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Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843.

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Capitel 26.

Wie ich mit meinem Töchterlein und der alten
Magd das heilige Abendmahl genieße und sie dar¬
auf mit dem blanken Schwert und dem Zeterge¬
schrei zum letzten Mal vor Gericht geführet wird,
umb ihr Urtel zu vernehmen.


Nun sollte wohl männiglich judiciret haben, daß
ich in der schweren Dienstagsnacht kein Auge zu¬
gethan, aber Lieber, hier siehstu, daß der Herr mehr
thun kann denn wir bitten und verstehen, und seine Barm¬
herzigkeit alle Morgen neu ist. Denn ich schlief wie¬
der umb die Morgenzeit ganz geruhlich ein, als hätte
ich keine Sorge mehr auf meim Herzen. Und als ich
aufwachete kunnte ich auch wiederumb so wacker beten,
als ich lange nicht gekonnt, so daß ich in aller meiner
Trübsal für Freuden weinete über solche Gnade des
Herrn. Doch betete ich nun Nichtes, als daß er mei¬
nen, Töchterlein wölle Kraft und Stärke verleihen, ihr
Marterthum, so er ihr auferlegt, in christlicher Geduld
zu ertragen, mir Elenden aber einen solchen Schmerzens¬
stich durch seinen Engel in mein Herze zu geben, wenn
ich mein Töchterlein brennen säh, daß es alsofort stille
stünd, und ich ihr folgen künnte. Also betete noch, als
die Magd in ihren, schwarzen Putz hereintrat, mit mei¬
nes Lämmeleins seidinen Zeug auf ihren Aermel und mit

Capitel 26.

Wie ich mit meinem Töchterlein und der alten
Magd das heilige Abendmahl genieße und ſie dar¬
auf mit dem blanken Schwert und dem Zeterge¬
ſchrei zum letzten Mal vor Gericht geführet wird,
umb ihr Urtel zu vernehmen.


Nun ſollte wohl männiglich judiciret haben, daß
ich in der ſchweren Dienſtagsnacht kein Auge zu¬
gethan, aber Lieber, hier ſiehſtu, daß der Herr mehr
thun kann denn wir bitten und verſtehen, und ſeine Barm¬
herzigkeit alle Morgen neu iſt. Denn ich ſchlief wie¬
der umb die Morgenzeit ganz geruhlich ein, als hätte
ich keine Sorge mehr auf meim Herzen. Und als ich
aufwachete kunnte ich auch wiederumb ſo wacker beten,
als ich lange nicht gekonnt, ſo daß ich in aller meiner
Trübſal für Freuden weinete über ſolche Gnade des
Herrn. Doch betete ich nun Nichtes, als daß er mei¬
nen, Töchterlein wölle Kraft und Stärke verleihen, ihr
Marterthum, ſo er ihr auferlegt, in chriſtlicher Geduld
zu ertragen, mir Elenden aber einen ſolchen Schmerzens¬
ſtich durch ſeinen Engel in mein Herze zu geben, wenn
ich mein Töchterlein brennen ſäh, daß es alſofort ſtille
ſtünd, und ich ihr folgen künnte. Alſo betete noch, als
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[233/0249] Capitel 26. Wie ich mit meinem Töchterlein und der alten Magd das heilige Abendmahl genieße und ſie dar¬ auf mit dem blanken Schwert und dem Zeterge¬ ſchrei zum letzten Mal vor Gericht geführet wird, umb ihr Urtel zu vernehmen. Nun ſollte wohl männiglich judiciret haben, daß ich in der ſchweren Dienſtagsnacht kein Auge zu¬ gethan, aber Lieber, hier ſiehſtu, daß der Herr mehr thun kann denn wir bitten und verſtehen, und ſeine Barm¬ herzigkeit alle Morgen neu iſt. Denn ich ſchlief wie¬ der umb die Morgenzeit ganz geruhlich ein, als hätte ich keine Sorge mehr auf meim Herzen. Und als ich aufwachete kunnte ich auch wiederumb ſo wacker beten, als ich lange nicht gekonnt, ſo daß ich in aller meiner Trübſal für Freuden weinete über ſolche Gnade des Herrn. Doch betete ich nun Nichtes, als daß er mei¬ nen, Töchterlein wölle Kraft und Stärke verleihen, ihr Marterthum, ſo er ihr auferlegt, in chriſtlicher Geduld zu ertragen, mir Elenden aber einen ſolchen Schmerzens¬ ſtich durch ſeinen Engel in mein Herze zu geben, wenn ich mein Töchterlein brennen ſäh, daß es alſofort ſtille ſtünd, und ich ihr folgen künnte. Alſo betete noch, als die Magd in ihren, ſchwarzen Putz hereintrat, mit mei¬ nes Lämmeleins ſeidinen Zeug auf ihren Aermel und mit

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Zitationshilfe: Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/249>, abgerufen am 21.11.2024.