Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.daher lediglich Sache des Beliebens und der Kenntnisse, einen statistischen Durchschnitt in einer Geschichte zu machen, wenn und wo eine solche Ge- sammtübersicht über die Zustände wünschenswerth erscheint. 3) Die Statistik ist vor Allem dadurch in Mißkredit gekommen, daß ihre Thatsachen willkührlich und oft vollkommen fälschlich als Ursache und Wirkung verbunden worden sind, oder daß wenigstens einseitig Eine Gat- tung von Thatsachen als Begründung eines Urtheiles und als Rechtferti- gung einer Forderung aufgeführt wurde, wo in der Wirklichkeit eine große Anzahl verschiedener Zustände zusammenwirkten, und sie also sämmtlich zu berücksichtigen waren. Dies ist aber offenbar kein Fehler der Wissenschaft, sondern nur ein Vorwurf für die sie unrichtig Benützenden. 4) Ueber die Ueberschätzung der Zahlen und die Unzulässigkeit einer Zurückführung der gesammten Statistik auf Thatsachen, welche in Zahlen ausgedrückt werden können, s. meine Geschichte und Literatur der St.-W., Bd. III, S. 668. 5) Wenn in früherer Zeit die gesellschaftlichen Zustände in der Regel in der Statistik vernachlässigt wurden und diese dadurch leer und formell erschien: so ist jetzt Gefahr zur Uebertreibung in entgegengesetzter Richtung. Abgesehen auch von falschem Geistreichthun in der Schilderung gesellschaft- licher Zustände, ist es eine Ueberschätzung derselben, wenn nur ihnen eine Wichtigkeit für das menschliche Leben und für die Erreichung seiner Zwecke zugeschrieben, die Einrichtungen und Grundsätze des Staates aber als etwas Gleichgültiges und blos Aeußerliches vernachlässigt werden. Ein Vorwurf in dieser Beziehung läßt sich den sonst so geist- und lehrreichen Arbeiten von Riehl nicht ersparen. § 111. 2. Die Quellen. Wenn eine statistische Schilderung nicht irre führen und Die Schwierigkeiten einer solchen Erkundung der That- daher lediglich Sache des Beliebens und der Kenntniſſe, einen ſtatiſtiſchen Durchſchnitt in einer Geſchichte zu machen, wenn und wo eine ſolche Ge- ſammtüberſicht über die Zuſtände wünſchenswerth erſcheint. 3) Die Statiſtik iſt vor Allem dadurch in Mißkredit gekommen, daß ihre Thatſachen willkührlich und oft vollkommen fälſchlich als Urſache und Wirkung verbunden worden ſind, oder daß wenigſtens einſeitig Eine Gat- tung von Thatſachen als Begründung eines Urtheiles und als Rechtferti- gung einer Forderung aufgeführt wurde, wo in der Wirklichkeit eine große Anzahl verſchiedener Zuſtände zuſammenwirkten, und ſie alſo ſämmtlich zu berückſichtigen waren. Dies iſt aber offenbar kein Fehler der Wiſſenſchaft, ſondern nur ein Vorwurf für die ſie unrichtig Benützenden. 4) Ueber die Ueberſchätzung der Zahlen und die Unzuläſſigkeit einer Zurückführung der geſammten Statiſtik auf Thatſachen, welche in Zahlen ausgedrückt werden können, ſ. meine Geſchichte und Literatur der St.-W., Bd. III, S. 668. 5) Wenn in früherer Zeit die geſellſchaftlichen Zuſtände in der Regel in der Statiſtik vernachläſſigt wurden und dieſe dadurch leer und formell erſchien: ſo iſt jetzt Gefahr zur Uebertreibung in entgegengeſetzter Richtung. Abgeſehen auch von falſchem Geiſtreichthun in der Schilderung geſellſchaft- licher Zuſtände, iſt es eine Ueberſchätzung derſelben, wenn nur ihnen eine Wichtigkeit für das menſchliche Leben und für die Erreichung ſeiner Zwecke zugeſchrieben, die Einrichtungen und Grundſätze des Staates aber als etwas Gleichgültiges und blos Aeußerliches vernachläſſigt werden. Ein Vorwurf in dieſer Beziehung läßt ſich den ſonſt ſo geiſt- und lehrreichen Arbeiten von Riehl nicht erſparen. § 111. 