Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.Ihr Heim. Lang vorüber ging ich den Gehegen, Drin der Giebel deines Heimes ragt, Dieser Pforte, diesen Schattenwegen! Wer da wohne, hab' ich nicht gefragt. Wer da wohne Hinter einer dunkeln Lindenkrone, Hat das Herz mir nicht vorausgesagt. Pfade liefen durch die feuchte Wiese, Kleine Sohlen sah ich hier und dort Eingezeichnet auf dem weichen Kiese, Aber meines Weges zog ich fort. Ich begehrte Zu verfolgen nicht die flücht'ge Fährte, Zu betreten nicht den stummen Ort. Auch ein Rauschen hört' ich aus der Linde,
Die der Hauch der Abendlüfte bog; "Komme, Wandrer", rief es, "komm und finde!" Während rascher ich des Weges zog. Ich vertraute Dem Versprechen nicht der Geisterlaute, Deren Wehn mir oft das Herz betrog. Ihr Heim. Lang vorüber ging ich den Gehegen, Drin der Giebel deines Heimes ragt, Dieſer Pforte, dieſen Schattenwegen! Wer da wohne, hab' ich nicht gefragt. Wer da wohne Hinter einer dunkeln Lindenkrone, Hat das Herz mir nicht vorausgeſagt. Pfade liefen durch die feuchte Wieſe, Kleine Sohlen ſah ich hier und dort Eingezeichnet auf dem weichen Kieſe, Aber meines Weges zog ich fort. Ich begehrte Zu verfolgen nicht die flücht'ge Fährte, Zu betreten nicht den ſtummen Ort. Auch ein Rauſchen hört' ich aus der Linde,
Die der Hauch der Abendlüfte bog; „Komme, Wandrer“, rief es, „komm und finde!“ Während raſcher ich des Weges zog. Ich vertraute Dem Verſprechen nicht der Geiſterlaute, Deren Wehn mir oft das Herz betrog. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0186" n="172"/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Ihr Heim.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Lang vorüber ging ich den Gehegen,</l><lb/> <l>Drin der Giebel deines Heimes ragt,</l><lb/> <l>Dieſer Pforte, dieſen Schattenwegen!</l><lb/> <l>Wer da wohne, hab' ich nicht gefragt.</l><lb/> <l>Wer da wohne</l><lb/> <l>Hinter einer dunkeln Lindenkrone,</l><lb/> <l>Hat das Herz mir nicht vorausgeſagt.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Pfade liefen durch die feuchte Wieſe,</l><lb/> <l>Kleine Sohlen ſah ich hier und dort</l><lb/> <l>Eingezeichnet auf dem weichen Kieſe,</l><lb/> <l>Aber meines Weges zog ich fort.</l><lb/> <l>Ich begehrte</l><lb/> <l>Zu verfolgen nicht die flücht'ge Fährte,</l><lb/> <l>Zu betreten nicht den ſtummen Ort.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Auch ein Rauſchen hört' ich aus der Linde,</l><lb/> <l>Die der Hauch der Abendlüfte bog;</l><lb/> <l>„Komme, Wandrer“, rief es, „komm und finde!“</l><lb/> <l>Während raſcher ich des Weges zog.</l><lb/> <l>Ich vertraute</l><lb/> <l>Dem Verſprechen nicht der Geiſterlaute,</l><lb/> <l>Deren Wehn mir oft das Herz betrog.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [172/0186]
Ihr Heim.
Lang vorüber ging ich den Gehegen,
Drin der Giebel deines Heimes ragt,
Dieſer Pforte, dieſen Schattenwegen!
Wer da wohne, hab' ich nicht gefragt.
Wer da wohne
Hinter einer dunkeln Lindenkrone,
Hat das Herz mir nicht vorausgeſagt.
Pfade liefen durch die feuchte Wieſe,
Kleine Sohlen ſah ich hier und dort
Eingezeichnet auf dem weichen Kieſe,
Aber meines Weges zog ich fort.
Ich begehrte
Zu verfolgen nicht die flücht'ge Fährte,
Zu betreten nicht den ſtummen Ort.
Auch ein Rauſchen hört' ich aus der Linde,
Die der Hauch der Abendlüfte bog;
„Komme, Wandrer“, rief es, „komm und finde!“
Während raſcher ich des Weges zog.
Ich vertraute
Dem Verſprechen nicht der Geiſterlaute,
Deren Wehn mir oft das Herz betrog.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |