Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite
Das englische Gärtgen.


LXXXVI.
Das englische Gärtgen.

Was das für eine Veränderung ist, meine liebe Groß-
mama! Sollten Sie jetzt ihre kleine Bleiche, wor-
auf Sie in ihrer Jugend so manches schönes Stück Garn
und Linnen gebleichet -- --, sollten Sie den Obstgarten,
worinn Sie, wie Sie mir oft erzählet haben, so manche
Henne mit Küchlein aufgezogen -- sollten Sie das Kohl-
stück, worauf der große Baum mit den schönen roth gestreif-
ten Aepseln stand, -- suchen, nichts von dem allen würden
Sie mehr finden. Ihr ganzer Krautgarten ist in Hügel und
Thäler, wodurch sich unzählige krumme Wege schlängeln, ver-
wandelt; die Hügelgen sind mit allen Sorten des schönsten
wilden Gesträuches bedeckt, und auf unsern Wiesen sind keine
Blumen, die sich nicht auch in jenen kleinen Thälergen fin-
den. Es hat dieses meinem Manne zwar vieles gekostet, in-
dem er einige tausend Fuder Sand, Steine und Lehmen auf
das Kohlstück bringen lassen müssen, um so etwas schönes
daraus zu machen. Aber es heißt nun auch, wenn ich es recht
verstanden, eine Schrubbery, oder wie andre sprechen, ein
englisches Boßkett. Ringsherum geht ein weisses Plank-
werk, welches so bunt gearbeitet ist, wie ein Drellmuster,
und mein Mann hat eine Dornhecke darum ziehen lassen
müssen, damit unsre Schweine sich nicht daran reiben mög-
ten. Von dem auf der Bleiche angelegten Hügel kan man
jetzt zwey Kirchthürme sehen, und man sitzt dort auf einem
chinesischen Cannape, worüber sich ein Sonnenschirm von
verguldetem Bleche befindet. Gleich dabey soll jetzt auch eine

chine-
Mösers patr. Phantas. II. Th. G g
Das engliſche Gaͤrtgen.


LXXXVI.
Das engliſche Gaͤrtgen.

Was das fuͤr eine Veraͤnderung iſt, meine liebe Groß-
mama! Sollten Sie jetzt ihre kleine Bleiche, wor-
auf Sie in ihrer Jugend ſo manches ſchoͤnes Stuͤck Garn
und Linnen gebleichet — —, ſollten Sie den Obſtgarten,
worinn Sie, wie Sie mir oft erzaͤhlet haben, ſo manche
Henne mit Kuͤchlein aufgezogen — ſollten Sie das Kohl-
ſtuͤck, worauf der große Baum mit den ſchoͤnen roth geſtreif-
ten Aepſeln ſtand, — ſuchen, nichts von dem allen wuͤrden
Sie mehr finden. Ihr ganzer Krautgarten iſt in Huͤgel und
Thaͤler, wodurch ſich unzaͤhlige krumme Wege ſchlaͤngeln, ver-
wandelt; die Huͤgelgen ſind mit allen Sorten des ſchoͤnſten
wilden Geſtraͤuches bedeckt, und auf unſern Wieſen ſind keine
Blumen, die ſich nicht auch in jenen kleinen Thaͤlergen fin-
den. Es hat dieſes meinem Manne zwar vieles gekoſtet, in-
dem er einige tauſend Fuder Sand, Steine und Lehmen auf
das Kohlſtuͤck bringen laſſen muͤſſen, um ſo etwas ſchoͤnes
daraus zu machen. Aber es heißt nun auch, wenn ich es recht
verſtanden, eine Schrubbery, oder wie andre ſprechen, ein
engliſches Boßkett. Ringsherum geht ein weiſſes Plank-
werk, welches ſo bunt gearbeitet iſt, wie ein Drellmuſter,
und mein Mann hat eine Dornhecke darum ziehen laſſen
muͤſſen, damit unſre Schweine ſich nicht daran reiben moͤg-
ten. Von dem auf der Bleiche angelegten Huͤgel kan man
jetzt zwey Kirchthuͤrme ſehen, und man ſitzt dort auf einem
chineſiſchen Cannape, woruͤber ſich ein Sonnenſchirm von
verguldetem Bleche befindet. Gleich dabey ſoll jetzt auch eine

