Verbrennen Sie geschwind meinen letzten Brief, worin ich über den hohen Fall unserer grossen A .... gespottet habe. Wahr bleibt es zwar immer, sie ist eine recht stolze Frau. Da sie sich aber durch das gröste Un- glück, was ihr begegnen konnte, nicht niederschlagen läßt; und in der Art, womit sie solches erträgt, so viele Klug- heit als Standhaftigkeit zeigt: so soll sie von nun an nicht mehr der Gegenstand meines Spottes, sondern meiner grö- sten Hochachtung seyn. Auf einmal ein Vermögen, was man auf 500000 Mark schätzte, zu verlieren; ein Haus, was das prächtigste in der Stadt war, mit einem kleinen Stübgen zu verwechseln; Equipage und Livree, wenn man von Jugend auf daran gewöhnt ist, nicht mehr zu haben; selbst die Stelle der Hausmagd und der Cammerjungfer vertreten zu müssen; sich von dem Vergnügen, in allen Ge- sellschaften zu gläuzen, hundert Bewundrer und Anbeter um sich zu haben, und den Ton in allen Moden zu geben, plötz- lich beraubt zu sehen ... und diesen entsetzlichen Fall mit Klugheit und Standhaftigkeit zu ertragen, sich in alle die traurigen Folgen desselben gelassen zu schicken, darin einen neuen Muth zu fassen, und der hämischen Freude aller Nei- derinnen kein niederträchtiges Opfer zu bringen ... wenn das keine Bewunderung verdient: so weiß ich nicht mehr, was man bewundern soll. Des Tags vorher, wie der Bankerott ihres Mannes ausbrach, war sie noch in ihrem
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VIII. Die Politik im Ungluͤck.
Briefe eines Frauenzimmers.
H … den 30 Dec. 1773.
Verbrennen Sie geſchwind meinen letzten Brief, worin ich uͤber den hohen Fall unſerer groſſen A .... geſpottet habe. Wahr bleibt es zwar immer, ſie iſt eine recht ſtolze Frau. Da ſie ſich aber durch das groͤſte Un- gluͤck, was ihr begegnen konnte, nicht niederſchlagen laͤßt; und in der Art, womit ſie ſolches ertraͤgt, ſo viele Klug- heit als Standhaftigkeit zeigt: ſo ſoll ſie von nun an nicht mehr der Gegenſtand meines Spottes, ſondern meiner groͤ- ſten Hochachtung ſeyn. Auf einmal ein Vermoͤgen, was man auf 500000 Mark ſchaͤtzte, zu verlieren; ein Haus, was das praͤchtigſte in der Stadt war, mit einem kleinen Stuͤbgen zu verwechſeln; Equipage und Livree, wenn man von Jugend auf daran gewoͤhnt iſt, nicht mehr zu haben; ſelbſt die Stelle der Hausmagd und der Cammerjungfer vertreten zu muͤſſen; ſich von dem Vergnuͤgen, in allen Ge- ſellſchaften zu glaͤuzen, hundert Bewundrer und Anbeter um ſich zu haben, und den Ton in allen Moden zu geben, ploͤtz- lich beraubt zu ſehen … und dieſen entſetzlichen Fall mit Klugheit und Standhaftigkeit zu ertragen, ſich in alle die traurigen Folgen deſſelben gelaſſen zu ſchicken, darin einen neuen Muth zu faſſen, und der haͤmiſchen Freude aller Nei- derinnen kein niedertraͤchtiges Opfer zu bringen … wenn das keine Bewunderung verdient: ſo weiß ich nicht mehr, was man bewundern ſoll. Des Tags vorher, wie der Bankerott ihres Mannes ausbrach, war ſie noch in ihrem
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VIII.
Die Politik im Ungluͤck.
Briefe eines Frauenzimmers.
H … den 30 Dec. 1773.
Verbrennen Sie geſchwind meinen letzten Brief, worin
ich uͤber den hohen Fall unſerer groſſen A ....
geſpottet habe. Wahr bleibt es zwar immer, ſie iſt eine
recht ſtolze Frau. Da ſie ſich aber durch das groͤſte Un-
gluͤck, was ihr begegnen konnte, nicht niederſchlagen laͤßt;
und in der Art, womit ſie ſolches ertraͤgt, ſo viele Klug-
heit als Standhaftigkeit zeigt: ſo ſoll ſie von nun an nicht
mehr der Gegenſtand meines Spottes, ſondern meiner groͤ-
ſten Hochachtung ſeyn. Auf einmal ein Vermoͤgen, was
man auf 500000 Mark ſchaͤtzte, zu verlieren; ein Haus,
was das praͤchtigſte in der Stadt war, mit einem kleinen
Stuͤbgen zu verwechſeln; Equipage und Livree, wenn man
von Jugend auf daran gewoͤhnt iſt, nicht mehr zu haben;
ſelbſt die Stelle der Hausmagd und der Cammerjungfer
vertreten zu muͤſſen; ſich von dem Vergnuͤgen, in allen Ge-
ſellſchaften zu glaͤuzen, hundert Bewundrer und Anbeter um
ſich zu haben, und den Ton in allen Moden zu geben, ploͤtz-
lich beraubt zu ſehen … und dieſen entſetzlichen Fall mit
Klugheit und Standhaftigkeit zu ertragen, ſich in alle die
traurigen Folgen deſſelben gelaſſen zu ſchicken, darin einen
neuen Muth zu faſſen, und der haͤmiſchen Freude aller Nei-
derinnen kein niedertraͤchtiges Opfer zu bringen … wenn
das keine Bewunderung verdient: ſo weiß ich nicht mehr,
was man bewundern ſoll. Des Tags vorher, wie der
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und vermehrte Auflage“ des 3. Teils von Justus Mösers „Patriotischen Phantasien“ zur Digitalisierung ausgewählt. Sie erschien 1778, also im selben Jahr wie die Erstauflage dieses Bandes, und ist bis S. 260 seitenidentisch mit dieser. Die Abschnitte LX („Gedanken über den westphälischen Leibeigenthum“) bis LXVIII („Gedanken über den Stillestand der Leibeignen“) sind Ergänzungen gegenüber der ersten Auflage.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/38>, abgerufen am 21.11.2024.
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