ihren Adam stolz an. Und nun rief Adam aus, indem er seinen neugebohrnen Sohn aus der Hütte ans Licht brachte: Ach Herr! wie wohl hast du auch den Winter gemacht, da du den Frühling auf ihn folgen läßt! Wie glücklich wird un- ser Leben seyn, wenn auch hierauf einst ein anders folgt! -- Er bauete aber nun auch seine Hütte grösser, sorgte im Som- mer für den Winter, und in der Zeit für die Ewigkeit.
XXXIX. Ueber die Feyerstunde der Handwerker.
Ich habe noch kein Jahr erlebt, worin alle Menschen so fleißig gewesen sind, wie in dem vorigen. Meine Umstände erforderten es, daß ich ein neu Haus bauen mu- ste, und ob ich gleich eben so sehr eilig nicht war: so be- eiferte sich doch ein jeder, mir auch in den Feyerstunden seine Kräfte zu schenken. Maurer, Zimmerleute, Tischler, und sogar die Taglöhner opferten mir die Stunden, welche sonst zu ihrer Ruhe gewidmet waren, auf, und erwarte- ten, wie billig, meinen Beyfall durch eine verhältnismäßige Vergütung.
Anfänglich glaubte ich viel dabey zu gewinnen, aber am Ende merkte ich doch, daß es auf eine Geldschneiderey hinaus lief, und daß ein jeder, der rechtschaffen arbeitete, auch seine Erholungsstunden nöthig hätte. Was sollt ich indessen thun? Mich mit den Arbeitsleuten, und besonders mit den Gesellen zu überwerfen, das war nicht rathsam, sie konnten mir auf andre Art schaden. Ich ließ mich also geruhig betrügen, um nicht noch ärger betrogen zu werden. In der That aber sollte die Obrigkeit hier ein Einsehen ha- ben, und überhaupt das Arbeiten der Gesellen in den Feyer-
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Ueber die Feyerſtunde der Handwerker.
ihren Adam ſtolz an. Und nun rief Adam aus, indem er ſeinen neugebohrnen Sohn aus der Huͤtte ans Licht brachte: Ach Herr! wie wohl haſt du auch den Winter gemacht, da du den Fruͤhling auf ihn folgen laͤßt! Wie gluͤcklich wird un- ſer Leben ſeyn, wenn auch hierauf einſt ein anders folgt! — Er bauete aber nun auch ſeine Huͤtte groͤſſer, ſorgte im Som- mer fuͤr den Winter, und in der Zeit fuͤr die Ewigkeit.
XXXIX. Ueber die Feyerſtunde der Handwerker.
Ich habe noch kein Jahr erlebt, worin alle Menſchen ſo fleißig geweſen ſind, wie in dem vorigen. Meine Umſtaͤnde erforderten es, daß ich ein neu Haus bauen mu- ſte, und ob ich gleich eben ſo ſehr eilig nicht war: ſo be- eiferte ſich doch ein jeder, mir auch in den Feyerſtunden ſeine Kraͤfte zu ſchenken. Maurer, Zimmerleute, Tiſchler, und ſogar die Tagloͤhner opferten mir die Stunden, welche ſonſt zu ihrer Ruhe gewidmet waren, auf, und erwarte- ten, wie billig, meinen Beyfall durch eine verhaͤltnismaͤßige Verguͤtung.
Anfaͤnglich glaubte ich viel dabey zu gewinnen, aber am Ende merkte ich doch, daß es auf eine Geldſchneiderey hinaus lief, und daß ein jeder, der rechtſchaffen arbeitete, auch ſeine Erholungsſtunden noͤthig haͤtte. Was ſollt ich indeſſen thun? Mich mit den Arbeitsleuten, und beſonders mit den Geſellen zu uͤberwerfen, das war nicht rathſam, ſie konnten mir auf andre Art ſchaden. Ich ließ mich alſo geruhig betruͤgen, um nicht noch aͤrger betrogen zu werden. In der That aber ſollte die Obrigkeit hier ein Einſehen ha- ben, und uͤberhaupt das Arbeiten der Geſellen in den Feyer-
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Ueber die Feyerſtunde der Handwerker.
ihren Adam ſtolz an. Und nun rief Adam aus, indem er
ſeinen neugebohrnen Sohn aus der Huͤtte ans Licht brachte:
Ach Herr! wie wohl haſt du auch den Winter gemacht, da
du den Fruͤhling auf ihn folgen laͤßt! Wie gluͤcklich wird un-
ſer Leben ſeyn, wenn auch hierauf einſt ein anders folgt! —
Er bauete aber nun auch ſeine Huͤtte groͤſſer, ſorgte im Som-
mer fuͤr den Winter, und in der Zeit fuͤr die Ewigkeit.
XXXIX.
Ueber die Feyerſtunde der Handwerker.
Ich habe noch kein Jahr erlebt, worin alle Menſchen ſo
fleißig geweſen ſind, wie in dem vorigen. Meine
Umſtaͤnde erforderten es, daß ich ein neu Haus bauen mu-
ſte, und ob ich gleich eben ſo ſehr eilig nicht war: ſo be-
eiferte ſich doch ein jeder, mir auch in den Feyerſtunden
ſeine Kraͤfte zu ſchenken. Maurer, Zimmerleute, Tiſchler,
und ſogar die Tagloͤhner opferten mir die Stunden, welche
ſonſt zu ihrer Ruhe gewidmet waren, auf, und erwarte-
ten, wie billig, meinen Beyfall durch eine verhaͤltnismaͤßige
Verguͤtung.
Anfaͤnglich glaubte ich viel dabey zu gewinnen, aber
am Ende merkte ich doch, daß es auf eine Geldſchneiderey
hinaus lief, und daß ein jeder, der rechtſchaffen arbeitete,
auch ſeine Erholungsſtunden noͤthig haͤtte. Was ſollt ich
indeſſen thun? Mich mit den Arbeitsleuten, und beſonders
mit den Geſellen zu uͤberwerfen, das war nicht rathſam,
ſie konnten mir auf andre Art ſchaden. Ich ließ mich alſo
geruhig betruͤgen, um nicht noch aͤrger betrogen zu werden.
In der That aber ſollte die Obrigkeit hier ein Einſehen ha-
ben, und uͤberhaupt das Arbeiten der Geſellen in den Feyer-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und vermehrte Auflage“ des 3. Teils von Justus Mösers „Patriotischen Phantasien“ zur Digitalisierung ausgewählt. Sie erschien 1778, also im selben Jahr wie die Erstauflage dieses Bandes, und ist bis S. 260 seitenidentisch mit dieser. Die Abschnitte LX („Gedanken über den westphälischen Leibeigenthum“) bis LXVIII („Gedanken über den Stillestand der Leibeignen“) sind Ergänzungen gegenüber der ersten Auflage.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/167>, abgerufen am 05.01.2025.
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