Seiten eines der Streitenden eine andere Folge hätte, als eine Unterbrechung des ganzen Verfahrens. Für die wirkliche Aus- führung des gefällten Urtehiles zu sorgen, ist weder die Pflicht noch das Recht des Schiedsrichters, falls nicht solches aus- drücklich verabredet wurde. An sich hat der schiedsrichterliche Spruch lediglich die rechtliche Bedeutung eines Vergleiches unter den Streitenden; er ist also endgültig und keiner weitern Be- rufung fähig, aber er ist kein Befehl einer über den Parteien stehenden Macht.
Eine immer weitergehende und allmälig zur allgemeinen Zwangsgewohnheit werdende Benützung von Schiedsgerichten ist ohne Zweifel als der nächste große Fortschritt zu rechtlicher Ordnung der internationalen Verhältnisse zu betrachten. Der- selbe kann jedoch nur durch Ausbildung der allgemeinen Gesittigung, nicht aber durch eine Zwangsmaßregel bewerk- stelligt werden.
1) Ueber Vermittlung s. vornämlich: Bielefeld, Institutions po- litiques, Bd. II, S. 152 fg. -- Heinichen, Ueber Vermittlungen. In der Minerva, Oct. 1813, S. 1 fg. -- Steck, Essais sur plusieres ma- tieres, S. 3 fg.
2) Vgl. Haldimand, A. G. S., de modo componendi contro- versias inter aequales. Ludg. Bat., 1738. 4.
g. Die gewaltsamen Mittel.
§ 65. aa. Retorsion.
Der Staat ist zur Vertheidigung seiner Rechte befugt; wenn daher sämmtliche friedliche Mittel vergeblich versucht sind, so befindet er sich, in Ermangelung einer höheren gemein- schaftlichen Gewalt, im Zustande der Nothwehr. In diesem Falle mag er sich denn auch gewaltsamer Mittel zur Verthei- digung seines Rechtes bedienen, wobei nur die Forderung zu
v. Mohl, Encyclopädie. 29
Seiten eines der Streitenden eine andere Folge hätte, als eine Unterbrechung des ganzen Verfahrens. Für die wirkliche Aus- führung des gefällten Urtehiles zu ſorgen, iſt weder die Pflicht noch das Recht des Schiedsrichters, falls nicht ſolches aus- drücklich verabredet wurde. An ſich hat der ſchiedsrichterliche Spruch lediglich die rechtliche Bedeutung eines Vergleiches unter den Streitenden; er iſt alſo endgültig und keiner weitern Be- rufung fähig, aber er iſt kein Befehl einer über den Parteien ſtehenden Macht.
Eine immer weitergehende und allmälig zur allgemeinen Zwangsgewohnheit werdende Benützung von Schiedsgerichten iſt ohne Zweifel als der nächſte große Fortſchritt zu rechtlicher Ordnung der internationalen Verhältniſſe zu betrachten. Der- ſelbe kann jedoch nur durch Ausbildung der allgemeinen Geſittigung, nicht aber durch eine Zwangsmaßregel bewerk- ſtelligt werden.
1) Ueber Vermittlung ſ. vornämlich: Bielefeld, Institutions po- litiques, Bd. II, S. 152 fg. — Heinichen, Ueber Vermittlungen. In der Minerva, Oct. 1813, S. 1 fg. — Steck, Essais sur plusières ma- tières, S. 3 fg.
2) Vgl. Haldimand, A. G. S., de modo componendi contro- versias inter aequales. Ludg. Bat., 1738. 4.
γ. Die gewaltſamen Mittel.
§ 65. aa. Retorſion.
