Das sechste Jahrhundert ist die Blüthezeit wie des römi- schen Staats so auch der römischen Litteratur. Zwar begegnet auf dem schriftstellerischen Gebiet so wenig wie auf dem politi- schen ein Mann ersten Ranges; Naevius, Ennius, Plautus, Cato, begabte und lebendige Schriftsteller von scharf ausgeprägter In- dividualität, sind nicht im höchsten Sinn schöpferische Talente; aber nichts desto weniger fühlt man dem Schwung, der Rührigkeit, der Keckheit der dramatischen, epischen, historischen Bestrebun- gen es an, dass sie ruhen auf den Riesenkämpfen der punischen Kriege. Es ist vieles nur künstlich verpflanzt, in Zeichnung und Farbe vielfach gefehlt, Kunstform und Sprache unrein behandelt, Griechisches und Nationales barock in einander ge- fügt; die ganze Leistung verleugnet den Stempel des schulmäs- sigen Ursprungs nicht und ist und bleibt unselbstständig und unvollkommen; aber dennoch lebt in den Dichtern und Schrift- stellern dieser Zeit wo nicht die volle Kraft das hohe Ziel zu er- reichen doch der Muth und die Hoffnung mit den Griechen zu wetteifern. Anders ist es in dieser Epoche. Die Morgennebel sanken; was man im frischen Gefühl der im Kriege gestählten Volkskraft begonnen hatte, mit jugendlichem Mangel an Einsicht in die Schwierigkeit des Beginnens und in das Mass der eigenen Kräfte, aber auch mit jugendlicher Lust und Liebe zum Werke, das vermochte man nicht weiter zu führen, als theils die dumpfe Schwüle der heraufziehenden revolutionären Gewitter die Luft zu erfüllen begann, theils den Einsichtigeren allmählich die Augen
KAPITEL XIII. Litteratur und Kunst.
Das sechste Jahrhundert ist die Blüthezeit wie des römi- schen Staats so auch der römischen Litteratur. Zwar begegnet auf dem schriftstellerischen Gebiet so wenig wie auf dem politi- schen ein Mann ersten Ranges; Naevius, Ennius, Plautus, Cato, begabte und lebendige Schriftsteller von scharf ausgeprägter In- dividualität, sind nicht im höchsten Sinn schöpferische Talente; aber nichts desto weniger fühlt man dem Schwung, der Rührigkeit, der Keckheit der dramatischen, epischen, historischen Bestrebun- gen es an, daſs sie ruhen auf den Riesenkämpfen der punischen Kriege. Es ist vieles nur künstlich verpflanzt, in Zeichnung und Farbe vielfach gefehlt, Kunstform und Sprache unrein behandelt, Griechisches und Nationales barock in einander ge- fügt; die ganze Leistung verleugnet den Stempel des schulmäs- sigen Ursprungs nicht und ist und bleibt unselbstständig und unvollkommen; aber dennoch lebt in den Dichtern und Schrift- stellern dieser Zeit wo nicht die volle Kraft das hohe Ziel zu er- reichen doch der Muth und die Hoffnung mit den Griechen zu wetteifern. Anders ist es in dieser Epoche. Die Morgennebel sanken; was man im frischen Gefühl der im Kriege gestählten Volkskraft begonnen hatte, mit jugendlichem Mangel an Einsicht in die Schwierigkeit des Beginnens und in das Maſs der eigenen Kräfte, aber auch mit jugendlicher Lust und Liebe zum Werke, das vermochte man nicht weiter zu führen, als theils die dumpfe Schwüle der heraufziehenden revolutionären Gewitter die Luft zu erfüllen begann, theils den Einsichtigeren allmählich die Augen
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KAPITEL XIII.
Litteratur und Kunst.
Das sechste Jahrhundert ist die Blüthezeit wie des römi-
schen Staats so auch der römischen Litteratur. Zwar begegnet
auf dem schriftstellerischen Gebiet so wenig wie auf dem politi-
schen ein Mann ersten Ranges; Naevius, Ennius, Plautus, Cato,
begabte und lebendige Schriftsteller von scharf ausgeprägter In-
dividualität, sind nicht im höchsten Sinn schöpferische Talente;
aber nichts desto weniger fühlt man dem Schwung, der Rührigkeit,
der Keckheit der dramatischen, epischen, historischen Bestrebun-
gen es an, daſs sie ruhen auf den Riesenkämpfen der punischen
Kriege. Es ist vieles nur künstlich verpflanzt, in Zeichnung
und Farbe vielfach gefehlt, Kunstform und Sprache unrein
behandelt, Griechisches und Nationales barock in einander ge-
fügt; die ganze Leistung verleugnet den Stempel des schulmäs-
sigen Ursprungs nicht und ist und bleibt unselbstständig und
unvollkommen; aber dennoch lebt in den Dichtern und Schrift-
stellern dieser Zeit wo nicht die volle Kraft das hohe Ziel zu er-
reichen doch der Muth und die Hoffnung mit den Griechen zu
wetteifern. Anders ist es in dieser Epoche. Die Morgennebel
sanken; was man im frischen Gefühl der im Kriege gestählten
Volkskraft begonnen hatte, mit jugendlichem Mangel an Einsicht
in die Schwierigkeit des Beginnens und in das Maſs der eigenen
Kräfte, aber auch mit jugendlicher Lust und Liebe zum Werke,
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Schwüle der heraufziehenden revolutionären Gewitter die Luft zu
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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. [410]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/420>, abgerufen am 21.11.2024.
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