Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.Der Freund ist schonend dern häufiger, als daß Kinder an doppelten Gliedern, Fi-stelschaden und Nervenkrankheiten leiden. Aber nichts ist auch gewisser, als daß dergleichen Uebel durch das Baden in kalten Wasser abgewandt und geheilet werden. Es fin- det sich kein Beyspiel von Fistelschaden in den Gegenden, wo die Kinder früh kalt baden, und die Beyspiele, daß Nervenkrankheiten und doppelte Glieder blos durch das täg- liche Baden im Flußwasser geheilet worden, sind unzählig. Es ist also das Baden eine sehr heilsame Sache, und ein Fehler, daß wir die Kinder dazu nicht zeitig anführen. Sie sollten täglich einmal, so wie sie aus der Schule kä- men, in die Schwemme gejagt, und auf diese Weise ab- gehärtet werden. Vielleicht würden wir auch weniger von Bruchschaden, die man bey alten Leuten häufig antrift, hö- ren, wenn jedermann von Jugend auf an das Baden ge- wohnt, und durch dieses Mittel wider alle Erschlaffungen gesichert wäre. Mit dem Baden ist für diejenigen, so dar- an gewohnt sind, ein grosses Vergnügen verbunden; und unsre Vorfahren, welche sogar die Kinder gleich nach ihrer Geburth über und über ins Wasser tauchten, dachten nach ihrer Erfahrung ganz anders hievon als ihre Enkel. XXXV. Auch der Freund ist schonend bey unan- genehmen Wahrheiten. Damon ist mein guter Freund, er hat ein redliches an
Der Freund iſt ſchonend dern haͤufiger, als daß Kinder an doppelten Gliedern, Fi-ſtelſchaden und Nervenkrankheiten leiden. Aber nichts iſt auch gewiſſer, als daß dergleichen Uebel durch das Baden in kalten Waſſer abgewandt und geheilet werden. Es fin- det ſich kein Beyſpiel von Fiſtelſchaden in den Gegenden, wo die Kinder fruͤh kalt baden, und die Beyſpiele, daß Nervenkrankheiten und doppelte Glieder blos durch das taͤg- liche Baden im Flußwaſſer geheilet worden, ſind unzaͤhlig. Es iſt alſo das Baden eine ſehr heilſame Sache, und ein Fehler, daß wir die Kinder dazu nicht zeitig anfuͤhren. Sie ſollten taͤglich einmal, ſo wie ſie aus der Schule kaͤ- men, in die Schwemme gejagt, und auf dieſe Weiſe ab- gehaͤrtet werden. Vielleicht wuͤrden wir auch weniger von Bruchſchaden, die man bey alten Leuten haͤufig antrift, hoͤ- ren, wenn jedermann von Jugend auf an das Baden ge- wohnt, und durch dieſes Mittel wider alle Erſchlaffungen geſichert waͤre. Mit dem Baden iſt fuͤr diejenigen, ſo dar- an gewohnt ſind, ein groſſes Vergnuͤgen verbunden; und unſre Vorfahren, welche ſogar die Kinder gleich nach ihrer Geburth uͤber und uͤber ins Waſſer tauchten, dachten nach ihrer Erfahrung ganz anders hievon als ihre Enkel. XXXV. Auch der Freund iſt ſchonend bey unan- genehmen Wahrheiten. Damon iſt mein guter Freund, er hat ein redliches an
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Der Freund iſt ſchonend
dern haͤufiger, als daß Kinder an doppelten Gliedern, Fi-
ſtelſchaden und Nervenkrankheiten leiden. Aber nichts iſt
auch gewiſſer, als daß dergleichen Uebel durch das Baden
in kalten Waſſer abgewandt und geheilet werden. Es fin-
det ſich kein Beyſpiel von Fiſtelſchaden in den Gegenden,
wo die Kinder fruͤh kalt baden, und die Beyſpiele, daß
Nervenkrankheiten und doppelte Glieder blos durch das taͤg-
liche Baden im Flußwaſſer geheilet worden, ſind unzaͤhlig.
Es iſt alſo das Baden eine ſehr heilſame Sache, und ein
Fehler, daß wir die Kinder dazu nicht zeitig anfuͤhren.
Sie ſollten taͤglich einmal, ſo wie ſie aus der Schule kaͤ-
men, in die Schwemme gejagt, und auf dieſe Weiſe ab-
gehaͤrtet werden. Vielleicht wuͤrden wir auch weniger von
Bruchſchaden, die man bey alten Leuten haͤufig antrift, hoͤ-
ren, wenn jedermann von Jugend auf an das Baden ge-
wohnt, und durch dieſes Mittel wider alle Erſchlaffungen
geſichert waͤre. Mit dem Baden iſt fuͤr diejenigen, ſo dar-
an gewohnt ſind, ein groſſes Vergnuͤgen verbunden; und
unſre Vorfahren, welche ſogar die Kinder gleich nach ihrer
Geburth uͤber und uͤber ins Waſſer tauchten, dachten nach
ihrer Erfahrung ganz anders hievon als ihre Enkel.
XXXV.
Auch der Freund iſt ſchonend bey unan-
genehmen Wahrheiten.
Damon iſt mein guter Freund, er hat ein redliches
Herz und viel Geſchicklichkeit; aber ich kann ihm
das freundſchaftliche Vertrauen nicht bezeigen, was er
wuͤnſcht. Warum? er wendet ſeine Gedanken nicht genug,
und traͤgt ſie gemeiniglich mit einer uͤblen Laune vor, die
an
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