Die A .. hat ihren Mann glücklich wieder. Die Stock- jobberey *) hat auch ihn, wie viele andre, gestürzt. In der Angst war er nach England gereiset, weil er glaubte, daß ihn sein dortiger Compagnon hintergangen hätte; und würklich hat er durch seine geschwinde Reise noch vieles ge- rettet. Seine Gläubiger haben sich mit 60 p. C. begnügt, nachdem er ihnen seinen Zustand aufrichtig eröfnet; und nun hat er noch so viel übrig, daß er bey Fleiß und Ord- nung ein mäßiges Auskommen finden wird. Der grosse Eindruck, den seine Frau durch ihr Betragen im Unglück, bey allen und jeden gemacht hat, ist ihm sehr zu statten ge- kommen. Jeder glaubte, ihr eine Gerechtigkeit zu thun, indem er von seiner Forderung so viel nachließ. Man hätte mehrers gethan, wann sie gewollt hätte. Allein da sie auch dasjenige zu bezahlen gedenkt, was ihre Gläubi- ger jetzt nicht fordern wollen, so bald sie die Erbschaft von dem Oheim Schöps thut: so verlangte sie nicht mehr, als die gegenwärtige Noth erforderte. Sie wohnet jetzt in einem zwar kleinen, aber doch nicht schlechten Hause, und hat ihre Haushaltung so nett eingerichtet, daß es ein Ver- gnügen ist, sie zu sehen. Ich habe sie neulich besucht, und sie vergnügter als jemals gefunden. Nichts, sagte sie, gleicht dem häuslichen Vergnügen, und besonders dem Ver- gnügen, sich in jedem Augenblick einen kleinen Gewinn zu verschaffen, es sey durch Ersparen oder Erwerben. So verächtlich es auch den grossen Geistern vorkommen mag, so wahr ist es doch, daß ein selbsterworbener Schilling das Herz mit einer grossen Freude erfüllen könne. Jeder Au-
gen-
*) Die Stockjobberey ist eine Art von Actienkrämerey, die vor zwey Jahren in England aufs höchste gestiegen war.
Die Politik im Ungluͤck.
XIII.
H … den 26 Jun. 1774.
Die A .. hat ihren Mann gluͤcklich wieder. Die Stock- jobberey *) hat auch ihn, wie viele andre, geſtuͤrzt. In der Angſt war er nach England gereiſet, weil er glaubte, daß ihn ſein dortiger Compagnon hintergangen haͤtte; und wuͤrklich hat er durch ſeine geſchwinde Reiſe noch vieles ge- rettet. Seine Glaͤubiger haben ſich mit 60 p. C. begnuͤgt, nachdem er ihnen ſeinen Zuſtand aufrichtig eroͤfnet; und nun hat er noch ſo viel uͤbrig, daß er bey Fleiß und Ord- nung ein maͤßiges Auskommen finden wird. Der groſſe Eindruck, den ſeine Frau durch ihr Betragen im Ungluͤck, bey allen und jeden gemacht hat, iſt ihm ſehr zu ſtatten ge- kommen. Jeder glaubte, ihr eine Gerechtigkeit zu thun, indem er von ſeiner Forderung ſo viel nachließ. Man haͤtte mehrers gethan, wann ſie gewollt haͤtte. Allein da ſie auch dasjenige zu bezahlen gedenkt, was ihre Glaͤubi- ger jetzt nicht fordern wollen, ſo bald ſie die Erbſchaft von dem Oheim Schoͤps thut: ſo verlangte ſie nicht mehr, als die gegenwaͤrtige Noth erforderte. Sie wohnet jetzt in einem zwar kleinen, aber doch nicht ſchlechten Hauſe, und hat ihre Haushaltung ſo nett eingerichtet, daß es ein Ver- gnuͤgen iſt, ſie zu ſehen. Ich habe ſie neulich beſucht, und ſie vergnuͤgter als jemals gefunden. Nichts, ſagte ſie, gleicht dem haͤuslichen Vergnuͤgen, und beſonders dem Ver- gnuͤgen, ſich in jedem Augenblick einen kleinen Gewinn zu verſchaffen, es ſey durch Erſparen oder Erwerben. So veraͤchtlich es auch den groſſen Geiſtern vorkommen mag, ſo wahr iſt es doch, daß ein ſelbſterworbener Schilling das Herz mit einer groſſen Freude erfuͤllen koͤnne. Jeder Au-
gen-
*) Die Stockjobberey iſt eine Art von Actienkraͤmerey, die vor zwey Jahren in England aufs hoͤchſte geſtiegen war.
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Die Politik im Ungluͤck.
XIII.
H … den 26 Jun. 1774.
Die A .. hat ihren Mann gluͤcklich wieder. Die Stock-
jobberey *) hat auch ihn, wie viele andre, geſtuͤrzt.
In der Angſt war er nach England gereiſet, weil er glaubte,
daß ihn ſein dortiger Compagnon hintergangen haͤtte; und
wuͤrklich hat er durch ſeine geſchwinde Reiſe noch vieles ge-
rettet. Seine Glaͤubiger haben ſich mit 60 p. C. begnuͤgt,
nachdem er ihnen ſeinen Zuſtand aufrichtig eroͤfnet; und
nun hat er noch ſo viel uͤbrig, daß er bey Fleiß und Ord-
nung ein maͤßiges Auskommen finden wird. Der groſſe
Eindruck, den ſeine Frau durch ihr Betragen im Ungluͤck,
bey allen und jeden gemacht hat, iſt ihm ſehr zu ſtatten ge-
kommen. Jeder glaubte, ihr eine Gerechtigkeit zu thun,
indem er von ſeiner Forderung ſo viel nachließ. Man
haͤtte mehrers gethan, wann ſie gewollt haͤtte. Allein da
ſie auch dasjenige zu bezahlen gedenkt, was ihre Glaͤubi-
ger jetzt nicht fordern wollen, ſo bald ſie die Erbſchaft von
dem Oheim Schoͤps thut: ſo verlangte ſie nicht mehr,
als die gegenwaͤrtige Noth erforderte. Sie wohnet jetzt in
einem zwar kleinen, aber doch nicht ſchlechten Hauſe, und
hat ihre Haushaltung ſo nett eingerichtet, daß es ein Ver-
gnuͤgen iſt, ſie zu ſehen. Ich habe ſie neulich beſucht, und
ſie vergnuͤgter als jemals gefunden. Nichts, ſagte ſie,
gleicht dem haͤuslichen Vergnuͤgen, und beſonders dem Ver-
gnuͤgen, ſich in jedem Augenblick einen kleinen Gewinn zu
verſchaffen, es ſey durch Erſparen oder Erwerben. So
veraͤchtlich es auch den groſſen Geiſtern vorkommen mag,
ſo wahr iſt es doch, daß ein ſelbſterworbener Schilling das
Herz mit einer groſſen Freude erfuͤllen koͤnne. Jeder Au-
gen-
*) Die Stockjobberey iſt eine Art von Actienkraͤmerey, die vor
zwey Jahren in England aufs hoͤchſte geſtiegen war.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und vermehrte Auflage“ des 3. Teils von Justus Mösers „Patriotischen Phantasien“ zur Digitalisierung ausgewählt. Sie erschien 1778, also im selben Jahr wie die Erstauflage dieses Bandes, und ist bis S. 260 seitenidentisch mit dieser. Die Abschnitte LX („Gedanken über den westphälischen Leibeigenthum“) bis LXVIII („Gedanken über den Stillestand der Leibeignen“) sind Ergänzungen gegenüber der ersten Auflage.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/54>, abgerufen am 03.03.2025.
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