allen ihren Folgen immer mehr und mehr verschwinden, und nur dasjenige davon beybehalten sehen, was wah- ren Nutzen brächte.
Die Jnsulaner wollten sich aber doch mit diesen Gründen nicht beruhigen, und verglichen sich endlich mit dem Robinson dahin, daß nach funfzig Jahren ein Ju- beljahr verkündiget, und jedem freygelassen werden sollte, zu ziehen wohin er könnte und wollte. Robinson willigte hierinn um so viel lieber, weil er eines Theils hofte, daß die Jnsel in dieser Zeit hinlänglich bevölkert seyn würde, und es andern Theils selbst hart fand, die Nachkommen seiner Colonisten in alle Ewigkeit haften zu lassen.
Jndessen erhellet hieraus, daß es nicht so wohl Krieg und Tyranney, als natürliche Bedürfniß und Ver- bindlichkeit in der Jugend eines Staats gewesen, welche den Leibeigenthum oder die Leibeshaft so früh und so all- gemein eingeführet hat. Denn Leute, welche nichts hat- ten, mußten froh seyn, daß man ihnen Credit auf ihren Leib gab.
LXII. Der Freykauf.
Boiko war der leibeigne Knecht eines sehr gütigen Gutsherrn, und doch hatte er lange gewünscht den Hof, welchen er von ihm zum Bau unterhatte, als sein freyes Eigenthum zu besitzen, aus Besorgniß, der Nach- folger seines Herrn möchte einst minder edel denken, oder durch die immer geschwindere Zeiten genöthiget werden, ihn an einen Tyrannen zu verkaufen. Die Freyheit war
ihm
Etwas zur Naturgeſchichte ꝛc.
allen ihren Folgen immer mehr und mehr verſchwinden, und nur dasjenige davon beybehalten ſehen, was wah- ren Nutzen braͤchte.
Die Jnſulaner wollten ſich aber doch mit dieſen Gruͤnden nicht beruhigen, und verglichen ſich endlich mit dem Robinſon dahin, daß nach funfzig Jahren ein Ju- beljahr verkuͤndiget, und jedem freygelaſſen werden ſollte, zu ziehen wohin er koͤnnte und wollte. Robinſon willigte hierinn um ſo viel lieber, weil er eines Theils hofte, daß die Jnſel in dieſer Zeit hinlaͤnglich bevoͤlkert ſeyn wuͤrde, und es andern Theils ſelbſt hart fand, die Nachkommen ſeiner Coloniſten in alle Ewigkeit haften zu laſſen.
Jndeſſen erhellet hieraus, daß es nicht ſo wohl Krieg und Tyranney, als natuͤrliche Beduͤrfniß und Ver- bindlichkeit in der Jugend eines Staats geweſen, welche den Leibeigenthum oder die Leibeshaft ſo fruͤh und ſo all- gemein eingefuͤhret hat. Denn Leute, welche nichts hat- ten, mußten froh ſeyn, daß man ihnen Credit auf ihren Leib gab.
LXII. Der Freykauf.
Boiko war der leibeigne Knecht eines ſehr guͤtigen Gutsherrn, und doch hatte er lange gewuͤnſcht den Hof, welchen er von ihm zum Bau unterhatte, als ſein freyes Eigenthum zu beſitzen, aus Beſorgniß, der Nach- folger ſeines Herrn moͤchte einſt minder edel denken, oder durch die immer geſchwindere Zeiten genoͤthiget werden, ihn an einen Tyrannen zu verkaufen. Die Freyheit war
ihm
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Etwas zur Naturgeſchichte ꝛc.
allen ihren Folgen immer mehr und mehr verſchwinden,
und nur dasjenige davon beybehalten ſehen, was wah-
ren Nutzen braͤchte.
Die Jnſulaner wollten ſich aber doch mit dieſen
Gruͤnden nicht beruhigen, und verglichen ſich endlich mit
dem Robinſon dahin, daß nach funfzig Jahren ein Ju-
beljahr verkuͤndiget, und jedem freygelaſſen werden ſollte,
zu ziehen wohin er koͤnnte und wollte. Robinſon willigte
hierinn um ſo viel lieber, weil er eines Theils hofte, daß
die Jnſel in dieſer Zeit hinlaͤnglich bevoͤlkert ſeyn wuͤrde,
und es andern Theils ſelbſt hart fand, die Nachkommen
ſeiner Coloniſten in alle Ewigkeit haften zu laſſen.
Jndeſſen erhellet hieraus, daß es nicht ſo wohl
Krieg und Tyranney, als natuͤrliche Beduͤrfniß und Ver-
bindlichkeit in der Jugend eines Staats geweſen, welche
den Leibeigenthum oder die Leibeshaft ſo fruͤh und ſo all-
gemein eingefuͤhret hat. Denn Leute, welche nichts hat-
ten, mußten froh ſeyn, daß man ihnen Credit auf ihren
Leib gab.
LXII.
Der Freykauf.
Boiko war der leibeigne Knecht eines ſehr guͤtigen
Gutsherrn, und doch hatte er lange gewuͤnſcht den
Hof, welchen er von ihm zum Bau unterhatte, als ſein
freyes Eigenthum zu beſitzen, aus Beſorgniß, der Nach-
folger ſeines Herrn moͤchte einſt minder edel denken, oder
durch die immer geſchwindere Zeiten genoͤthiget werden,
ihn an einen Tyrannen zu verkaufen. Die Freyheit war
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/328>, abgerufen am 22.02.2025.
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