Ueberlegen Sie es mein Freund, und schicken mir allenfalls einen bessern Vorschlag zu meiner Veredelung. Aber Jhre Puppe will ich nicht seyn, sie möchten meiner sonst gar zu balde müde werden; auch nicht ihre Ama- rillis, weil ihnen der Reim gleich eine Phillis bringen würde. Jhre Muse oder so etwas was der Dichter sich täglich wünscht und niemals erhält, möchte ich am lieb- sten seyn, um mich ein bisgen zu rächen.
Amalia.
XI. Wozu der Putz diene? Ein Gespräch zwischen Mutter und Tochter.
Das Kind. Mama! warum hat der Mahler dort mitten über den schönen Spiegel eine Guirlande gemahlt?
Die Mutter. Siehst du denn nicht, daß er dort geborsten ist, und daß er diesen Borst hat verbergen wollen?
Das Kind. Mama! warum hat der Kaufmann zu dem schönen Chitz, welchen sie mir gegeben haben, ein Zeug voll Löcher genommen?
Die Mutter. Damit man bey der Schönheit der Farben die Löcher vergessen sollte.
Das Kind. Mama! sind denn überall Börste und Löcher, wo überflüßiger Schmuck ist?
Die Mutter. Ja, mein Kind, überall. Viel Putz ist immer ein Zeichen, daß irgendwo etwas fehlt, es sey nun im Kopfe, oder im Zeuge.
XII.
Mösers patr. Phantas.IV.Th. D
am beſten zu veredeln.
Ueberlegen Sie es mein Freund, und ſchicken mir allenfalls einen beſſern Vorſchlag zu meiner Veredelung. Aber Jhre Puppe will ich nicht ſeyn, ſie moͤchten meiner ſonſt gar zu balde muͤde werden; auch nicht ihre Ama- rillis, weil ihnen der Reim gleich eine Phillis bringen wuͤrde. Jhre Muſe oder ſo etwas was der Dichter ſich taͤglich wuͤnſcht und niemals erhaͤlt, moͤchte ich am lieb- ſten ſeyn, um mich ein bisgen zu raͤchen.
Amalia.
XI. Wozu der Putz diene? Ein Geſpraͤch zwiſchen Mutter und Tochter.
Das Kind. Mama! warum hat der Mahler dort mitten uͤber den ſchoͤnen Spiegel eine Guirlande gemahlt?
Die Mutter. Siehſt du denn nicht, daß er dort geborſten iſt, und daß er dieſen Borſt hat verbergen wollen?
Das Kind. Mama! warum hat der Kaufmann zu dem ſchoͤnen Chitz, welchen ſie mir gegeben haben, ein Zeug voll Loͤcher genommen?
Die Mutter. Damit man bey der Schoͤnheit der Farben die Loͤcher vergeſſen ſollte.
Das Kind. Mama! ſind denn uͤberall Boͤrſte und Loͤcher, wo uͤberfluͤßiger Schmuck iſt?
Die Mutter. Ja, mein Kind, uͤberall. Viel Putz iſt immer ein Zeichen, daß irgendwo etwas fehlt, es ſey nun im Kopfe, oder im Zeuge.
XII.
Moͤſers patr. Phantaſ.IV.Th. D
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am beſten zu veredeln.
Ueberlegen Sie es mein Freund, und ſchicken mir
allenfalls einen beſſern Vorſchlag zu meiner Veredelung.
Aber Jhre Puppe will ich nicht ſeyn, ſie moͤchten meiner
ſonſt gar zu balde muͤde werden; auch nicht ihre Ama-
rillis, weil ihnen der Reim gleich eine Phillis bringen
wuͤrde. Jhre Muſe oder ſo etwas was der Dichter ſich
taͤglich wuͤnſcht und niemals erhaͤlt, moͤchte ich am lieb-
ſten ſeyn, um mich ein bisgen zu raͤchen.
Amalia.
XI.
Wozu der Putz diene?
Ein Geſpraͤch
zwiſchen Mutter und Tochter.
Das Kind. Mama! warum hat der Mahler dort
mitten uͤber den ſchoͤnen Spiegel eine Guirlande
gemahlt?
Die Mutter. Siehſt du denn nicht, daß er dort
geborſten iſt, und daß er dieſen Borſt hat verbergen
wollen?
Das Kind. Mama! warum hat der Kaufmann zu
dem ſchoͤnen Chitz, welchen ſie mir gegeben haben, ein
Zeug voll Loͤcher genommen?
Die Mutter. Damit man bey der Schoͤnheit der
Farben die Loͤcher vergeſſen ſollte.
Das Kind. Mama! ſind denn uͤberall Boͤrſte und
Loͤcher, wo uͤberfluͤßiger Schmuck iſt?
Die Mutter. Ja, mein Kind, uͤberall. Viel Putz iſt
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XII.
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/61>, abgerufen am 22.02.2025.
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