Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Politik im Unglück.


XIII.

Die A .. hat ihren Mann glücklich wieder. Die Stock-
jobberey *) hat auch ihn, wie viele andre, gestürzt.
In der Angst war er nach England gereiset, weil er glaubte,
daß ihn sein dortiger Compagnon hintergangen hätte; und
würklich hat er durch seine geschwinde Reise noch vieles ge-
rettet. Seine Gläubiger haben sich mit 60 p. C. begnügt,
nachdem er ihnen seinen Zustand aufrichtig eröfnet; und
nun hat er noch so viel übrig, daß er bey Fleiß und Ord-
nung ein mäßiges Auskommen finden wird. Der grosse
Eindruck, den seine Frau durch ihr Betragen im Unglück,
bey allen und jeden gemacht hat, ist ihm sehr zu statten ge-
kommen. Jeder glaubte, ihr eine Gerechtigkeit zu thun,
indem er von seiner Forderung so viel nachließ. Man
hätte mehrers gethan, wann sie gewollt hätte. Allein da
sie auch dasjenige zu bezahlen gedenkt, was ihre Gläubi-
ger jetzt nicht fordern wollen, so bald sie die Erbschaft von
dem Oheim Schöps thut: so verlangte sie nicht mehr,
als die gegenwärtige Noth erforderte. Sie wohnet jetzt in
einem zwar kleinen, aber doch nicht schlechten Hause, und
hat ihre Haushaltung so nett eingerichtet, daß es ein Ver-
gnügen ist, sie zu sehen. Ich habe sie neulich besucht, und
sie vergnügter als jemals gefunden. Nichts, sagte sie,
gleicht dem häuslichen Vergnügen, und besonders dem Ver-
gnügen, sich in jedem Augenblick einen kleinen Gewinn zu
verschaffen, es sey durch Ersparen oder Erwerben. So
verächtlich es auch den grossen Geistern vorkommen mag,
so wahr ist es doch, daß ein selbsterworbener Schilling das
Herz mit einer grossen Freude erfüllen könne. Jeder Au-

gen-
*) Die Stockjobberey ist eine Art von Actienkrämerey, die vor
zwey Jahren in England aufs höchste gestiegen war.
Die Politik im Ungluͤck.


XIII.

Die A .. hat ihren Mann gluͤcklich wieder. Die Stock-
jobberey *) hat auch ihn, wie viele andre, geſtuͤrzt.
In der Angſt war er nach England gereiſet, weil er glaubte,
daß ihn ſein dortiger Compagnon hintergangen haͤtte; und
wuͤrklich hat er durch ſeine geſchwinde Reiſe noch vieles ge-
rettet. Seine Glaͤubiger haben ſich mit 60 p. C. begnuͤgt,
nachdem er ihnen ſeinen Zuſtand aufrichtig eroͤfnet; und
nun hat er noch ſo viel uͤbrig, daß er bey Fleiß und Ord-
nung ein maͤßiges Auskommen finden wird. Der groſſe
Eindruck, den ſeine Frau durch ihr Betragen im Ungluͤck,
bey allen und jeden gemacht hat, iſt ihm ſehr zu ſtatten ge-
kommen. Jeder glaubte, ihr eine Gerechtigkeit zu thun,
indem er von ſeiner Forderung ſo viel nachließ. Man
haͤtte mehrers gethan, wann ſie gewollt haͤtte. Allein da
ſie auch dasjenige zu bezahlen gedenkt, was ihre Glaͤubi-
ger jetzt nicht fordern wollen, ſo bald ſie die Erbſchaft von
dem Oheim Schoͤps thut: ſo verlangte ſie nicht mehr,
als die gegenwaͤrtige Noth erforderte. Sie wohnet jetzt in
einem zwar kleinen, aber doch nicht ſchlechten Hauſe, und
hat ihre Haushaltung ſo nett eingerichtet, daß es ein Ver-
gnuͤgen iſt, ſie zu ſehen. Ich habe ſie neulich beſucht, und
ſie vergnuͤgter als jemals gefunden. Nichts, ſagte ſie,
gleicht dem haͤuslichen Vergnuͤgen, und beſonders dem Ver-
gnuͤgen, ſich in jedem Augenblick einen kleinen Gewinn zu
verſchaffen, es ſey durch Erſparen oder Erwerben. So
veraͤchtlich es auch den groſſen Geiſtern vorkommen mag,
ſo wahr iſt es doch, daß ein ſelbſterworbener Schilling das
Herz mit einer groſſen Freude erfuͤllen koͤnne. Jeder Au-

