solchen auch bey andern Waaren, welche für Geld verkaufet werden, einzuführen. Wenn die Kerbe auf einer Seite einen Thaler, auf der andern einen Schilling, und auf der dritten einen Pfennig bedeutet: so kan der Landmann dasjenige, was er täglich und zur Nothdurft gebraucht, völlig darauf be- wahren.
Wie wäre es also, wenn wir das Recht einführten, daß fürohin alle Krämer und Handwerker, welche ausserhalb ge- schlossenen Orten wohnen, und folglich nur mit Sachen von der höchsten Nothdurft handeln, niemals zur eidlichen Be- stärkung einer Rechnung zugelassen werden sollten? wenn sie angewiesen würden, mit den Landleuten, welchen sie borgen, nicht anders als auf einen Kerbstock zu handeln? Sollte dieses nicht besser seyn, als der eingeschlichene Gerichtsgebrauch, nach welchem jeder Mann, der mit Schwefelhölzern handelt, ja sogar jeder Wagenmacher, Schmidt oder andre Handwer- ker, sich einen andern zum Schuldner schwören kan?
XXXVIII. Gedanken über die Abschaffung der Feyertage.a)
Die Kirche ist eine gütige Mutter, die ihren Kindern Freuden erlaubt, wenn sie solche mit Dankbarkeit ge- nießen, und sie ihnen auch wieder entzieht, wenn sie erfährt, daß sie entweder gemißbraucht oder schädlich werden. Diese liebreiche Gesinnungen hat sie von ihrem ersten Ursprung an
be-
a) Bey Gelegenheit der so wohl für die Evangelischen als Ka- tholischen im Stifte Oßnabrück aufgehobenen Feyertage.
Vom Kerbſtocke.
ſolchen auch bey andern Waaren, welche fuͤr Geld verkaufet werden, einzufuͤhren. Wenn die Kerbe auf einer Seite einen Thaler, auf der andern einen Schilling, und auf der dritten einen Pfennig bedeutet: ſo kan der Landmann dasjenige, was er taͤglich und zur Nothdurft gebraucht, voͤllig darauf be- wahren.
Wie waͤre es alſo, wenn wir das Recht einfuͤhrten, daß fuͤrohin alle Kraͤmer und Handwerker, welche auſſerhalb ge- ſchloſſenen Orten wohnen, und folglich nur mit Sachen von der hoͤchſten Nothdurft handeln, niemals zur eidlichen Be- ſtaͤrkung einer Rechnung zugelaſſen werden ſollten? wenn ſie angewieſen wuͤrden, mit den Landleuten, welchen ſie borgen, nicht anders als auf einen Kerbſtock zu handeln? Sollte dieſes nicht beſſer ſeyn, als der eingeſchlichene Gerichtsgebrauch, nach welchem jeder Mann, der mit Schwefelhoͤlzern handelt, ja ſogar jeder Wagenmacher, Schmidt oder andre Handwer- ker, ſich einen andern zum Schuldner ſchwoͤren kan?
XXXVIII. Gedanken uͤber die Abſchaffung der Feyertage.a)
Die Kirche iſt eine guͤtige Mutter, die ihren Kindern Freuden erlaubt, wenn ſie ſolche mit Dankbarkeit ge- nießen, und ſie ihnen auch wieder entzieht, wenn ſie erfaͤhrt, daß ſie entweder gemißbraucht oder ſchaͤdlich werden. Dieſe liebreiche Geſinnungen hat ſie von ihrem erſten Urſprung an
be-
a) Bey Gelegenheit der ſo wohl fuͤr die Evangeliſchen als Ka- tholiſchen im Stifte Oßnabruͤck aufgehobenen Feyertage.
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Vom Kerbſtocke.
ſolchen auch bey andern Waaren, welche fuͤr Geld verkaufet
werden, einzufuͤhren. Wenn die Kerbe auf einer Seite einen
Thaler, auf der andern einen Schilling, und auf der dritten
einen Pfennig bedeutet: ſo kan der Landmann dasjenige, was
er taͤglich und zur Nothdurft gebraucht, voͤllig darauf be-
wahren.
Wie waͤre es alſo, wenn wir das Recht einfuͤhrten, daß
fuͤrohin alle Kraͤmer und Handwerker, welche auſſerhalb ge-
ſchloſſenen Orten wohnen, und folglich nur mit Sachen von
der hoͤchſten Nothdurft handeln, niemals zur eidlichen Be-
ſtaͤrkung einer Rechnung zugelaſſen werden ſollten? wenn ſie
angewieſen wuͤrden, mit den Landleuten, welchen ſie borgen,
nicht anders als auf einen Kerbſtock zu handeln? Sollte dieſes
nicht beſſer ſeyn, als der eingeſchlichene Gerichtsgebrauch,
nach welchem jeder Mann, der mit Schwefelhoͤlzern handelt,
ja ſogar jeder Wagenmacher, Schmidt oder andre Handwer-
ker, ſich einen andern zum Schuldner ſchwoͤren kan?
XXXVIII.
Gedanken uͤber die Abſchaffung der
Feyertage. a)
Die Kirche iſt eine guͤtige Mutter, die ihren Kindern
Freuden erlaubt, wenn ſie ſolche mit Dankbarkeit ge-
nießen, und ſie ihnen auch wieder entzieht, wenn ſie erfaͤhrt,
daß ſie entweder gemißbraucht oder ſchaͤdlich werden. Dieſe
liebreiche Geſinnungen hat ſie von ihrem erſten Urſprung an
be-
a) Bey Gelegenheit der ſo wohl fuͤr die Evangeliſchen als Ka-
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/290>, abgerufen am 22.02.2025.
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