Es kömmt so mancher durch die Welt .... Freylich mein gutes Kind! aber wie? wie? -- das ist die Frage. Wenn du verhungerst, kömmst du auch durch die Welt, und vielleicht ehrlicher, als wenn du an einer Bratwurst ersticktest; aber darum ist es noch eben nicht nö- thig, vor Hunger zu sterben, oder eine Lebensart zu ergrei- fen, wo man ja so kurz und gut durch die Welt kommen kann. Ein kindischer Einfall ist es, verstehst du mich Lisette, mit allem durch die Welt zu kommen. Man bleibt doch nicht darin, so gern man auch wollte, und Millionen kom- men durch, ohne daß man dabey setzen kann gut! Ich dächte du wartetest auch noch ein bisgen, ehe du es versuch- test, in der Haube durch die Welt zu kommen.
Aber, gnädige Frau, wenn es Gott doch so versehen hätte ... Nicht wahr, so helfen alle meine Ermahnungen nichts, so ist die menschliche Klugheit überflüßig. Weißt du aber wohl, wie ich diesen andächtigen Schnörkel schon oft geheissen habe! Das Faulbette aller Thörinnen, und die Ausflucht verliebter Dinger, die mit ofnen Augen in ihr Unglück rennen. Gottes Verhängniß ist so, daß wir eine vernünftige Wahl der Mittel treffen, nicht aber auf gerathe Wohl zusammen laufen, ein halb Dutzend unglück- liche Kinder in die Welt setzen, und für dieselben das Brod vom Himmel erwarten sollen.
Ach! erwiederte das gute Kind, Ew. Gnaden haben zu leben, und einen Herrn Gemahl, der Ihnen dieses Le- ben so süß, so süß macht; mich deucht, o verzeihen Sie mir
meine
VX. Das war der Cammerjungfer recht.
Es koͤmmt ſo mancher durch die Welt .... Freylich mein gutes Kind! aber wie? wie? — das iſt die Frage. Wenn du verhungerſt, koͤmmſt du auch durch die Welt, und vielleicht ehrlicher, als wenn du an einer Bratwurſt erſtickteſt; aber darum iſt es noch eben nicht noͤ- thig, vor Hunger zu ſterben, oder eine Lebensart zu ergrei- fen, wo man ja ſo kurz und gut durch die Welt kommen kann. Ein kindiſcher Einfall iſt es, verſtehſt du mich Liſette, mit allem durch die Welt zu kommen. Man bleibt doch nicht darin, ſo gern man auch wollte, und Millionen kom- men durch, ohne daß man dabey ſetzen kann gut! Ich daͤchte du warteteſt auch noch ein bisgen, ehe du es verſuch- teſt, in der Haube durch die Welt zu kommen.
Aber, gnaͤdige Frau, wenn es Gott doch ſo verſehen haͤtte … Nicht wahr, ſo helfen alle meine Ermahnungen nichts, ſo iſt die menſchliche Klugheit uͤberfluͤßig. Weißt du aber wohl, wie ich dieſen andaͤchtigen Schnoͤrkel ſchon oft geheiſſen habe! Das Faulbette aller Thoͤrinnen, und die Ausflucht verliebter Dinger, die mit ofnen Augen in ihr Ungluͤck rennen. Gottes Verhaͤngniß iſt ſo, daß wir eine vernuͤnftige Wahl der Mittel treffen, nicht aber auf gerathe Wohl zuſammen laufen, ein halb Dutzend ungluͤck- liche Kinder in die Welt ſetzen, und fuͤr dieſelben das Brod vom Himmel erwarten ſollen.
Ach! erwiederte das gute Kind, Ew. Gnaden haben zu leben, und einen Herrn Gemahl, der Ihnen dieſes Le- ben ſo ſuͤß, ſo ſuͤß macht; mich deucht, o verzeihen Sie mir
meine
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VX.
Das war der Cammerjungfer recht.
Es koͤmmt ſo mancher durch die Welt ....
Freylich mein gutes Kind! aber wie? wie? — das
iſt die Frage. Wenn du verhungerſt, koͤmmſt du auch durch
die Welt, und vielleicht ehrlicher, als wenn du an einer
Bratwurſt erſtickteſt; aber darum iſt es noch eben nicht noͤ-
thig, vor Hunger zu ſterben, oder eine Lebensart zu ergrei-
fen, wo man ja ſo kurz und gut durch die Welt kommen
kann. Ein kindiſcher Einfall iſt es, verſtehſt du mich Liſette,
mit allem durch die Welt zu kommen. Man bleibt doch
nicht darin, ſo gern man auch wollte, und Millionen kom-
men durch, ohne daß man dabey ſetzen kann gut! Ich
daͤchte du warteteſt auch noch ein bisgen, ehe du es verſuch-
teſt, in der Haube durch die Welt zu kommen.
Aber, gnaͤdige Frau, wenn es Gott doch ſo verſehen
haͤtte … Nicht wahr, ſo helfen alle meine Ermahnungen
nichts, ſo iſt die menſchliche Klugheit uͤberfluͤßig. Weißt
du aber wohl, wie ich dieſen andaͤchtigen Schnoͤrkel ſchon
oft geheiſſen habe! Das Faulbette aller Thoͤrinnen, und
die Ausflucht verliebter Dinger, die mit ofnen Augen in
ihr Ungluͤck rennen. Gottes Verhaͤngniß iſt ſo, daß wir
eine vernuͤnftige Wahl der Mittel treffen, nicht aber auf
gerathe Wohl zuſammen laufen, ein halb Dutzend ungluͤck-
liche Kinder in die Welt ſetzen, und fuͤr dieſelben das Brod
vom Himmel erwarten ſollen.
Ach! erwiederte das gute Kind, Ew. Gnaden haben
zu leben, und einen Herrn Gemahl, der Ihnen dieſes Le-
ben ſo ſuͤß, ſo ſuͤß macht; mich deucht, o verzeihen Sie mir
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und vermehrte Auflage“ des 3. Teils von Justus Mösers „Patriotischen Phantasien“ zur Digitalisierung ausgewählt. Sie erschien 1778, also im selben Jahr wie die Erstauflage dieses Bandes, und ist bis S. 260 seitenidentisch mit dieser. Die Abschnitte LX („Gedanken über den westphälischen Leibeigenthum“) bis LXVIII („Gedanken über den Stillestand der Leibeignen“) sind Ergänzungen gegenüber der ersten Auflage.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/59>, abgerufen am 21.11.2024.
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