Der Staat iſt zur Vertheidigung ſeiner Rechte befugt; wenn daher ſämmtliche friedliche Mittel vergeblich verſucht ſind, ſo befindet er ſich, in Ermangelung einer höheren gemein- ſchaftlichen Gewalt, im Zuſtande der Nothwehr. In dieſem Falle mag er ſich denn auch gewaltſamer Mittel zur Verthei- digung ſeines Rechtes bedienen, wobei nur die Forderung zu
v. Mohl, Encyclopädie. 29
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><divn="8"><p><pbfacs="#f0463"n="449"/>
Seiten eines der Streitenden eine andere Folge hätte, als eine<lb/>
Unterbrechung des ganzen Verfahrens. Für die wirkliche Aus-<lb/>
führung des gefällten Urtehiles zu ſorgen, iſt weder die Pflicht<lb/>
noch das Recht des Schiedsrichters, falls nicht ſolches aus-<lb/>
drücklich verabredet wurde. An ſich hat der ſchiedsrichterliche<lb/>
Spruch lediglich die rechtliche Bedeutung eines Vergleiches unter<lb/>
den Streitenden; er iſt alſo endgültig und keiner weitern Be-<lb/>
rufung fähig, aber er iſt kein Befehl einer über den Parteien<lb/>ſtehenden Macht.</p><lb/><p>Eine immer weitergehende und allmälig zur allgemeinen<lb/>
Zwangsgewohnheit werdende Benützung von Schiedsgerichten iſt<lb/>
ohne Zweifel als der nächſte große Fortſchritt zu rechtlicher<lb/>
Ordnung der internationalen Verhältniſſe zu betrachten. Der-<lb/>ſelbe kann jedoch nur durch Ausbildung der allgemeinen<lb/>
Geſittigung, nicht aber durch eine Zwangsmaßregel bewerk-<lb/>ſtelligt werden.</p><lb/><noteplace="end"n="1)">Ueber Vermittlung ſ. vornämlich: <hirendition="#aq"><hirendition="#g">Bielefeld</hi>, Institutions po-<lb/>
litiques,</hi> Bd. <hirendition="#aq">II,</hi> S. 152 fg. —<hirendition="#g">Heinichen</hi>, Ueber Vermittlungen. In<lb/>
der Minerva, Oct. 1813, S. 1 fg. —<hirendition="#aq"><hirendition="#g">Steck</hi>, Essais sur plusières ma-<lb/>
tières,</hi> S. 3 fg.</note><lb/><noteplace="end"n="2)">Vgl. <hirendition="#aq"><hirendition="#g">Haldimand</hi>, A. G. S., de modo componendi contro-<lb/>
versias inter aequales. Ludg. Bat.,</hi> 1738. 4.</note></div></div><lb/><divn="7"><head><hirendition="#i">γ</hi>. <hirendition="#g">Die gewaltſamen Mittel</hi>.</head><lb/><divn="8"><head>§ 65.<lb/><hirendition="#b"><hirendition="#aq">aa.</hi> Retorſion.</hi></head><lb/><p>Der Staat iſt zur Vertheidigung ſeiner Rechte befugt;<lb/>
wenn daher ſämmtliche friedliche Mittel vergeblich verſucht ſind,<lb/>ſo befindet er ſich, in Ermangelung einer höheren gemein-<lb/>ſchaftlichen Gewalt, im Zuſtande der Nothwehr. In dieſem<lb/>
Falle mag er ſich denn auch gewaltſamer Mittel zur Verthei-<lb/>
digung ſeines Rechtes bedienen, wobei nur die Forderung zu<lb/><fwplace="bottom"type="sig">v. <hirendition="#g">Mohl</hi>, Encyclopädie. 29</fw><lb/></p></div></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[449/0463]
Seiten eines der Streitenden eine andere Folge hätte, als eine
Unterbrechung des ganzen Verfahrens. Für die wirkliche Aus-
führung des gefällten Urtehiles zu ſorgen, iſt weder die Pflicht
noch das Recht des Schiedsrichters, falls nicht ſolches aus-
drücklich verabredet wurde. An ſich hat der ſchiedsrichterliche
Spruch lediglich die rechtliche Bedeutung eines Vergleiches unter
den Streitenden; er iſt alſo endgültig und keiner weitern Be-
rufung fähig, aber er iſt kein Befehl einer über den Parteien
ſtehenden Macht.
Eine immer weitergehende und allmälig zur allgemeinen
Zwangsgewohnheit werdende Benützung von Schiedsgerichten iſt
ohne Zweifel als der nächſte große Fortſchritt zu rechtlicher
Ordnung der internationalen Verhältniſſe zu betrachten. Der-
ſelbe kann jedoch nur durch Ausbildung der allgemeinen
Geſittigung, nicht aber durch eine Zwangsmaßregel bewerk-
ſtelligt werden.
¹⁾ Ueber Vermittlung ſ. vornämlich: Bielefeld, Institutions po-
litiques, Bd. II, S. 152 fg. — Heinichen, Ueber Vermittlungen. In
der Minerva, Oct. 1813, S. 1 fg. — Steck, Essais sur plusières ma-
tières, S. 3 fg.
²⁾ Vgl. Haldimand, A. G. S., de modo componendi contro-
versias inter aequales. Ludg. Bat., 1738. 4.
γ. Die gewaltſamen Mittel.
§ 65.
aa. Retorſion.
Der Staat iſt zur Vertheidigung ſeiner Rechte befugt;
wenn daher ſämmtliche friedliche Mittel vergeblich verſucht ſind,
ſo befindet er ſich, in Ermangelung einer höheren gemein-
ſchaftlichen Gewalt, im Zuſtande der Nothwehr. In dieſem
Falle mag er ſich denn auch gewaltſamer Mittel zur Verthei-
digung ſeines Rechtes bedienen, wobei nur die Forderung zu
v. Mohl, Encyclopädie. 29
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/463>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.