war. Einige Stücke daraus wollen wir denen, die es fühlen können, mittheilen. Erst die Einleitung:
An den lieben frommen Siegwart.
Wenn das Grab mich deckt; wenn meine Seel' in Gottes Hand ist; wenn ich unter Engeln wand- le, und der Leiden dieser Zeit vergesse: dann, mein Auserwählter, wirst Du diese Blätter lesen, und weinen. Laß sie Dir erzählen, was mein Herz ge- litten hat, um deinetwillen, weils mein Mund nie durfte! Wein' in meine Leiden! Das Bild der Thränen, die Du mir vergiessen wirst, tröstet mich in trüben Stunden. -- Betrüb Dich nicht zu sehr, Jüngling! und mach Dir keine Vorwürfe! Nicht Du bift die Ursache meines Jammers; mein zu fühlendes, zu weiches Herz ists. Jch will Deinem Auge keine Thränen erpressen, als Thränen des Mitleids, und auch die sollen süß seyn. Denk, daß meine Leiden, wenn Du sie erfährst, vorüber; daß alle Thränen, die die Liebe weinte, abgetrocknet sind; daß ich ausgerungen habe jeden Kampf, und geklei- det bin ins glänzende Gewand des Glaubens, und geschmückt mit Siegerpalmen. O Du Theurer! Weine nicht! Blick auf! Jch bin bey Gott, und bey der hochgelobten Jungsrau. Sieh, sie nennt
war. Einige Stuͤcke daraus wollen wir denen, die es fuͤhlen koͤnnen, mittheilen. Erſt die Einleitung:
An den lieben frommen Siegwart.
Wenn das Grab mich deckt; wenn meine Seel’ in Gottes Hand iſt; wenn ich unter Engeln wand- le, und der Leiden dieſer Zeit vergeſſe: dann, mein Auserwaͤhlter, wirſt Du dieſe Blaͤtter leſen, und weinen. Laß ſie Dir erzaͤhlen, was mein Herz ge- litten hat, um deinetwillen, weils mein Mund nie durfte! Wein’ in meine Leiden! Das Bild der Thraͤnen, die Du mir vergieſſen wirſt, troͤſtet mich in truͤben Stunden. — Betruͤb Dich nicht zu ſehr, Juͤngling! und mach Dir keine Vorwuͤrfe! Nicht Du bift die Urſache meines Jammers; mein zu fuͤhlendes, zu weiches Herz iſts. Jch will Deinem Auge keine Thraͤnen erpreſſen, als Thraͤnen des Mitleids, und auch die ſollen ſuͤß ſeyn. Denk, daß meine Leiden, wenn Du ſie erfaͤhrſt, voruͤber; daß alle Thraͤnen, die die Liebe weinte, abgetrocknet ſind; daß ich ausgerungen habe jeden Kampf, und geklei- det bin ins glaͤnzende Gewand des Glaubens, und geſchmuͤckt mit Siegerpalmen. O Du Theurer! Weine nicht! Blick auf! Jch bin bey Gott, und bey der hochgelobten Jungſrau. Sieh, ſie nennt
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war. Einige Stuͤcke daraus wollen wir denen, die
es fuͤhlen koͤnnen, mittheilen. Erſt die Einleitung:
An den lieben frommen Siegwart.
Wenn das Grab mich deckt; wenn meine Seel’
in Gottes Hand iſt; wenn ich unter Engeln wand-
le, und der Leiden dieſer Zeit vergeſſe: dann, mein
Auserwaͤhlter, wirſt Du dieſe Blaͤtter leſen, und
weinen. Laß ſie Dir erzaͤhlen, was mein Herz ge-
litten hat, um deinetwillen, weils mein Mund nie
durfte! Wein’ in meine Leiden! Das Bild der
Thraͤnen, die Du mir vergieſſen wirſt, troͤſtet mich
in truͤben Stunden. — Betruͤb Dich nicht zu ſehr,
Juͤngling! und mach Dir keine Vorwuͤrfe! Nicht
Du bift die Urſache meines Jammers; mein zu
fuͤhlendes, zu weiches Herz iſts. Jch will Deinem
Auge keine Thraͤnen erpreſſen, als Thraͤnen des
Mitleids, und auch die ſollen ſuͤß ſeyn. Denk, daß
meine Leiden, wenn Du ſie erfaͤhrſt, voruͤber; daß
alle Thraͤnen, die die Liebe weinte, abgetrocknet ſind;
daß ich ausgerungen habe jeden Kampf, und geklei-
det bin ins glaͤnzende Gewand des Glaubens, und
geſchmuͤckt mit Siegerpalmen. O Du Theurer!
Weine nicht! Blick auf! Jch bin bey Gott, und
bey der hochgelobten Jungſrau. Sieh, ſie nennt
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 519. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/99>, abgerufen am 21.11.2024.
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