XXXXVII. Antwort des Herrn Commendeurs auf das Schreiben einer Dame, über den Ge- brauch ihrer Zeit.
Ich habe Ihnen einen kleinen Streich gespielt, meine gnädige Frau, wofür Sie mir wirklich Dank schuldig sind. Ihr Kutscher brachte mir ihren Brief an den Capellan; und weil der Kerl glaubte, es sey darinn gewiß die Frage: Ob es erlaubt sey, Kutschen und Pferde zu halten, wenn man sich mit einer Sänfte behelfen kann? So brachte er den Brief zu mir, und bat mich, ich möchte doch einmal durch die Fal- ten sehen, und ihm sagen: ob er seinen Kutscherdienst wohl verlieren würde, wenn er ihn bestellete? Ich wollte meine Herrschaft ungern verlassen, setzte der ehrliche Johann hinzu, die Pferde sind so gut im Stande, unsre gnädige Frau auch, sie bezahlt so gut, sie schmählet so sanft....... Kurz, dem guten Kerl der gemerkt zu haben glaubte, daß Sie seit einiger Zeit sich allerhand Bedenklichkeiten machten und ganz tiefsinnig geworden wären, flossen die Thränen durch den Schnurbart; und ich ließ mich dadurch bewegen den Brief zu öfnen. Besondre Geheimnisse dachte ich, schreibt man wohl eben an seinen Capellan nicht, und die Gewissensfragen einer Dame kann ich besser als dieser beantworten, der vielleicht auf einen scharfen Text verfallen möchte. Genug, ich er- brach ihn; und bediente mich des Rechts, welches Sie mir mehrmalen gegeben haben. Aber nun zum Inhalte.
Wie ist es möglich, daß Euer Gnaden sich mit zu dem Menschen rechnen, zu diesen Geschöpfen die ihre Zeit nützlich
zu-
Antw. des H. Commendeurs auf das Schreiben
XXXXVII. Antwort des Herrn Commendeurs auf das Schreiben einer Dame, uͤber den Ge- brauch ihrer Zeit.
Ich habe Ihnen einen kleinen Streich geſpielt, meine gnaͤdige Frau, wofuͤr Sie mir wirklich Dank ſchuldig ſind. Ihr Kutſcher brachte mir ihren Brief an den Capellan; und weil der Kerl glaubte, es ſey darinn gewiß die Frage: Ob es erlaubt ſey, Kutſchen und Pferde zu halten, wenn man ſich mit einer Saͤnfte behelfen kann? So brachte er den Brief zu mir, und bat mich, ich moͤchte doch einmal durch die Fal- ten ſehen, und ihm ſagen: ob er ſeinen Kutſcherdienſt wohl verlieren wuͤrde, wenn er ihn beſtellete? Ich wollte meine Herrſchaft ungern verlaſſen, ſetzte der ehrliche Johann hinzu, die Pferde ſind ſo gut im Stande, unſre gnaͤdige Frau auch, ſie bezahlt ſo gut, ſie ſchmaͤhlet ſo ſanft....... Kurz, dem guten Kerl der gemerkt zu haben glaubte, daß Sie ſeit einiger Zeit ſich allerhand Bedenklichkeiten machten und ganz tiefſinnig geworden waͤren, floſſen die Thraͤnen durch den Schnurbart; und ich ließ mich dadurch bewegen den Brief zu oͤfnen. Beſondre Geheimniſſe dachte ich, ſchreibt man wohl eben an ſeinen Capellan nicht, und die Gewiſſensfragen einer Dame kann ich beſſer als dieſer beantworten, der vielleicht auf einen ſcharfen Text verfallen moͤchte. Genug, ich er- brach ihn; und bediente mich des Rechts, welches Sie mir mehrmalen gegeben haben. Aber nun zum Inhalte.
Wie iſt es moͤglich, daß Euer Gnaden ſich mit zu dem Menſchen rechnen, zu dieſen Geſchoͤpfen die ihre Zeit nuͤtzlich
zu-
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Antw. des H. Commendeurs auf das Schreiben
XXXXVII.
Antwort des Herrn Commendeurs auf das
Schreiben einer Dame, uͤber den Ge-
brauch ihrer Zeit.
Ich habe Ihnen einen kleinen Streich geſpielt, meine
gnaͤdige Frau, wofuͤr Sie mir wirklich Dank ſchuldig
ſind. Ihr Kutſcher brachte mir ihren Brief an den Capellan;
und weil der Kerl glaubte, es ſey darinn gewiß die Frage:
Ob es erlaubt ſey, Kutſchen und Pferde zu halten, wenn man
ſich mit einer Saͤnfte behelfen kann? So brachte er den Brief
zu mir, und bat mich, ich moͤchte doch einmal durch die Fal-
ten ſehen, und ihm ſagen: ob er ſeinen Kutſcherdienſt wohl
verlieren wuͤrde, wenn er ihn beſtellete? Ich wollte meine
Herrſchaft ungern verlaſſen, ſetzte der ehrliche Johann hinzu,
die Pferde ſind ſo gut im Stande, unſre gnaͤdige Frau auch,
ſie bezahlt ſo gut, ſie ſchmaͤhlet ſo ſanft....... Kurz,
dem guten Kerl der gemerkt zu haben glaubte, daß Sie ſeit
einiger Zeit ſich allerhand Bedenklichkeiten machten und ganz
tiefſinnig geworden waͤren, floſſen die Thraͤnen durch den
Schnurbart; und ich ließ mich dadurch bewegen den Brief zu
oͤfnen. Beſondre Geheimniſſe dachte ich, ſchreibt man wohl
eben an ſeinen Capellan nicht, und die Gewiſſensfragen einer
Dame kann ich beſſer als dieſer beantworten, der vielleicht
auf einen ſcharfen Text verfallen moͤchte. Genug, ich er-
brach ihn; und bediente mich des Rechts, welches Sie mir
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Wie iſt es moͤglich, daß Euer Gnaden ſich mit zu dem
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/300>, abgerufen am 21.11.2024.
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