gen-
*) Die Stockjobberey iſt eine Art von Actienkraͤmerey, die vor
zwey Jahren in England aufs hoͤchſte geſtiegen war.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0054" n="40"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Die Politik im Unglu&#x0364;ck.</hi> </fw><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#aq">XIII.</hi> </head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et">H &#x2026; den 26 Jun. 1774.</hi> </dateline><lb/>
          <p>Die A .. hat ihren Mann glu&#x0364;cklich wieder. Die Stock-<lb/>
jobberey <note place="foot" n="*)">Die Stockjobberey i&#x017F;t eine Art von Actienkra&#x0364;merey, die vor<lb/>
zwey Jahren in England aufs ho&#x0364;ch&#x017F;te ge&#x017F;tiegen war.</note> hat auch ihn, wie viele andre, ge&#x017F;tu&#x0364;rzt.<lb/>
In der Ang&#x017F;t war er nach England gerei&#x017F;et, weil er glaubte,<lb/>
daß ihn &#x017F;ein dortiger Compagnon hintergangen ha&#x0364;tte; und<lb/>
wu&#x0364;rklich hat er durch &#x017F;eine ge&#x017F;chwinde Rei&#x017F;e noch vieles ge-<lb/>
rettet. Seine Gla&#x0364;ubiger haben &#x017F;ich mit 60 p. C. begnu&#x0364;gt,<lb/>
nachdem er ihnen &#x017F;einen Zu&#x017F;tand aufrichtig ero&#x0364;fnet; und<lb/>
nun hat er noch &#x017F;o viel u&#x0364;brig, daß er bey Fleiß und Ord-<lb/>
nung ein ma&#x0364;ßiges Auskommen finden wird. Der gro&#x017F;&#x017F;e<lb/>
Eindruck, den &#x017F;eine Frau durch ihr Betragen im Unglu&#x0364;ck,<lb/>
bey allen und jeden gemacht hat, i&#x017F;t ihm &#x017F;ehr zu &#x017F;tatten ge-<lb/>
kommen. Jeder glaubte, ihr eine Gerechtigkeit zu thun,<lb/>
indem er von &#x017F;einer Forderung &#x017F;o viel nachließ. Man<lb/>
ha&#x0364;tte mehrers gethan, wann &#x017F;ie gewollt ha&#x0364;tte. Allein da<lb/>
&#x017F;ie auch dasjenige zu bezahlen gedenkt, was ihre Gla&#x0364;ubi-<lb/>
ger jetzt nicht fordern wollen, &#x017F;o bald &#x017F;ie die Erb&#x017F;chaft von<lb/>
dem Oheim Scho&#x0364;ps thut: &#x017F;o verlangte &#x017F;ie nicht mehr,<lb/>
als die gegenwa&#x0364;rtige Noth erforderte. Sie wohnet jetzt in<lb/>
einem zwar kleinen, aber doch nicht &#x017F;chlechten Hau&#x017F;e, und<lb/>
hat ihre Haushaltung &#x017F;o nett eingerichtet, daß es ein Ver-<lb/>
gnu&#x0364;gen i&#x017F;t, &#x017F;ie zu &#x017F;ehen. Ich habe &#x017F;ie neulich be&#x017F;ucht, und<lb/>
&#x017F;ie vergnu&#x0364;gter als jemals gefunden. Nichts, &#x017F;agte &#x017F;ie,<lb/>
gleicht dem ha&#x0364;uslichen Vergnu&#x0364;gen, und be&#x017F;onders dem Ver-<lb/>
gnu&#x0364;gen, &#x017F;ich in jedem Augenblick einen kleinen Gewinn zu<lb/>
ver&#x017F;chaffen, es &#x017F;ey durch Er&#x017F;paren oder Erwerben. So<lb/>
vera&#x0364;chtlich es auch den gro&#x017F;&#x017F;en Gei&#x017F;tern vorkommen mag,<lb/>
&#x017F;o wahr i&#x017F;t es doch, daß ein &#x017F;elb&#x017F;terworbener Schilling das<lb/>
Herz mit einer gro&#x017F;&#x017F;en Freude erfu&#x0364;llen ko&#x0364;nne. Jeder Au-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gen-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[40/0054] Die Politik im Ungluͤck. XIII. H … den 26 Jun. 1774. Die A .. hat ihren Mann gluͤcklich wieder. Die Stock- jobberey *) hat auch ihn, wie viele andre, geſtuͤrzt. In der Angſt war er nach England gereiſet, weil er glaubte, daß ihn ſein dortiger Compagnon hintergangen haͤtte; und wuͤrklich hat er durch ſeine geſchwinde Reiſe noch vieles ge- rettet. Seine Glaͤubiger haben ſich mit 60 p. C. begnuͤgt, nachdem er ihnen ſeinen Zuſtand aufrichtig eroͤfnet; und nun hat er noch ſo viel uͤbrig, daß er bey Fleiß und Ord- nung ein maͤßiges Auskommen finden wird. Der groſſe Eindruck, den ſeine Frau durch ihr Betragen im Ungluͤck, bey allen und jeden gemacht hat, iſt ihm ſehr zu ſtatten ge- kommen. Jeder glaubte, ihr eine Gerechtigkeit zu thun, indem er von ſeiner Forderung ſo viel nachließ. Man haͤtte mehrers gethan, wann ſie gewollt haͤtte. Allein da ſie auch dasjenige zu bezahlen gedenkt, was ihre Glaͤubi- ger jetzt nicht fordern wollen, ſo bald ſie die Erbſchaft von dem Oheim Schoͤps thut: ſo verlangte ſie nicht mehr, als die gegenwaͤrtige Noth erforderte. Sie wohnet jetzt in einem zwar kleinen, aber doch nicht ſchlechten Hauſe, und hat ihre Haushaltung ſo nett eingerichtet, daß es ein Ver- gnuͤgen iſt, ſie zu ſehen. Ich habe ſie neulich beſucht, und ſie vergnuͤgter als jemals gefunden. Nichts, ſagte ſie, gleicht dem haͤuslichen Vergnuͤgen, und beſonders dem Ver- gnuͤgen, ſich in jedem Augenblick einen kleinen Gewinn zu verſchaffen, es ſey durch Erſparen oder Erwerben. So veraͤchtlich es auch den groſſen Geiſtern vorkommen mag, ſo wahr iſt es doch, daß ein ſelbſterworbener Schilling das Herz mit einer groſſen Freude erfuͤllen koͤnne. Jeder Au- gen- *) Die Stockjobberey iſt eine Art von Actienkraͤmerey, die vor zwey Jahren in England aufs hoͤchſte geſtiegen war.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/54
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/54>, abgerufen am 21.11.2024.