Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838.Suschens Vogel. Ich hatt' ein Vöglein, ach wie fein! Kein schöners mag wohl nimmer seyn: Hätt' auf der Brust ein Herzlein roth, Und sung und sung sich schier zu todt. Herzvogel mein, so wunderschön, Jezt sollt du mit zu Markte gehn! -- Und da ich durch das Städtlein kam, Es saß auf meiner Achsel zahm; Und als ich ging am Haus vorbei Des Knaben, dem ich brach die Treu, Der Knab' just aus dem Fenster sah, Mit seinem Finger schnalzt er da: Wie horchet gleich mein Vogel auf! Zum Knaben fliegt er husch! hinauf; Der koset ihn so lieb und hold, Ich wußt nicht, was ich machen sollt, Und stund, im Herzen so erschreckt,
Mit Händen mein Gesichte deckt', Suschens Vogel. Ich hatt' ein Voͤglein, ach wie fein! Kein ſchoͤners mag wohl nimmer ſeyn: Haͤtt' auf der Bruſt ein Herzlein roth, Und ſung und ſung ſich ſchier zu todt. Herzvogel mein, ſo wunderſchoͤn, Jezt ſollt du mit zu Markte gehn! — Und da ich durch das Staͤdtlein kam, Es ſaß auf meiner Achſel zahm; Und als ich ging am Haus vorbei Des Knaben, dem ich brach die Treu, Der Knab' juſt aus dem Fenſter ſah, Mit ſeinem Finger ſchnalzt er da: Wie horchet gleich mein Vogel auf! Zum Knaben fliegt er huſch! hinauf; Der koſet ihn ſo lieb und hold, Ich wußt nicht, was ich machen ſollt, Und ſtund, im Herzen ſo erſchreckt,
Mit Haͤnden mein Geſichte deckt', <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0059" n="43"/> </div> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">Suschens Vogel.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Ich hatt' ein Voͤglein, ach wie fein!</l><lb/> <l>Kein ſchoͤners mag wohl nimmer ſeyn:</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Haͤtt' auf der Bruſt ein Herzlein roth,</l><lb/> <l>Und ſung und ſung ſich ſchier zu todt.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Herzvogel mein, ſo wunderſchoͤn,</l><lb/> <l>Jezt ſollt du mit zu Markte gehn! —</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Und da ich durch das Staͤdtlein kam,</l><lb/> <l>Es ſaß auf meiner Achſel zahm;</l><lb/> </lg> <lg n="5"> <l>Und als ich ging am Haus vorbei</l><lb/> <l>Des Knaben, dem ich brach die Treu,</l><lb/> </lg> <lg n="6"> <l>Der Knab' juſt aus dem Fenſter ſah,</l><lb/> <l>Mit ſeinem Finger ſchnalzt er da:</l><lb/> </lg> <lg n="7"> <l>Wie horchet gleich mein Vogel auf!</l><lb/> <l>Zum Knaben fliegt er huſch! hinauf;</l><lb/> </lg> <lg n="8"> <l>Der koſet ihn ſo lieb und hold,</l><lb/> <l>Ich wußt nicht, was ich machen ſollt,</l><lb/> </lg> <lg n="9"> <l>Und ſtund, im Herzen ſo erſchreckt,</l><lb/> <l>Mit Haͤnden mein Geſichte deckt',</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [43/0059]
Suschens Vogel.
Ich hatt' ein Voͤglein, ach wie fein!
Kein ſchoͤners mag wohl nimmer ſeyn:
Haͤtt' auf der Bruſt ein Herzlein roth,
Und ſung und ſung ſich ſchier zu todt.
Herzvogel mein, ſo wunderſchoͤn,
Jezt ſollt du mit zu Markte gehn! —
Und da ich durch das Staͤdtlein kam,
Es ſaß auf meiner Achſel zahm;
Und als ich ging am Haus vorbei
Des Knaben, dem ich brach die Treu,
Der Knab' juſt aus dem Fenſter ſah,
Mit ſeinem Finger ſchnalzt er da:
Wie horchet gleich mein Vogel auf!
Zum Knaben fliegt er huſch! hinauf;
Der koſet ihn ſo lieb und hold,
Ich wußt nicht, was ich machen ſollt,
Und ſtund, im Herzen ſo erſchreckt,
Mit Haͤnden mein Geſichte deckt',
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |