Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite



und seine Frau für einen Schatz halte, der das gan-
ze übrige Erbe überwiege; nur bitte sich seine
Frau einen Demantring aus, den ihr Vater be-
ständig getragen hab', und den sie, ihm zum An-
denken, wieder tragen wolle. Hie wurden Karl
und seine Frau auf Einmal wieder heiter, und
vergaßen, über den abgetretnen Erbantheil, alle
vorige Verweise. Sie wollten Kronhelm danken:
aber er verbat sichs. Es ward beschlossen, auf
den Nachmittag das Pult aufzumachen, das ver-
siegelt war, in dem der Ring, und vermuthlich
auch die schriftliche Erklärung wegen der Bestim-
mung unsers Siegwart lag.

Karl und seine Frau wurden gebeten, beym Es-
sen da zu bleiben, welches Salome zurecht machte.
Weil die Witterung sehr gut war, gieng man in
den Garten, um da zu essen. Die Zärtlichkeit,
mit der Kronhelm seiner Therese begegnete, war
unbeschreiblich. Er wußte sie so liebreich zu trösten,
als sie beym Eintritt in den Garten, wo sie so oft mit
ihrem Vater gewesen war, in neue, noch tiefere
Traurigkeit verfiel. Er wußte sie so gut zu zerstreu-
en, daß sie ganz ruhig zu werden schien. Sie
nahm hierauf unsern Siegwart auf die Seite,
und sprach mit ihm über Salome's Schicksal. Er



und ſeine Frau fuͤr einen Schatz halte, der das gan-
ze uͤbrige Erbe uͤberwiege; nur bitte ſich ſeine
Frau einen Demantring aus, den ihr Vater be-
ſtaͤndig getragen hab’, und den ſie, ihm zum An-
denken, wieder tragen wolle. Hie wurden Karl
und ſeine Frau auf Einmal wieder heiter, und
vergaßen, uͤber den abgetretnen Erbantheil, alle
vorige Verweiſe. Sie wollten Kronhelm danken:
aber er verbat ſichs. Es ward beſchloſſen, auf
den Nachmittag das Pult aufzumachen, das ver-
ſiegelt war, in dem der Ring, und vermuthlich
auch die ſchriftliche Erklaͤrung wegen der Beſtim-
mung unſers Siegwart lag.

Karl und ſeine Frau wurden gebeten, beym Eſ-
ſen da zu bleiben, welches Salome zurecht machte.
Weil die Witterung ſehr gut war, gieng man in
den Garten, um da zu eſſen. Die Zaͤrtlichkeit,
mit der Kronhelm ſeiner Thereſe begegnete, war
unbeſchreiblich. Er wußte ſie ſo liebreich zu troͤſten,
als ſie beym Eintritt in den Garten, wo ſie ſo oft mit
ihrem Vater geweſen war, in neue, noch tiefere
Traurigkeit verfiel. Er wußte ſie ſo gut zu zerſtreu-
en, daß ſie ganz ruhig zu werden ſchien. Sie
nahm hierauf unſern Siegwart auf die Seite,
und ſprach mit ihm uͤber Salome’s Schickſal. Er

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0472" n="892"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
und &#x017F;eine Frau fu&#x0364;r einen Schatz halte, der das gan-<lb/>
ze u&#x0364;brige Erbe u&#x0364;berwiege; nur bitte &#x017F;ich &#x017F;eine<lb/>
Frau einen Demantring aus, den ihr Vater be-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndig getragen hab&#x2019;, und den &#x017F;ie, ihm zum An-<lb/>
denken, wieder tragen wolle. Hie wurden Karl<lb/>
und &#x017F;eine Frau auf Einmal wieder heiter, und<lb/>
vergaßen, u&#x0364;ber den abgetretnen Erbantheil, alle<lb/>
vorige Verwei&#x017F;e. Sie wollten Kronhelm danken:<lb/>
aber er verbat &#x017F;ichs. Es ward be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, auf<lb/>
den Nachmittag das Pult aufzumachen, das ver-<lb/>
&#x017F;iegelt war, in dem der Ring, und vermuthlich<lb/>
auch die &#x017F;chriftliche Erkla&#x0364;rung wegen der Be&#x017F;tim-<lb/>
mung un&#x017F;ers Siegwart lag.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Karl</hi> und &#x017F;eine Frau wurden gebeten, beym E&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en da zu bleiben, welches Salome zurecht machte.<lb/>
Weil die Witterung &#x017F;ehr gut war, gieng man in<lb/>
den Garten, um da zu e&#x017F;&#x017F;en. Die Za&#x0364;rtlichkeit,<lb/>
mit der Kronhelm &#x017F;einer There&#x017F;e begegnete, war<lb/>
unbe&#x017F;chreiblich. Er wußte &#x017F;ie &#x017F;o liebreich zu tro&#x0364;&#x017F;ten,<lb/>
als &#x017F;ie beym Eintritt in den Garten, wo &#x017F;ie &#x017F;o oft mit<lb/>
ihrem Vater gewe&#x017F;en war, in neue, noch tiefere<lb/>
Traurigkeit verfiel. Er wußte &#x017F;ie &#x017F;o gut zu zer&#x017F;treu-<lb/>
en, daß &#x017F;ie ganz ruhig zu werden &#x017F;chien. Sie<lb/>
nahm hierauf un&#x017F;ern Siegwart auf die Seite,<lb/>
und &#x017F;prach mit ihm u&#x0364;ber Salome&#x2019;s Schick&#x017F;al. Er<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[892/0472] und ſeine Frau fuͤr einen Schatz halte, der das gan- ze uͤbrige Erbe uͤberwiege; nur bitte ſich ſeine Frau einen Demantring aus, den ihr Vater be- ſtaͤndig getragen hab’, und den ſie, ihm zum An- denken, wieder tragen wolle. Hie wurden Karl und ſeine Frau auf Einmal wieder heiter, und vergaßen, uͤber den abgetretnen Erbantheil, alle vorige Verweiſe. Sie wollten Kronhelm danken: aber er verbat ſichs. Es ward beſchloſſen, auf den Nachmittag das Pult aufzumachen, das ver- ſiegelt war, in dem der Ring, und vermuthlich auch die ſchriftliche Erklaͤrung wegen der Beſtim- mung unſers Siegwart lag. Karl und ſeine Frau wurden gebeten, beym Eſ- ſen da zu bleiben, welches Salome zurecht machte. Weil die Witterung ſehr gut war, gieng man in den Garten, um da zu eſſen. Die Zaͤrtlichkeit, mit der Kronhelm ſeiner Thereſe begegnete, war unbeſchreiblich. Er wußte ſie ſo liebreich zu troͤſten, als ſie beym Eintritt in den Garten, wo ſie ſo oft mit ihrem Vater geweſen war, in neue, noch tiefere Traurigkeit verfiel. Er wußte ſie ſo gut zu zerſtreu- en, daß ſie ganz ruhig zu werden ſchien. Sie nahm hierauf unſern Siegwart auf die Seite, und ſprach mit ihm uͤber Salome’s Schickſal. Er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/472
Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 892. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/472>, abgerufen am 26.04.2024.