Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite
Dreizehntes Kapitel.

Zu derselben Stunde saß in seinem Hause zu
Chur der Ritter Doctor Fortunatus Sprecher mit einem
geehrten Gaste an der festlich besetzten Mittagstafel.
Die erwärmte Stimmung der Tischgesellschaft und der
solide Reichthum des Gemaches stand in behaglichem
Widerspruche mit dem Unwetter draußen auf der Gasse,
wo der rauschende Orkan den schmelzenden Schnee von
den Dächern warf und mit ohnmächtiger Wuth an den
vergoldeten Eisengittern rüttelte, die in unten weit
ausgebauchter Korbform die breiten Fenster von hellem
Glase schützten.

Der mit Silber und venetianischen Kelchen besetzte
Tisch nahm die Mitte des Zimmers ein. Der größte,
ebenso reiche als heimatlich behagliche Schmuck dieser
schönen Familienstube war ihr kunstreich geschnitztes

Dreizehntes Kapitel.

Zu derſelben Stunde ſaß in ſeinem Hauſe zu
Chur der Ritter Doctor Fortunatus Sprecher mit einem
geehrten Gaſte an der feſtlich beſetzten Mittagstafel.
Die erwärmte Stimmung der Tiſchgeſellſchaft und der
ſolide Reichthum des Gemaches ſtand in behaglichem
Widerſpruche mit dem Unwetter draußen auf der Gaſſe,
wo der rauſchende Orkan den ſchmelzenden Schnee von
den Dächern warf und mit ohnmächtiger Wuth an den
vergoldeten Eiſengittern rüttelte, die in unten weit
ausgebauchter Korbform die breiten Fenſter von hellem
Glaſe ſchützten.

Der mit Silber und venetianiſchen Kelchen beſetzte
Tiſch nahm die Mitte des Zimmers ein. Der größte,
ebenſo reiche als heimatlich behagliche Schmuck dieſer
ſchönen Familienſtube war ihr kunſtreich geſchnitztes

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0382"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b #fr">Dreizehntes Kapitel.</hi><lb/>
          </head>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Zu der&#x017F;elben Stunde &#x017F;aß in &#x017F;einem Hau&#x017F;e zu<lb/>
Chur der Ritter Doctor Fortunatus Sprecher mit einem<lb/>
geehrten Ga&#x017F;te an der fe&#x017F;tlich be&#x017F;etzten Mittagstafel.<lb/>
Die erwärmte Stimmung der Ti&#x017F;chge&#x017F;ell&#x017F;chaft und der<lb/>
&#x017F;olide Reichthum des Gemaches &#x017F;tand in behaglichem<lb/>
Wider&#x017F;pruche mit dem Unwetter draußen auf der Ga&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
wo der rau&#x017F;chende Orkan den &#x017F;chmelzenden Schnee von<lb/>
den Dächern warf und mit ohnmächtiger Wuth an den<lb/>
vergoldeten Ei&#x017F;engittern rüttelte, die in unten weit<lb/>
ausgebauchter Korbform die breiten Fen&#x017F;ter von hellem<lb/>
Gla&#x017F;e &#x017F;chützten.</p><lb/>
          <p>Der mit Silber und venetiani&#x017F;chen Kelchen be&#x017F;etzte<lb/>
Ti&#x017F;ch nahm die Mitte des Zimmers ein. Der größte,<lb/>
eben&#x017F;o reiche als heimatlich behagliche Schmuck die&#x017F;er<lb/>
&#x017F;chönen Familien&#x017F;tube war ihr kun&#x017F;treich ge&#x017F;chnitztes<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0382] Dreizehntes Kapitel. Zu derſelben Stunde ſaß in ſeinem Hauſe zu Chur der Ritter Doctor Fortunatus Sprecher mit einem geehrten Gaſte an der feſtlich beſetzten Mittagstafel. Die erwärmte Stimmung der Tiſchgeſellſchaft und der ſolide Reichthum des Gemaches ſtand in behaglichem Widerſpruche mit dem Unwetter draußen auf der Gaſſe, wo der rauſchende Orkan den ſchmelzenden Schnee von den Dächern warf und mit ohnmächtiger Wuth an den vergoldeten Eiſengittern rüttelte, die in unten weit ausgebauchter Korbform die breiten Fenſter von hellem Glaſe ſchützten. Der mit Silber und venetianiſchen Kelchen beſetzte Tiſch nahm die Mitte des Zimmers ein. Der größte, ebenſo reiche als heimatlich behagliche Schmuck dieſer ſchönen Familienſtube war ihr kunſtreich geſchnitztes

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/382
Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/382>, abgerufen am 03.12.2024.