richtliche Verurtheilung von Schiffen ist in den Werken über das Seerecht nachzusehen.
5) Mehrere Beispiele von bitteren Klagen und von lange nachdauerndem Hasse wegen nicht eingehaltener Kapitulationen, und zwar namentlich wegen Verweigerung der Ratifikation nach bereits begonnener Vollziehung der Ueber- gabe, zeigen, wie äußerst sorgfällig in solchen Fällen verfahren werden muß. Und es ist auch einleuchtend, daß die Folgen einer Ueberschreitung der Be- fugniß zum Abschlusse einer Kapitulation nicht den der gewöhnlichen Regel vertrauenden Feind, sondern das eigene Heer und zunächst den sich ver- fehlenden Befehlshaber treffen müssen.
§ 74. e. Die Verbündeten.
Es ist wohl nicht löblich, daß nach dem bestehenden Ge- wohnheitsrechte bei den Bündnissen zum Behufe gemein- schaftlicher Kriegführung Mancherlei zugelassen wird, was der Natur der Sache nicht entspricht.
So ist es denn nach positivem Völkerrechte nicht unerlaubt, daß Staaten, welche bei einem Streitpunkte unmittelbar gar nicht betheiligt sind, sich doch an einen der Kriegführenden anschließen und ebenfalls in das Feld rücken.
Es ist ferner nach diesem Rechte nicht verboten, auch Offensivallianzen zu schließen, und zwar sogar allgemeine, d. h. in jedem Falle eines von dem Verbündeten beschlossenen Angriffskrieges geltende, als besondere, nur auf den gemein- schaftlichen Angriff eines bestimmten Staates berechnete. Ein solcher Angriff mag die Einmischung weiterer Staaten auch auf der anderen Seite veranlassen; aber er gilt nicht als eine grundsätzliche Verletzung des Völkerrechtes.
Dagegen mag man sich wohl mit der Eigenthümlichkeit einverstanden erklären, daß nach bestehenden Ansichten der Ver- bündete eines Feindes nicht unter allen Umständen als über- haupt im Kriege begriffen betrachtet und demgemäß auch in jeder Beziehung als Feind behandelt wird. Wenn nämlich
richtliche Verurtheilung von Schiffen iſt in den Werken über das Seerecht nachzuſehen.
5) Mehrere Beiſpiele von bitteren Klagen und von lange nachdauerndem Haſſe wegen nicht eingehaltener Kapitulationen, und zwar namentlich wegen Verweigerung der Ratifikation nach bereits begonnener Vollziehung der Ueber- gabe, zeigen, wie äußerſt ſorgfällig in ſolchen Fällen verfahren werden muß. Und es iſt auch einleuchtend, daß die Folgen einer Ueberſchreitung der Be- fugniß zum Abſchluſſe einer Kapitulation nicht den der gewöhnlichen Regel vertrauenden Feind, ſondern das eigene Heer und zunächſt den ſich ver- fehlenden Befehlshaber treffen müſſen.
§ 74. e. Die Verbündeten.
Es iſt wohl nicht löblich, daß nach dem beſtehenden Ge- wohnheitsrechte bei den Bündniſſen zum Behufe gemein- ſchaftlicher Kriegführung Mancherlei zugelaſſen wird, was der Natur der Sache nicht entſpricht.
So iſt es denn nach poſitivem Völkerrechte nicht unerlaubt, daß Staaten, welche bei einem Streitpunkte unmittelbar gar nicht betheiligt ſind, ſich doch an einen der Kriegführenden anſchließen und ebenfalls in das Feld rücken.
Es iſt ferner nach dieſem Rechte nicht verboten, auch Offenſivallianzen zu ſchließen, und zwar ſogar allgemeine, d. h. in jedem Falle eines von dem Verbündeten beſchloſſenen Angriffskrieges geltende, als beſondere, nur auf den gemein- ſchaftlichen Angriff eines beſtimmten Staates berechnete. Ein ſolcher Angriff mag die Einmiſchung weiterer Staaten auch auf der anderen Seite veranlaſſen; aber er gilt nicht als eine grundſätzliche Verletzung des Völkerrechtes.
