Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838.Und als der Mond am Himmel stand, Die Liebchen schwimmen todt an's Land, Er hüben und sie drüben. IV. Der Zauberleuchtthurm. Des Zauberers sein Mägdlein saß In ihrem Saale, rund von Glas. Sie spann beim hellen Kerzenschein, Und sang so glockenhell darein; Der Saal, als eine Kugel klar, In Lüften aufgehangen war An einem Thurm auf Felsenhöh', Bei Nacht hoch ob der wilden See, Und hing in Sturm und Wettergraus An einem langen Arm hinaus. Wenn nun ein Schiff in Nächten schwer Sah weder Rath noch Rettung mehr, Der Lootse zog die Achsel schief, Der Hauptmann alle Teufel rief, Auch der Matrose wollt' verzagen: O weh mir armen Schwartenmagen! Auf einmal scheint ein Licht von fern Als wie ein heller Morgenstern; Die Mannschaft jauchzet überlaut: Heida! jezt gilt es trockne Haut! Aus allen Kräften steuert man Jezt nach dem theuren Licht hinan, Und als der Mond am Himmel ſtand, Die Liebchen ſchwimmen todt an's Land, Er huͤben und ſie druͤben. IV. Der Zauberleuchtthurm. Des Zauberers ſein Maͤgdlein ſaß In ihrem Saale, rund von Glas. Sie ſpann beim hellen Kerzenſchein, Und ſang ſo glockenhell darein; Der Saal, als eine Kugel klar, In Luͤften aufgehangen war An einem Thurm auf Felſenhoͤh', Bei Nacht hoch ob der wilden See, Und hing in Sturm und Wettergraus An einem langen Arm hinaus. Wenn nun ein Schiff in Naͤchten ſchwer Sah weder Rath noch Rettung mehr, Der Lootſe zog die Achſel ſchief, Der Hauptmann alle Teufel rief, Auch der Matroſe wollt' verzagen: O weh mir armen Schwartenmagen! Auf einmal ſcheint ein Licht von fern Als wie ein heller Morgenſtern; Die Mannſchaft jauchzet uͤberlaut: Heida! jezt gilt es trockne Haut! Aus allen Kraͤften ſteuert man Jezt nach dem theuren Licht hinan, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb n="169" facs="#f0185"/> <lg n="16"> <l>Und als der Mond am Himmel ſtand,</l><lb/> <l>Die Liebchen ſchwimmen todt an's Land,</l><lb/> <l>Er huͤben und ſie druͤben.</l><lb/> </lg> </lg> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#aq #b">IV.</hi><lb/> <hi rendition="#b">Der Zauberleuchtthurm.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <l>Des Zauberers ſein Maͤgdlein ſaß</l><lb/> <l>In ihrem Saale, rund von Glas.</l><lb/> <l>Sie ſpann beim hellen Kerzenſchein,</l><lb/> <l>Und ſang ſo glockenhell darein;</l><lb/> <l>Der Saal, als eine Kugel klar,</l><lb/> <l>In Luͤften aufgehangen war</l><lb/> <l>An einem Thurm auf Felſenhoͤh',</l><lb/> <l>Bei Nacht hoch ob der wilden See,</l><lb/> <l>Und hing in Sturm und Wettergraus</l><lb/> <l>An einem langen Arm hinaus.</l><lb/> <l>Wenn nun ein Schiff in Naͤchten ſchwer</l><lb/> <l>Sah weder Rath noch Rettung mehr,</l><lb/> <l>Der Lootſe zog die Achſel ſchief,</l><lb/> <l>Der Hauptmann alle Teufel rief,</l><lb/> <l>Auch der Matroſe wollt' verzagen:</l><lb/> <l>O weh mir armen Schwartenmagen!</l><lb/> <l>Auf einmal ſcheint ein Licht von fern</l><lb/> <l>Als wie ein heller Morgenſtern;</l><lb/> <l>Die Mannſchaft jauchzet uͤberlaut:</l><lb/> <l>Heida! jezt gilt es trockne Haut!</l><lb/> <l>Aus allen Kraͤften ſteuert man</l><lb/> <l>Jezt nach dem theuren Licht hinan,</l><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [169/0185]
Und als der Mond am Himmel ſtand,
Die Liebchen ſchwimmen todt an's Land,
Er huͤben und ſie druͤben.
IV.
Der Zauberleuchtthurm.
Des Zauberers ſein Maͤgdlein ſaß
In ihrem Saale, rund von Glas.
Sie ſpann beim hellen Kerzenſchein,
Und ſang ſo glockenhell darein;
Der Saal, als eine Kugel klar,
In Luͤften aufgehangen war
An einem Thurm auf Felſenhoͤh',
Bei Nacht hoch ob der wilden See,
Und hing in Sturm und Wettergraus
An einem langen Arm hinaus.
Wenn nun ein Schiff in Naͤchten ſchwer
Sah weder Rath noch Rettung mehr,
Der Lootſe zog die Achſel ſchief,
Der Hauptmann alle Teufel rief,
Auch der Matroſe wollt' verzagen:
O weh mir armen Schwartenmagen!
Auf einmal ſcheint ein Licht von fern
Als wie ein heller Morgenſtern;
Die Mannſchaft jauchzet uͤberlaut:
Heida! jezt gilt es trockne Haut!
Aus allen Kraͤften ſteuert man
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Zitationshilfe: | Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838/185>, abgerufen am 04.03.2025. |