2. Die Quellen. Wenn eine ſtatiſtiſche Schilderung nicht irre führen und Die Schwierigkeiten einer ſolchen Erkundung der That- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <note place="end" n="2)"><pb facs="#f0750" n="736"/> daher lediglich Sache des Beliebens und der Kenntniſſe, einen ſtatiſtiſchen<lb/> Durchſchnitt in einer Geſchichte zu machen, wenn und wo eine ſolche Ge-<lb/> ſammtüberſicht über die Zuſtände wünſchenswerth erſcheint.</note><lb/> <note place="end" n="3)">Die Statiſtik iſt vor Allem dadurch in Mißkredit gekommen, daß<lb/> ihre Thatſachen willkührlich und oft vollkommen fälſchlich als Urſache und<lb/> Wirkung verbunden worden ſind, oder daß wenigſtens einſeitig Eine Gat-<lb/> tung von Thatſachen als Begründung eines Urtheiles und als Rechtferti-<lb/> gung einer Forderung aufgeführt wurde, wo in der Wirklichkeit eine große<lb/> Anzahl verſchiedener Zuſtände zuſammenwirkten, und ſie alſo ſämmtlich zu<lb/> berückſichtigen waren. 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²⁾ daher lediglich Sache des Beliebens und der Kenntniſſe, einen ſtatiſtiſchen
Durchſchnitt in einer Geſchichte zu machen, wenn und wo eine ſolche Ge-
ſammtüberſicht über die Zuſtände wünſchenswerth erſcheint.
³⁾ Die Statiſtik iſt vor Allem dadurch in Mißkredit gekommen, daß
ihre Thatſachen willkührlich und oft vollkommen fälſchlich als Urſache und
Wirkung verbunden worden ſind, oder daß wenigſtens einſeitig Eine Gat-
tung von Thatſachen als Begründung eines Urtheiles und als Rechtferti-
gung einer Forderung aufgeführt wurde, wo in der Wirklichkeit eine große
Anzahl verſchiedener Zuſtände zuſammenwirkten, und ſie alſo ſämmtlich zu
berückſichtigen waren. Dies iſt aber offenbar kein Fehler der Wiſſenſchaft,
ſondern nur ein Vorwurf für die ſie unrichtig Benützenden.
⁴⁾ Ueber die Ueberſchätzung der Zahlen und die Unzuläſſigkeit einer
Zurückführung der geſammten Statiſtik auf Thatſachen, welche in Zahlen
ausgedrückt werden können, ſ. meine Geſchichte und Literatur der St.-W.,
Bd. III, S. 668.
⁵⁾ Wenn in früherer Zeit die geſellſchaftlichen Zuſtände in der Regel
in der Statiſtik vernachläſſigt wurden und dieſe dadurch leer und formell
erſchien: ſo iſt jetzt Gefahr zur Uebertreibung in entgegengeſetzter Richtung.
Abgeſehen auch von falſchem Geiſtreichthun in der Schilderung geſellſchaft-
licher Zuſtände, iſt es eine Ueberſchätzung derſelben, wenn nur ihnen eine
Wichtigkeit für das menſchliche Leben und für die Erreichung ſeiner Zwecke
zugeſchrieben, die Einrichtungen und Grundſätze des Staates aber als etwas
Gleichgültiges und blos Aeußerliches vernachläſſigt werden. Ein Vorwurf
in dieſer Beziehung läßt ſich den ſonſt ſo geiſt- und lehrreichen Arbeiten
von Riehl nicht erſparen.
§ 111.
2. Die Quellen.
Wenn eine ſtatiſtiſche Schilderung nicht irre führen und
Schaden ſtiften ſoll, anſtatt zu belehren und zur Grundlage
von Staatshandlungen zu dienen, ſo müſſen ihre Angaben
wahr und vollſtändig ſein.
Die Schwierigkeiten einer ſolchen Erkundung der That-
ſachen ſind nun aber groß; theils wegen ihres häufig ſehr
bedeutenden Umfanges und ihrer großen Zahl, theils weil
nicht ſelten der Forſcher keinen Zutritt zu der vollſtändigen
und genauen Wahrheit hat, ſie ihm wohl aus Mißtrauen und
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