Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.Also sollte man die Testamente etc. Ja nickt, weil der Hals zu schwach ist, das Nein heraus-zuschütteln, und wo endlich jeder Blick gebietet, jede Thräne fordert, und jede Bitte mit Macht eindringt? Ein gesunder Mensch kann irren, und seinen Jrrthum des andern Tages verbessern; aber dem Kranken kömmt auch diese Rechtswohlthat nicht zu statten; der Tod hindert ihn am Wiederrufe, und der offenbareste Jrrthum wird als ein heiliges Gesetz angenommen. XXX. Von dem wichtigen Unterschied des würk- lichen und förmlichen Rechts. Man findet jetzt so wenig Leute, die das förmliche Was überhaupt würkliches Recht und würkliche oder Mösers patr. Phantas. IV. Th. H
Alſo ſollte man die Teſtamente ꝛc. Ja nickt, weil der Hals zu ſchwach iſt, das Nein heraus-zuſchuͤtteln, und wo endlich jeder Blick gebietet, jede Thraͤne fordert, und jede Bitte mit Macht eindringt? Ein geſunder Menſch kann irren, und ſeinen Jrrthum des andern Tages verbeſſern; aber dem Kranken koͤmmt auch dieſe Rechtswohlthat nicht zu ſtatten; der Tod hindert ihn am Wiederrufe, und der offenbareſte Jrrthum wird als ein heiliges Geſetz angenommen. XXX. Von dem wichtigen Unterſchied des wuͤrk- lichen und foͤrmlichen Rechts. Man findet jetzt ſo wenig Leute, die das foͤrmliche Was uͤberhaupt wuͤrkliches Recht und wuͤrkliche oder Moͤſers patr. Phantaſ. IV. Th. H
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Alſo ſollte man die Teſtamente ꝛc.
Ja nickt, weil der Hals zu ſchwach iſt, das Nein heraus-
zuſchuͤtteln, und wo endlich jeder Blick gebietet, jede
Thraͤne fordert, und jede Bitte mit Macht eindringt? Ein
geſunder Menſch kann irren, und ſeinen Jrrthum des
andern Tages verbeſſern; aber dem Kranken koͤmmt auch
dieſe Rechtswohlthat nicht zu ſtatten; der Tod hindert
ihn am Wiederrufe, und der offenbareſte Jrrthum wird
als ein heiliges Geſetz angenommen.
XXX.
Von dem wichtigen Unterſchied des wuͤrk-
lichen und foͤrmlichen Rechts.
Man findet jetzt ſo wenig Leute, die das foͤrmliche
Recht von dem wuͤrklichen zu unterſcheiden wiſ-
ſen, und die Gefahr, womit in unſern philoſophiſchen
Zeiten die Verwechſelung von beyden das menſchliche
Geſchlecht bedrohet, iſt ſo groß, daß es mir Pflicht zu
ſeyn ſcheinet, dieſen ſonſt wohl bekannten Unterſchied eini-
germaaßen wiederum in Erinnerung zu bringen. Selbſt
die foͤrmliche Wahrheit wird nicht gehoͤrig mehr von der
wuͤrklichen unterſchieden, und es erwachſen unzaͤhlbare
Zaͤnkereyen daraus, die vermieden werden koͤnnten, wenn
man darauf gehoͤrig achtete.
Was uͤberhaupt wuͤrkliches Recht und wuͤrkliche
Wahrheit ſey, iſt einem jeden bekannt, ſo ſchwer es auch
iſt, das eine oder die andre in einem gegebenen Falle zu
entdecken; aber von der foͤrmlichen hat nicht jeder einen
deutlichen Begriff; ich will ihn alſo, und zu mehrerer
Deutlichkeit in einem Beyſpiele geben. Was die Kirche
oder
Moͤſers patr. Phantaſ. IV. Th. H
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