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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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Zweites Kapitel.

Waser sah sich in der dunkeln Schulstube des neben
dem großen Münster gelegenen Hauses zum Loch im
Jahre des Heils 1615 auf der vordersten Bank sitzen.
Es war ein schwüler Sommertag und der würdige
Magister Semmler erklärte seiner jungen Zuhörerschaft
einen Vers der Iliade, der mit dem helltönenden Dativ
magadi schloß. "Magas," erläuterte er, "heißt die
Drommete und ist ein den Naturlaut nachahmendes
Klangwort. Glaubt Ihr nicht den durchdringenden Schall
der Drommete im Lager der Achaier zu vernehmen,
wenn ich das Wort ausrufe?" Er hemmte seinen
Schritt vor der großen Wandkarte des griechischen Archi¬
pelagus und rief mit hellkrähender Stimme: Magadi!

Diese Kraftanstrengung wurde durch ein schallendes
Gelächter belohnt, das der Magister mit Genugthuung
vernahm, ohne den Hohn zu bemerken, der im Beifalle
seiner belustigten Schüler mitklang. War es ihm doch

Zweites Kapitel.

Waſer ſah ſich in der dunkeln Schulſtube des neben
dem großen Münſter gelegenen Hauſes zum Loch im
Jahre des Heils 1615 auf der vorderſten Bank ſitzen.
Es war ein ſchwüler Sommertag und der würdige
Magiſter Semmler erklärte ſeiner jungen Zuhörerſchaft
einen Vers der Iliade, der mit dem helltönenden Dativ
magádi ſchloß. „Magás,“ erläuterte er, „heißt die
Drommete und iſt ein den Naturlaut nachahmendes
Klangwort. Glaubt Ihr nicht den durchdringenden Schall
der Drommete im Lager der Achaier zu vernehmen,
wenn ich das Wort ausrufe?“ Er hemmte ſeinen
Schritt vor der großen Wandkarte des griechiſchen Archi¬
pelagus und rief mit hellkrähender Stimme: Magádi!

Dieſe Kraftanſtrengung wurde durch ein ſchallendes
Gelächter belohnt, das der Magiſter mit Genugthuung
vernahm, ohne den Hohn zu bemerken, der im Beifalle
ſeiner beluſtigten Schüler mitklang. War es ihm doch

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[0025] Zweites Kapitel. Waſer ſah ſich in der dunkeln Schulſtube des neben dem großen Münſter gelegenen Hauſes zum Loch im Jahre des Heils 1615 auf der vorderſten Bank ſitzen. Es war ein ſchwüler Sommertag und der würdige Magiſter Semmler erklärte ſeiner jungen Zuhörerſchaft einen Vers der Iliade, der mit dem helltönenden Dativ magádi ſchloß. „Magás,“ erläuterte er, „heißt die Drommete und iſt ein den Naturlaut nachahmendes Klangwort. Glaubt Ihr nicht den durchdringenden Schall der Drommete im Lager der Achaier zu vernehmen, wenn ich das Wort ausrufe?“ Er hemmte ſeinen Schritt vor der großen Wandkarte des griechiſchen Archi¬ pelagus und rief mit hellkrähender Stimme: Magádi! Dieſe Kraftanſtrengung wurde durch ein ſchallendes Gelächter belohnt, das der Magiſter mit Genugthuung vernahm, ohne den Hohn zu bemerken, der im Beifalle ſeiner beluſtigten Schüler mitklang. War es ihm doch

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/25>, abgerufen am 21.12.2024.