Ich hoffe übrigens, daß ich meine Commißion recht gut ausgerichtet habe, und wünsche, daß Ew. Gnaden bald kommen mögen, die Betrübte zu trösten.
Louise.
N. S.
Arabelle hat sich eben, und zwar nur auf eine Minute recht nothwendig zu sprechen, melden lassen, ist aber nicht angenommen worden; ich denke doch nicht, daß sie jetzt noch mit neuen Moden aufgezogen kömmt! Die böse Frau? sie taugt nicht, wie ich von der Jungfer Dehwern nur gar zu wohl weiß. Aber ich mogte es meiner gnädigen Frau nicht sagen; sie denkt zu gut, und ihre Jugend hat kein Mißtrauen. Meine vorige Herrschaft dachte ganz anders; sie sahe unter jedem Mayblümgen so gleich eine garstige Kröte, wann auch nur ein Käfer so groß wie ein Nadel- knopf daran war; ich bin ut in litteris, sagen die Ge- lehrten.
Bericht des Herausgebers vorstehender Briefe.
Unsre Leser werden vielleicht zu wissen verlangen, was weiter zwischen Mann und Frau vorgefallen sey. Al- lein der Briefwechsel hat hier aufgehört, und das Gerüchte nichts davon erfahren. Wenn von ihr nachher gesprochen wurde, sagte man blos, es ist eine kluge Frau, und legte den vollen Ton auf das Wort klug; sonst kam sie in kein Gespräch, als wenn sie schwanger war. Einsmals traf ich sie in einem öffentlichen Garten an, als eben die Grä- fin von ... mit vollem Geräusche in einem neuen Wa- gen vorbey fuhr. Ach, sagte sie, wie glücklich schätzte ich mich ehedem, als ich auch so hervorstechen konnte; ich glaubte nicht, daß es möglich wäre, mit Anstand in der Welt zu leben, ohne die erste in allen Moden zu seyn. Aber
wie
Alſo kann man der Mode
Ich hoffe uͤbrigens, daß ich meine Commißion recht gut ausgerichtet habe, und wuͤnſche, daß Ew. Gnaden bald kommen moͤgen, die Betruͤbte zu troͤſten.
Louiſe.
N. S.
Arabelle hat ſich eben, und zwar nur auf eine Minute recht nothwendig zu ſprechen, melden laſſen, iſt aber nicht angenommen worden; ich denke doch nicht, daß ſie jetzt noch mit neuen Moden aufgezogen koͤmmt! Die boͤſe Frau? ſie taugt nicht, wie ich von der Jungfer Dehwern nur gar zu wohl weiß. Aber ich mogte es meiner gnaͤdigen Frau nicht ſagen; ſie denkt zu gut, und ihre Jugend hat kein Mißtrauen. Meine vorige Herrſchaft dachte ganz anders; ſie ſahe unter jedem Maybluͤmgen ſo gleich eine garſtige Kroͤte, wann auch nur ein Kaͤfer ſo groß wie ein Nadel- knopf daran war; ich bin ut in litteris, ſagen die Ge- lehrten.
Bericht des Herausgebers vorſtehender Briefe.
Unſre Leſer werden vielleicht zu wiſſen verlangen, was weiter zwiſchen Mann und Frau vorgefallen ſey. Al- lein der Briefwechſel hat hier aufgehoͤrt, und das Geruͤchte nichts davon erfahren. Wenn von ihr nachher geſprochen wurde, ſagte man blos, es iſt eine kluge Frau, und legte den vollen Ton auf das Wort klug; ſonſt kam ſie in kein Geſpraͤch, als wenn ſie ſchwanger war. Einsmals traf ich ſie in einem oͤffentlichen Garten an, als eben die Graͤ- fin von … mit vollem Geraͤuſche in einem neuen Wa- gen vorbey fuhr. Ach, ſagte ſie, wie gluͤcklich ſchaͤtzte ich mich ehedem, als ich auch ſo hervorſtechen konnte; ich glaubte nicht, daß es moͤglich waͤre, mit Anſtand in der Welt zu leben, ohne die erſte in allen Moden zu ſeyn. Aber
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Alſo kann man der Mode
Ich hoffe uͤbrigens, daß ich meine Commißion recht
gut ausgerichtet habe, und wuͤnſche, daß Ew. Gnaden bald
kommen moͤgen, die Betruͤbte zu troͤſten.
Louiſe.
N. S.
Arabelle hat ſich eben, und zwar nur auf eine Minute
recht nothwendig zu ſprechen, melden laſſen, iſt aber nicht
angenommen worden; ich denke doch nicht, daß ſie jetzt
noch mit neuen Moden aufgezogen koͤmmt! Die boͤſe Frau?
ſie taugt nicht, wie ich von der Jungfer Dehwern nur gar
zu wohl weiß. Aber ich mogte es meiner gnaͤdigen Frau
nicht ſagen; ſie denkt zu gut, und ihre Jugend hat kein
Mißtrauen. Meine vorige Herrſchaft dachte ganz anders;
ſie ſahe unter jedem Maybluͤmgen ſo gleich eine garſtige
Kroͤte, wann auch nur ein Kaͤfer ſo groß wie ein Nadel-
knopf daran war; ich bin ut in litteris, ſagen die Ge-
lehrten.
Bericht des Herausgebers vorſtehender Briefe.
Unſre Leſer werden vielleicht zu wiſſen verlangen, was
weiter zwiſchen Mann und Frau vorgefallen ſey. Al-
lein der Briefwechſel hat hier aufgehoͤrt, und das Geruͤchte
nichts davon erfahren. Wenn von ihr nachher geſprochen
wurde, ſagte man blos, es iſt eine kluge Frau, und legte
den vollen Ton auf das Wort klug; ſonſt kam ſie in kein
Geſpraͤch, als wenn ſie ſchwanger war. Einsmals traf
ich ſie in einem oͤffentlichen Garten an, als eben die Graͤ-
fin von … mit vollem Geraͤuſche in einem neuen Wa-
gen vorbey fuhr. Ach, ſagte ſie, wie gluͤcklich ſchaͤtzte ich
mich ehedem, als ich auch ſo hervorſtechen konnte; ich
glaubte nicht, daß es moͤglich waͤre, mit Anſtand in der
Welt zu leben, ohne die erſte in allen Moden zu ſeyn. Aber
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und vermehrte Auflage“ des 3. Teils von Justus Mösers „Patriotischen Phantasien“ zur Digitalisierung ausgewählt. Sie erschien 1778, also im selben Jahr wie die Erstauflage dieses Bandes, und ist bis S. 260 seitenidentisch mit dieser. Die Abschnitte LX („Gedanken über den westphälischen Leibeigenthum“) bis LXVIII („Gedanken über den Stillestand der Leibeignen“) sind Ergänzungen gegenüber der ersten Auflage.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/36>, abgerufen am 03.03.2025.
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