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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 42. Natur und Arten der öffentlichen Dienstpflicht.

Nach all dem werden wir ja daran festhalten, daß öffentliche
Dienstpflicht und öffentliches Amt begrifflich verschiedene Dinge sind.
Aber es steht keineswegs so, daß wir bei der Darstellung unseres
Rechtsinstituts von dem öffentlichen Amte absehen könnten. Im
Gegenteil, beides ist auf das innigste verflochten. Wie die Dienst-
pflicht Bedingung des Amtes ist, so wirkt das Amt seinerseits auf die
Dienstpflicht zurück: für eine bestimmte Art von Amt wird sie be-
gründet, nach diesem richtet sich die Fähigkeit, dienstpflichtig gemacht
zu werden, richtet sich der Inhalt der Dienstpflicht, und mit dem Amte
erhält diese erst ihre volle Entfaltung. Wo kein Amt entsteht, ver-
tritt hierin eine andere Art "aktiver" Dienstpflicht seine Stelle. Die
öffentliche Dienstpflicht entwickelt sich demgemäß durchweg in einer
gewissen Stufenfolge von Verpflichtbarkeit, Dienstpflicht, aktiver
Dienstpflicht, mit den entsprechenden Stufen abwärts.

III. Nach der Kraft, welche das Rechtsverhältnis erzeugt, teilt
man die civilrechtliche Dienstpflicht ein in eine gesetzliche und
in eine vertragsmäßige. Man hat die gleiche Einteilung
auf die öffentlichrechtliche Dienstpflicht übertragen; das entspräche
den beiden Grundformen, in denen öffentlichrechtliche Rechtsverhält-
nisse überhaupt entstehen: unmittelbarer Rechtssatz und Verwaltungs-
akt. Den letzteren Fall mag man als die vertragsmäßige Begründung
bezeichnen; wir werden diesen "Vertrag" noch genauer betrachten.

Allein auch mit diesem Vorbehalte ist die Einteilung in gesetz-
liche und vertragsmäßige Dienstpflicht nicht zu gebrauchen. Die
Unterschiede in den Begründungsarten der öffentlichen Dienstpflicht,
wie sie in Wirklichkeit erscheinen, decken sich nicht damit.

Denn einerseits die sogenannte gesetzliche Dienstpflicht wird gar
nicht unmittelbar durch Gesetz begründet, sondern durch einen das
Gesetz zur Anwendung und Wirksamkeit bringenden Verwaltungsakt.
Einen solchen finden wir ebenso bei der vertragsmäßigen Begründung
der Dienstpflicht, und auch Gesetzesbestimmungen stehen hier mög-
licherweise dahinter. Der Unterschied ist nur der, daß bei der so-
genannten gesetzlichen Dienstpflicht die Auferlegung derselben ein-
seitig, d. h. unabhängig von der Zustimmung des Verpflichteten er-
folgt, auf Grund einer vom Gesetz dazu erteilten Ermächtigung, die
vertragsmäßige dagegen die Einwilligung des zu Verpflichtenden
voraussetzt. Wir werden also jene, statt als gesetzliche, besser als
Zwangsdienstpflicht bezeichnen.

Auf der anderen Seite hat die "vertragsmäßige" Dienstpflicht nur
die Anstellung im Staatsdienst, den sogenannten Staatsdienstvertrag
im Auge. Allein damit sind keineswegs alle Fälle der öffentlichen

§ 42. Natur und Arten der öffentlichen Dienstpflicht.

Nach all dem werden wir ja daran festhalten, daß öffentliche
Dienstpflicht und öffentliches Amt begrifflich verschiedene Dinge sind.
Aber es steht keineswegs so, daß wir bei der Darstellung unseres
Rechtsinstituts von dem öffentlichen Amte absehen könnten. Im
Gegenteil, beides ist auf das innigste verflochten. Wie die Dienst-
pflicht Bedingung des Amtes ist, so wirkt das Amt seinerseits auf die
Dienstpflicht zurück: für eine bestimmte Art von Amt wird sie be-
gründet, nach diesem richtet sich die Fähigkeit, dienstpflichtig gemacht
zu werden, richtet sich der Inhalt der Dienstpflicht, und mit dem Amte
erhält diese erst ihre volle Entfaltung. Wo kein Amt entsteht, ver-
tritt hierin eine andere Art „aktiver“ Dienstpflicht seine Stelle. Die
öffentliche Dienstpflicht entwickelt sich demgemäß durchweg in einer
gewissen Stufenfolge von Verpflichtbarkeit, Dienstpflicht, aktiver
Dienstpflicht, mit den entsprechenden Stufen abwärts.

III. Nach der Kraft, welche das Rechtsverhältnis erzeugt, teilt
man die civilrechtliche Dienstpflicht ein in eine gesetzliche und
in eine vertragsmäßige. Man hat die gleiche Einteilung
auf die öffentlichrechtliche Dienstpflicht übertragen; das entspräche
den beiden Grundformen, in denen öffentlichrechtliche Rechtsverhält-
nisse überhaupt entstehen: unmittelbarer Rechtssatz und Verwaltungs-
akt. Den letzteren Fall mag man als die vertragsmäßige Begründung
bezeichnen; wir werden diesen „Vertrag“ noch genauer betrachten.

