Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.Schreiben über ein Project unserer Nachbaren LX. Schreiben über ein Project unserer Nachbaren Colonisten in Westphalen zu ziehen. O mein werthster Freund! lassen Sie doch den Gedan- Der Landmann am Rheine pflügt mit einem Ochsen 2 gen
Schreiben uͤber ein Project unſerer Nachbaren LX. Schreiben uͤber ein Project unſerer Nachbaren Coloniſten in Weſtphalen zu ziehen. O mein werthſter Freund! laſſen Sie doch den Gedan- Der Landmann am Rheine pfluͤgt mit einem Ochſen 2 gen
<TEI> <text> <body> <pb facs="#f0362" n="344"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Schreiben uͤber ein Project unſerer Nachbaren</hi> </fw><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">LX.</hi><lb/> Schreiben uͤber ein Project unſerer Nachbaren<lb/> Coloniſten in Weſtphalen zu ziehen.</hi> </head><lb/> <p>O mein werthſter Freund! laſſen Sie doch den Gedan-<lb/> ken von neuen Colonien in Weſtphalen fahren. Coloni-<lb/> ſten aus andern und beſonders aus beſſern Gegenden werden auf<lb/> unſern Heiden nie einſchlagen; und Neubauer, die ihre Nah-<lb/> rung aus dem Boden ziehen ſollen, werden bey uns allezeit<lb/> in Bettler ausarten. Ueberhaupt habe ich kein Zutrauen zu<lb/> den ſogenannten Einigranten. Es iſt entweder Faulheit und<lb/> Ungeſchicklichkeit, oder aber eine zu ſchwere Steuer, die ſie<lb/> aus ihrer Heymath treibt. Iſt es das erſte: ſo werden ſie<lb/> auf unſern Heiden gewiß kein weicher Lager finden; und die<lb/> Steuer, welche ihnen hier die Natur auflegt, indem der hie-<lb/> ſige Acker fuͤr doppelte Arbeit nur halben Lohn bezahlt, iſt<lb/> ſchwerer als alles, was in andern Laͤndern die Herrſchaft for-<lb/> dern kann. Laßt uns zum Exempel nur eine Vergleichung<lb/> zwiſchen den Laͤndern am Rheine und den hieſigen anſtellen;<lb/> und dann urtheilen, ob ein Coloniſt vom Rheine jemals da-<lb/> hier gedeihen werde?</p><lb/> <p>Der Landmann am Rheine pfluͤgt mit einem Ochſen 2<lb/> bis 3 Zoll tief; und der Halm auf ſeinen Acker iſt hoͤher als<lb/> ein Reuter zu Pferde. Hier im Stifte pfluͤgt man hingegen<lb/> nach dem Unterſchiede des Bodens mit 2 oder 4 Pferden 8<lb/> bis 10 Zoll tief; und der Halm bleibt in den beſten Gegenden<lb/> um ein Drittel; in den ſchlechtern aber um ⅔ kuͤrzer, ohne<lb/> daß ihn der beſte Wirth mit der ordentlichen Kraft hoͤher trei-<lb/> ben kann. In jenen Gegenden kann man ein Wagenrad ge-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">gen</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [344/0362]
Schreiben uͤber ein Project unſerer Nachbaren
LX.
Schreiben uͤber ein Project unſerer Nachbaren
Coloniſten in Weſtphalen zu ziehen.
O mein werthſter Freund! laſſen Sie doch den Gedan-
ken von neuen Colonien in Weſtphalen fahren. Coloni-
ſten aus andern und beſonders aus beſſern Gegenden werden auf
unſern Heiden nie einſchlagen; und Neubauer, die ihre Nah-
rung aus dem Boden ziehen ſollen, werden bey uns allezeit
in Bettler ausarten. Ueberhaupt habe ich kein Zutrauen zu
den ſogenannten Einigranten. Es iſt entweder Faulheit und
Ungeſchicklichkeit, oder aber eine zu ſchwere Steuer, die ſie
aus ihrer Heymath treibt. Iſt es das erſte: ſo werden ſie
auf unſern Heiden gewiß kein weicher Lager finden; und die
Steuer, welche ihnen hier die Natur auflegt, indem der hie-
ſige Acker fuͤr doppelte Arbeit nur halben Lohn bezahlt, iſt
ſchwerer als alles, was in andern Laͤndern die Herrſchaft for-
dern kann. Laßt uns zum Exempel nur eine Vergleichung
zwiſchen den Laͤndern am Rheine und den hieſigen anſtellen;
und dann urtheilen, ob ein Coloniſt vom Rheine jemals da-
hier gedeihen werde?
Der Landmann am Rheine pfluͤgt mit einem Ochſen 2
bis 3 Zoll tief; und der Halm auf ſeinen Acker iſt hoͤher als
ein Reuter zu Pferde. Hier im Stifte pfluͤgt man hingegen
nach dem Unterſchiede des Bodens mit 2 oder 4 Pferden 8
bis 10 Zoll tief; und der Halm bleibt in den beſten Gegenden
um ein Drittel; in den ſchlechtern aber um ⅔ kuͤrzer, ohne
daß ihn der beſte Wirth mit der ordentlichen Kraft hoͤher trei-
ben kann. In jenen Gegenden kann man ein Wagenrad ge-
gen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |