machen müssen. So begierig ist jederman ihr seine Hoch- achtung zu zeigen. Es fällt mir hiebey ein, daß Sie mir auch noch Ihr Bildniß schuldig sind. O! lassen Sie sich doch ja auch in Ihrem ländlichen Anzuge mahlen, die große Draperie hat jetzt vieles von ihrem Werthe bey mir verloh- ren; ich schätze heute nichts als Vernunft und Herz; und Sie, meine Theureste! die beydes von der besten Art be- sitzen.
XI.
H ... den 5 Febr. 1774.
Sie haben Recht, meine Liebe, es ist nicht allen gege- ben, oder besser, nicht alle verstehen die Kunst, sich so fein herabzulassen, wie es unsere A ... thut; besonders wenn es ein Muß ist. Allein besser ist doch immer besser; und jederman muß gestehen, daß sie in der Art, wie sie ihren Fall ertragen, einen grossen Verstand gezeigt habe. Es ist ihr aber auch so leicht nicht geworden, wie es jetzt nach geschehener Arbeit aussieht. Ich wünsche, daß Sie es nur einmal aus ihrem eigenen Munde hören mögten, wie sauer ihr der erste Kirchgang nach ihren veränderten Um- ständen geworden ist, und was die Frau gelitten, wie ih- res Vaters Bruder ihr den Antrag gethan hat, einen Am- menplatz anzunehmen. Sie würden gewiß eben so laut mit ihr heulen, wie ich gethan habe. "Bey aller Entschlossen- heit, und mit einem Muthe, worauf ich mich lange geübt hatte, sagte sie, stieg mir doch immer das Herz in die Hö- he, wie ich das erstemal in die Kirche gieng, ich hätte kei- nen Laut hervorbringen können; und wie ich vor die Kir- chenthür kam, wo sonst mein Wagen gehalten, und ein Be-
dienter
Die Politik im Ungluͤck.
machen muͤſſen. So begierig iſt jederman ihr ſeine Hoch- achtung zu zeigen. Es faͤllt mir hiebey ein, daß Sie mir auch noch Ihr Bildniß ſchuldig ſind. O! laſſen Sie ſich doch ja auch in Ihrem laͤndlichen Anzuge mahlen, die große Draperie hat jetzt vieles von ihrem Werthe bey mir verloh- ren; ich ſchaͤtze heute nichts als Vernunft und Herz; und Sie, meine Theureſte! die beydes von der beſten Art be- ſitzen.
XI.
H … den 5 Febr. 1774.
Sie haben Recht, meine Liebe, es iſt nicht allen gege- ben, oder beſſer, nicht alle verſtehen die Kunſt, ſich ſo fein herabzulaſſen, wie es unſere A … thut; beſonders wenn es ein Muß iſt. Allein beſſer iſt doch immer beſſer; und jederman muß geſtehen, daß ſie in der Art, wie ſie ihren Fall ertragen, einen groſſen Verſtand gezeigt habe. Es iſt ihr aber auch ſo leicht nicht geworden, wie es jetzt nach geſchehener Arbeit ausſieht. Ich wuͤnſche, daß Sie es nur einmal aus ihrem eigenen Munde hoͤren moͤgten, wie ſauer ihr der erſte Kirchgang nach ihren veraͤnderten Um- ſtaͤnden geworden iſt, und was die Frau gelitten, wie ih- res Vaters Bruder ihr den Antrag gethan hat, einen Am- menplatz anzunehmen. Sie wuͤrden gewiß eben ſo laut mit ihr heulen, wie ich gethan habe. ”Bey aller Entſchloſſen- heit, und mit einem Muthe, worauf ich mich lange geuͤbt hatte, ſagte ſie, ſtieg mir doch immer das Herz in die Hoͤ- he, wie ich das erſtemal in die Kirche gieng, ich haͤtte kei- nen Laut hervorbringen koͤnnen; und wie ich vor die Kir- chenthuͤr kam, wo ſonſt mein Wagen gehalten, und ein Be-
dienter
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Die Politik im Ungluͤck.
machen muͤſſen. So begierig iſt jederman ihr ſeine Hoch-
achtung zu zeigen. Es faͤllt mir hiebey ein, daß Sie mir
auch noch Ihr Bildniß ſchuldig ſind. O! laſſen Sie ſich
doch ja auch in Ihrem laͤndlichen Anzuge mahlen, die große
Draperie hat jetzt vieles von ihrem Werthe bey mir verloh-
ren; ich ſchaͤtze heute nichts als Vernunft und Herz; und
Sie, meine Theureſte! die beydes von der beſten Art be-
ſitzen.
XI.
H … den 5 Febr. 1774.
Sie haben Recht, meine Liebe, es iſt nicht allen gege-
ben, oder beſſer, nicht alle verſtehen die Kunſt, ſich
ſo fein herabzulaſſen, wie es unſere A … thut; beſonders
wenn es ein Muß iſt. Allein beſſer iſt doch immer beſſer;
und jederman muß geſtehen, daß ſie in der Art, wie ſie
ihren Fall ertragen, einen groſſen Verſtand gezeigt habe.
Es iſt ihr aber auch ſo leicht nicht geworden, wie es jetzt
nach geſchehener Arbeit ausſieht. Ich wuͤnſche, daß Sie
es nur einmal aus ihrem eigenen Munde hoͤren moͤgten, wie
ſauer ihr der erſte Kirchgang nach ihren veraͤnderten Um-
ſtaͤnden geworden iſt, und was die Frau gelitten, wie ih-
res Vaters Bruder ihr den Antrag gethan hat, einen Am-
menplatz anzunehmen. Sie wuͤrden gewiß eben ſo laut mit
ihr heulen, wie ich gethan habe. ”Bey aller Entſchloſſen-
heit, und mit einem Muthe, worauf ich mich lange geuͤbt
hatte, ſagte ſie, ſtieg mir doch immer das Herz in die Hoͤ-
he, wie ich das erſtemal in die Kirche gieng, ich haͤtte kei-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und vermehrte Auflage“ des 3. Teils von Justus Mösers „Patriotischen Phantasien“ zur Digitalisierung ausgewählt. Sie erschien 1778, also im selben Jahr wie die Erstauflage dieses Bandes, und ist bis S. 260 seitenidentisch mit dieser. Die Abschnitte LX („Gedanken über den westphälischen Leibeigenthum“) bis LXVIII („Gedanken über den Stillestand der Leibeignen“) sind Ergänzungen gegenüber der ersten Auflage.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/45>, abgerufen am 03.03.2025.
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