Allein auch mit diesem Vorbehalte ist die Einteilung in gesetz-
liche und vertragsmäßige Dienstpflicht nicht zu gebrauchen. Die
Unterschiede in den Begründungsarten der öffentlichen Dienstpflicht,
wie sie in Wirklichkeit erscheinen, decken sich nicht damit.

Denn einerseits die sogenannte gesetzliche Dienstpflicht wird gar
nicht unmittelbar durch Gesetz begründet, sondern durch einen das
Gesetz zur Anwendung und Wirksamkeit bringenden Verwaltungsakt.
Einen solchen finden wir ebenso bei der vertragsmäßigen Begründung
der Dienstpflicht, und auch Gesetzesbestimmungen stehen hier mög-
licherweise dahinter. Der Unterschied ist nur der, daß bei der so-
genannten gesetzlichen Dienstpflicht die Auferlegung derselben ein-
seitig, d. h. unabhängig von der Zustimmung des Verpflichteten er-
folgt, auf Grund einer vom Gesetz dazu erteilten Ermächtigung, die
vertragsmäßige dagegen die Einwilligung des zu Verpflichtenden
voraussetzt. Wir werden also jene, statt als gesetzliche, besser als
Zwangsdienstpflicht bezeichnen.

Auf der anderen Seite hat die „vertragsmäßige“ Dienstpflicht nur
die Anstellung im Staatsdienst, den sogenannten Staatsdienstvertrag
im Auge. Allein damit sind keineswegs alle Fälle der öffentlichen

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[201/0213] § 42. Natur und Arten der öffentlichen Dienstpflicht. Nach all dem werden wir ja daran festhalten, daß öffentliche Dienstpflicht und öffentliches Amt begrifflich verschiedene Dinge sind. Aber es steht keineswegs so, daß wir bei der Darstellung unseres Rechtsinstituts von dem öffentlichen Amte absehen könnten. Im Gegenteil, beides ist auf das innigste verflochten. Wie die Dienst- pflicht Bedingung des Amtes ist, so wirkt das Amt seinerseits auf die Dienstpflicht zurück: für eine bestimmte Art von Amt wird sie be- gründet, nach diesem richtet sich die Fähigkeit, dienstpflichtig gemacht zu werden, richtet sich der Inhalt der Dienstpflicht, und mit dem Amte erhält diese erst ihre volle Entfaltung. Wo kein Amt entsteht, ver- tritt hierin eine andere Art „aktiver“ Dienstpflicht seine Stelle. Die öffentliche Dienstpflicht entwickelt sich demgemäß durchweg in einer gewissen Stufenfolge von Verpflichtbarkeit, Dienstpflicht, aktiver Dienstpflicht, mit den entsprechenden Stufen abwärts. III. Nach der Kraft, welche das Rechtsverhältnis erzeugt, teilt man die civilrechtliche Dienstpflicht ein in eine gesetzliche und in eine vertragsmäßige. Man hat die gleiche Einteilung auf die öffentlichrechtliche Dienstpflicht übertragen; das entspräche den beiden Grundformen, in denen öffentlichrechtliche Rechtsverhält- nisse überhaupt entstehen: unmittelbarer Rechtssatz und Verwaltungs- akt. Den letzteren Fall mag man als die vertragsmäßige Begründung bezeichnen; wir werden diesen „Vertrag“ noch genauer betrachten. Allein auch mit diesem Vorbehalte ist die Einteilung in gesetz- liche und vertragsmäßige Dienstpflicht nicht zu gebrauchen. Die Unterschiede in den Begründungsarten der öffentlichen Dienstpflicht, wie sie in Wirklichkeit erscheinen, decken sich nicht damit. Denn einerseits die sogenannte gesetzliche Dienstpflicht wird gar nicht unmittelbar durch Gesetz begründet, sondern durch einen das Gesetz zur Anwendung und Wirksamkeit bringenden Verwaltungsakt. Einen solchen finden wir ebenso bei der vertragsmäßigen Begründung der Dienstpflicht, und auch Gesetzesbestimmungen stehen hier mög- licherweise dahinter. Der Unterschied ist nur der, daß bei der so- genannten gesetzlichen Dienstpflicht die Auferlegung derselben ein- seitig, d. h. unabhängig von der Zustimmung des Verpflichteten er- folgt, auf Grund einer vom Gesetz dazu erteilten Ermächtigung, die vertragsmäßige dagegen die Einwilligung des zu Verpflichtenden voraussetzt. Wir werden also jene, statt als gesetzliche, besser als Zwangsdienstpflicht bezeichnen. Auf der anderen Seite hat die „vertragsmäßige“ Dienstpflicht nur die Anstellung im Staatsdienst, den sogenannten Staatsdienstvertrag im Auge. Allein damit sind keineswegs alle Fälle der öffentlichen

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/213>, abgerufen am 27.04.2024.