chine-
Möſers patr. Phantaſ. II. Th. G g
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0483" n="465"/>
      <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das engli&#x017F;che Ga&#x0364;rtgen.</hi> </fw><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">LXXXVI.</hi><lb/>
Das engli&#x017F;che Ga&#x0364;rtgen.</hi> </head><lb/>
        <p>Was das fu&#x0364;r eine Vera&#x0364;nderung i&#x017F;t, meine liebe Groß-<lb/>
mama! Sollten Sie jetzt ihre kleine Bleiche, wor-<lb/>
auf Sie in ihrer Jugend &#x017F;o manches &#x017F;cho&#x0364;nes Stu&#x0364;ck Garn<lb/>
und Linnen gebleichet &#x2014; &#x2014;, &#x017F;ollten Sie den Ob&#x017F;tgarten,<lb/>
worinn Sie, wie Sie mir oft erza&#x0364;hlet haben, &#x017F;o manche<lb/>
Henne mit Ku&#x0364;chlein aufgezogen &#x2014; &#x017F;ollten Sie das Kohl-<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;ck, worauf der große Baum mit den &#x017F;cho&#x0364;nen roth ge&#x017F;treif-<lb/>
ten Aep&#x017F;eln &#x017F;tand, &#x2014; &#x017F;uchen, nichts von dem allen wu&#x0364;rden<lb/>
Sie mehr finden. Ihr ganzer Krautgarten i&#x017F;t in Hu&#x0364;gel und<lb/>
Tha&#x0364;ler, wodurch &#x017F;ich unza&#x0364;hlige krumme Wege &#x017F;chla&#x0364;ngeln, ver-<lb/>
wandelt; die Hu&#x0364;gelgen &#x017F;ind mit allen Sorten des &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten<lb/>
wilden Ge&#x017F;tra&#x0364;uches bedeckt, und auf un&#x017F;ern Wie&#x017F;en &#x017F;ind keine<lb/>
Blumen, die &#x017F;ich nicht auch in jenen kleinen Tha&#x0364;lergen fin-<lb/>
den. Es hat die&#x017F;es meinem Manne zwar vieles geko&#x017F;tet, in-<lb/>
dem er einige tau&#x017F;end Fuder Sand, Steine und Lehmen auf<lb/>
das Kohl&#x017F;tu&#x0364;ck bringen la&#x017F;&#x017F;en mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, um &#x017F;o etwas &#x017F;cho&#x0364;nes<lb/>
daraus zu machen. Aber es heißt nun auch, wenn ich es recht<lb/>
ver&#x017F;tanden, eine Schrubbery, oder wie andre &#x017F;prechen, ein<lb/>
engli&#x017F;ches Boßkett. Ringsherum geht ein wei&#x017F;&#x017F;es Plank-<lb/>
werk, welches &#x017F;o bunt gearbeitet i&#x017F;t, wie ein Drellmu&#x017F;ter,<lb/>
und mein Mann hat eine Dornhecke darum ziehen la&#x017F;&#x017F;en<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, damit un&#x017F;re Schweine &#x017F;ich nicht daran reiben mo&#x0364;g-<lb/>
ten. Von dem auf der Bleiche angelegten Hu&#x0364;gel kan man<lb/>
jetzt zwey Kirchthu&#x0364;rme &#x017F;ehen, und man &#x017F;itzt dort auf einem<lb/>
chine&#x017F;i&#x017F;chen Cannape, woru&#x0364;ber &#x017F;ich ein Sonnen&#x017F;chirm von<lb/>
verguldetem Bleche befindet. Gleich dabey &#x017F;oll jetzt auch eine<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">&#x017F;ers patr. Phanta&#x017F;.</hi><hi rendition="#aq">II.</hi><hi rendition="#fr">Th.</hi> G g</fw><fw place="bottom" type="catch">chine-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[465/0483] Das engliſche Gaͤrtgen. LXXXVI. Das engliſche Gaͤrtgen. Was das fuͤr eine Veraͤnderung iſt, meine liebe Groß- mama! Sollten Sie jetzt ihre kleine Bleiche, wor- auf Sie in ihrer Jugend ſo manches ſchoͤnes Stuͤck Garn und Linnen gebleichet — —, ſollten Sie den Obſtgarten, worinn Sie, wie Sie mir oft erzaͤhlet haben, ſo manche Henne mit Kuͤchlein aufgezogen — ſollten Sie das Kohl- ſtuͤck, worauf der große Baum mit den ſchoͤnen roth geſtreif- ten Aepſeln ſtand, — ſuchen, nichts von dem allen wuͤrden Sie mehr finden. Ihr ganzer Krautgarten iſt in Huͤgel und Thaͤler, wodurch ſich unzaͤhlige krumme Wege ſchlaͤngeln, ver- wandelt; die Huͤgelgen ſind mit allen Sorten des ſchoͤnſten wilden Geſtraͤuches bedeckt, und auf unſern Wieſen ſind keine Blumen, die ſich nicht auch in jenen kleinen Thaͤlergen fin- den. Es hat dieſes meinem Manne zwar vieles gekoſtet, in- dem er einige tauſend Fuder Sand, Steine und Lehmen auf das Kohlſtuͤck bringen laſſen muͤſſen, um ſo etwas ſchoͤnes daraus zu machen. Aber es heißt nun auch, wenn ich es recht verſtanden, eine Schrubbery, oder wie andre ſprechen, ein engliſches Boßkett. Ringsherum geht ein weiſſes Plank- werk, welches ſo bunt gearbeitet iſt, wie ein Drellmuſter, und mein Mann hat eine Dornhecke darum ziehen laſſen muͤſſen, damit unſre Schweine ſich nicht daran reiben moͤg- ten. Von dem auf der Bleiche angelegten Huͤgel kan man jetzt zwey Kirchthuͤrme ſehen, und man ſitzt dort auf einem chineſiſchen Cannape, woruͤber ſich ein Sonnenſchirm von verguldetem Bleche befindet. Gleich dabey ſoll jetzt auch eine chine- Möſers patr. Phantaſ. II. Th. G g

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/483
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 465. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/483>, abgerufen am 21.11.2024.