Dagegen mag man ſich wohl mit der Eigenthümlichkeit einverſtanden erklären, daß nach beſtehenden Anſichten der Ver- bündete eines Feindes nicht unter allen Umſtänden als über- haupt im Kriege begriffen betrachtet und demgemäß auch in jeder Beziehung als Feind behandelt wird. Wenn nämlich
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><noteplace="end"n="4)"><pbfacs="#f0505"n="491"/>
richtliche Verurtheilung von Schiffen iſt in den Werken über das Seerecht<lb/>
nachzuſehen.</note><lb/><noteplace="end"n="5)">Mehrere Beiſpiele von bitteren Klagen und von lange nachdauerndem<lb/>
Haſſe wegen nicht eingehaltener Kapitulationen, und zwar namentlich wegen<lb/>
Verweigerung der Ratifikation nach bereits begonnener Vollziehung der Ueber-<lb/>
gabe, zeigen, wie äußerſt ſorgfällig in ſolchen Fällen verfahren werden muß.<lb/>
Und es iſt auch einleuchtend, daß die Folgen einer Ueberſchreitung der Be-<lb/>
fugniß zum Abſchluſſe einer Kapitulation nicht den der gewöhnlichen Regel<lb/>
vertrauenden Feind, ſondern das eigene Heer und zunächſt den ſich ver-<lb/>
fehlenden Befehlshaber treffen müſſen.</note></div><lb/><divn="6"><head>§ 74.<lb/><hirendition="#b"><hirendition="#aq">e.</hi> Die Verbündeten.</hi></head><lb/><p>Es iſt wohl nicht löblich, daß nach dem beſtehenden Ge-<lb/>
wohnheitsrechte bei den <hirendition="#g">Bündniſſen</hi> zum Behufe gemein-<lb/>ſchaftlicher Kriegführung Mancherlei zugelaſſen wird, was der<lb/>
Natur der Sache nicht entſpricht.</p><lb/><p>So iſt es denn nach poſitivem Völkerrechte nicht unerlaubt,<lb/>
daß Staaten, welche bei einem Streitpunkte unmittelbar gar<lb/><hirendition="#g">nicht betheiligt</hi>ſind, ſich doch an einen der Kriegführenden<lb/>
anſchließen und ebenfalls in das Feld rücken.</p><lb/><p>Es iſt ferner nach dieſem Rechte nicht verboten, auch<lb/><hirendition="#g">Offenſiva</hi>llianzen zu ſchließen, und zwar ſogar allgemeine,<lb/>
d. h. in jedem Falle eines von dem Verbündeten beſchloſſenen<lb/>
Angriffskrieges geltende, als beſondere, nur auf den gemein-<lb/>ſchaftlichen Angriff eines beſtimmten Staates berechnete. Ein<lb/>ſolcher Angriff mag die Einmiſchung weiterer Staaten auch auf<lb/>
der anderen Seite veranlaſſen; aber er gilt nicht als eine<lb/>
grundſätzliche Verletzung des Völkerrechtes.</p><lb/><p>Dagegen mag man ſich wohl mit der Eigenthümlichkeit<lb/>
einverſtanden erklären, daß nach beſtehenden Anſichten der Ver-<lb/>
bündete eines Feindes nicht unter allen Umſtänden als <hirendition="#g">über-<lb/>
haupt im Kriege begriffen</hi> betrachtet und demgemäß auch<lb/>
in jeder Beziehung als Feind behandelt wird. Wenn nämlich<lb/></p></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[491/0505]
⁴⁾ richtliche Verurtheilung von Schiffen iſt in den Werken über das Seerecht
nachzuſehen.
⁵⁾ Mehrere Beiſpiele von bitteren Klagen und von lange nachdauerndem
Haſſe wegen nicht eingehaltener Kapitulationen, und zwar namentlich wegen
Verweigerung der Ratifikation nach bereits begonnener Vollziehung der Ueber-
gabe, zeigen, wie äußerſt ſorgfällig in ſolchen Fällen verfahren werden muß.
Und es iſt auch einleuchtend, daß die Folgen einer Ueberſchreitung der Be-
fugniß zum Abſchluſſe einer Kapitulation nicht den der gewöhnlichen Regel
vertrauenden Feind, ſondern das eigene Heer und zunächſt den ſich ver-
fehlenden Befehlshaber treffen müſſen.
§ 74.
e. Die Verbündeten.
Es iſt wohl nicht löblich, daß nach dem beſtehenden Ge-
wohnheitsrechte bei den Bündniſſen zum Behufe gemein-
ſchaftlicher Kriegführung Mancherlei zugelaſſen wird, was der
Natur der Sache nicht entſpricht.
So iſt es denn nach poſitivem Völkerrechte nicht unerlaubt,
daß Staaten, welche bei einem Streitpunkte unmittelbar gar
nicht betheiligt ſind, ſich doch an einen der Kriegführenden
anſchließen und ebenfalls in das Feld rücken.
Es iſt ferner nach dieſem Rechte nicht verboten, auch
Offenſivallianzen zu ſchließen, und zwar ſogar allgemeine,
d. h. in jedem Falle eines von dem Verbündeten beſchloſſenen
Angriffskrieges geltende, als beſondere, nur auf den gemein-
ſchaftlichen Angriff eines beſtimmten Staates berechnete. Ein
ſolcher Angriff mag die Einmiſchung weiterer Staaten auch auf
der anderen Seite veranlaſſen; aber er gilt nicht als eine
grundſätzliche Verletzung des Völkerrechtes.
Dagegen mag man ſich wohl mit der Eigenthümlichkeit
einverſtanden erklären, daß nach beſtehenden Anſichten der Ver-
bündete eines Feindes nicht unter allen Umſtänden als über-
haupt im Kriege begriffen betrachtet und demgemäß auch
in jeder Beziehung als Feind behandelt wird. Wenn nämlich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 491. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/505>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.