XXXI. Ueber den Unterschied einer christlichen und bürgerlichen Ehe.
Vor Zeiten gab es nur eine Art von Ehen*) und man verstund darunter eine solche Verbindung, die ei- ner nach den Gesetzen der Kirche und des Staats, dessen Mitglied er war, vollzogen hatte. Nachher aber hat man dem Vortrage zu gefallen, oder aus Mangel eines andern Ausdrucks, dieses Wort weitläuftiger gemacht, und nicht allein diejenige Verbindung, welche blos nach den Gesetzen der Kirche und nicht nach den Gesetzen des Staats vollzogen war, eine Ehe genannt, sondern auch in dem Rechte der Natur von Ehen gesprochen, und die besondere Verbindung worin die Kinder blos der Mutter Namen und Vermögen erben, oder wie unsre Vorfah- ren sprachen, na der Mor gan, (nach der Mutter gehen) woraus die Lateiner das Matrimonium ad Morganaticam gemacht haben, eine Ehe zur linken Hand genannt. Diese Vermischung rührt vornemlich daher, daß der Staat alle diejenigen Ehen, welche unter gewissen Vorschriften in der christlichen Kirche vollzogen werden, entweder aus- drücklich oder stillschweigend für bürgerlich gültig erken- net, und der Kürze halber dem dazu bestelleten ordentli- chen Pfarrer die Macht überlassen hat, zwo Personen nicht allein kirchlich oder christlich sondern auch mit bür- gerlicher Würkung zu verbinden.
Hier-
*) Das Wort Ehe kommt von dem altdeutschen Worte Eh oder Ewa Gesetz, und faßt den Begrif der Gesetzmäßigkeit in sich.
Ueber den Unterſchied
XXXI. Ueber den Unterſchied einer chriſtlichen und buͤrgerlichen Ehe.
Vor Zeiten gab es nur eine Art von Ehen*) und man verſtund darunter eine ſolche Verbindung, die ei- ner nach den Geſetzen der Kirche und des Staats, deſſen Mitglied er war, vollzogen hatte. Nachher aber hat man dem Vortrage zu gefallen, oder aus Mangel eines andern Ausdrucks, dieſes Wort weitlaͤuftiger gemacht, und nicht allein diejenige Verbindung, welche blos nach den Geſetzen der Kirche und nicht nach den Geſetzen des Staats vollzogen war, eine Ehe genannt, ſondern auch in dem Rechte der Natur von Ehen geſprochen, und die beſondere Verbindung worin die Kinder blos der Mutter Namen und Vermoͤgen erben, oder wie unſre Vorfah- ren ſprachen, na der Mor gan, (nach der Mutter gehen) woraus die Lateiner das Matrimonium ad Morganaticam gemacht haben, eine Ehe zur linken Hand genannt. Dieſe Vermiſchung ruͤhrt vornemlich daher, daß der Staat alle diejenigen Ehen, welche unter gewiſſen Vorſchriften in der chriſtlichen Kirche vollzogen werden, entweder aus- druͤcklich oder ſtillſchweigend fuͤr buͤrgerlich guͤltig erken- net, und der Kuͤrze halber dem dazu beſtelleten ordentli- chen Pfarrer die Macht uͤberlaſſen hat, zwo Perſonen nicht allein kirchlich oder chriſtlich ſondern auch mit buͤr- gerlicher Wuͤrkung zu verbinden.
Hier-
*) Das Wort Ehe kommt von dem altdeutſchen Worte Eh oder Ewa Geſetz, und faßt den Begrif der Geſetzmaͤßigkeit in ſich.
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Ueber den Unterſchied
XXXI.
Ueber den Unterſchied einer chriſtlichen und
buͤrgerlichen Ehe.
Vor Zeiten gab es nur eine Art von Ehen *) und man
verſtund darunter eine ſolche Verbindung, die ei-
ner nach den Geſetzen der Kirche und des Staats, deſſen
Mitglied er war, vollzogen hatte. Nachher aber hat
man dem Vortrage zu gefallen, oder aus Mangel eines
andern Ausdrucks, dieſes Wort weitlaͤuftiger gemacht,
und nicht allein diejenige Verbindung, welche blos nach
den Geſetzen der Kirche und nicht nach den Geſetzen des
Staats vollzogen war, eine Ehe genannt, ſondern auch
in dem Rechte der Natur von Ehen geſprochen, und die
beſondere Verbindung worin die Kinder blos der Mutter
Namen und Vermoͤgen erben, oder wie unſre Vorfah-
ren ſprachen, na der Mor gan, (nach der Mutter gehen)
woraus die Lateiner das Matrimonium ad Morganaticam
gemacht haben, eine Ehe zur linken Hand genannt. Dieſe
Vermiſchung ruͤhrt vornemlich daher, daß der Staat alle
diejenigen Ehen, welche unter gewiſſen Vorſchriften in
der chriſtlichen Kirche vollzogen werden, entweder aus-
druͤcklich oder ſtillſchweigend fuͤr buͤrgerlich guͤltig erken-
net, und der Kuͤrze halber dem dazu beſtelleten ordentli-
chen Pfarrer die Macht uͤberlaſſen hat, zwo Perſonen
nicht allein kirchlich oder chriſtlich ſondern auch mit buͤr-
gerlicher Wuͤrkung zu verbinden.
Hier-
*) Das Wort Ehe kommt von dem altdeutſchen Worte Eh
oder Ewa Geſetz, und faßt den Begrif der Geſetzmaͤßigkeit
in ſich.
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/130>, abgerufen am 22.02.2025.
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