ihrem ganzen Leben durch redlichen Wahrheits- und Tugendeifer vorzuͤglich ausgezeichnet haben, merkwuͤrdig sind, so sind es gewiß die seinigen. Jch werde davon erzaͤhlen, was ich aus dem Munde seines Bruders des Herrn Kandidat Zier- lein, jetzigen Lehrers am hiesigen großen Frie- drichs-Hospital, der bis an den letzten Augenblick bei ihm war, mit Gewißheit weiß, wenn ich vor- her noch das Noͤthige von seinen Lebensumstaͤnden vorangeschickt habe. Er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Gloning, Marc Kuse, Justus-Liebig-Universität: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2013-06-06T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jurgita Baranauskaite, Justus-Liebig-Universität: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2013-06-06T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-06-06T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01_1783/60
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 1. Berlin, 1783, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01_1783/60>, abgerufen am 21.12.2024.